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Unterhaltung Ein reinigendes Gewitter

 
     
 
Über ihnen leuchtete ein tiefblauer Sommerhimmel. So weit so hoch, daß Thea beim Hinaufsehen fast ein wenig schwindlig wurde. Noch einmal unte diesem endlosen Himmel stehen zu dürfen, erschien ihr als spätes, kostbares Geschenk de Lebens. Bittersüß stieg es in ihrer Kehle auf und instinktiv griff sie nach der Han ihrer Schwester, wie um sich zu vergewissern, daß dies alles Wirklichkeit war.

Trotz der heißen Mittagsstunde fühlte sich Lydias Hand kühl und trocken an, und auc ihre Augen spiegelten nichts von Theas eigener Hochstimmung wider. Eher störrisch den begeistert blickte sie von der leichten Anhöhe zum waldumsäumten See hinunter.

Vor langer, langer Zeit hatte sie es kaum erwarten können, an schönen Sommertag
en a eben diesen See zu radeln. Herrlich war es, sich nach dem Schwimmen erfrischt in sonnenwarme Gras zu werfen oder mit den Nachbarskindern stundenlang durchs Unterholz zu kriechen und nach Beeren und Abenteuern zu suchen …!

Nun aber betrachtete Lydia den See auf eine Weise, die Thea ganz und gar nicht gefiel Ernüchtert schaute sie ihre Schwester an, die, sorgfältig zurechtgemacht wie für eine Stadtbummel, stocksteif in der Gegend stand und wenig Neigung zeigte, sich auf eine anstrengenden Fußmarsch einzulassen, bloß um ganz gewöhnliches Wasser zu bestaunen Alles machte ihr Sorge: der staubtrockene Feldweg, der zum Wald hinunterführte, würd sicher ihre ganze Kleidung verschmutzen …, außerdem wäre es viel zu schwül, u draußen herumzuwandern, und und und …

Thea holte tief Luft. Was erwartete sie eigentlich von Lydia? Tränen? Ekstatische Entzücken? Angesichts der Landschaft, in der sie beide aufgewachsen waren, wäre ein solche Reaktion nicht weiter verwunderlich gewesen. Aber Lydia schien völli unempfänglich für den besonderen Zauber dieses Ortes, dieser Stunde …

"Komm nur, es wird uns guttun, ein wenig zu laufen", sagte sie schließlic und hakte sich bei der jüngeren Schwester unter. "Wir können doch nicht nach Haus fahren, ohne unserer alten Badestelle guten Tag gesagt zu haben!"

"Wenn sie noch da ist", murmelte Lydia widerwillig. Und ärgerlich zog si die Brauen zusammen, als der aufwirbelnde Sand unter ihren Füßen Rocksaum und Schuh einstäubte …

Noch ehe sie den Wald erreichten, hörten sie den ersten Donnerschlag. Ganz plötzlic war Wind aufgekommen, und am Horizont, der eben noch in klarstem Blau geleuchtet hatte türmten sich nun riesige Haufenwolken.

"Auch das noch!"

Zutiefst erschrocken, zerrte Lydia am Arm der Schwester: "Laß uns rasch umkehren – Warum haben wir uns bloß nicht öfter umgeschaut!? Bei der ersten Wolke hätte wir schon zurücklaufen sollen!"

Einen Moment lang verspürte auch Thea heftiges Herzklopfen.

"Nein, wir kehren nicht um", erwiderte sie dann mit fester Stimme "Hinter uns ist freies Feld, das bietet überhaupt keinen Schutz. Und du weißt doch der Blitz schlägt in den höchsten Punkt ein, also wären wir die idealen Opfer. Nein nein, nichts wie rein in den Wald! Wir kauern uns dort in eine Mulde und lassen da Gewitter einfach über unsere Köpfe hinwegziehen!"

Es war nur ein kurzes Wärmegewitter. Zwei-, dreimal zuckten noch Blitze vom Himmel dann vernahmen die unter dichtem Strauchwerk kauernden Frauen nur noch das Rauschen de Regens. Während Lydia schützend die Handtasche über ihre Lockenpracht hielt und leis vor sich hin jammerte, versuchte Thea, die jetzt doch mit einigen Schuldgefühle kämpfte, die Schwester ein wenig aufzumuntern: "Hörst du – der Regen läß schon nach. Bestimmt kommt gleich die Sonne heraus. So war es damals im Sommer auch immer Nach dem Regen kehrte die Hitze sofort zurück."

Sie behielt recht. Schnell klarte es wieder auf, erste Sonnenstrahlen rieselten durch Blätterdach des Waldes, und die verstummten Vögel nahmen erneut ihren Gesang auf.

"Und wie würzig es nun duftet!", freute sich Thea, hielt dann aber betrete inne, als sie das ramponierte Äußere ihrer Schwester bemerkte. Ihr selbst hatte da Tröpfeln von den Bäumen nichts ausgemacht – mit den festen Wanderschuhen an ihre Füßen und der praktischen Kurzhaarfrisur war sie für alle Wetterunbilden gerüstet. Vo Lydias eleganter Aufmachung war dagegen wenig übriggeblieben. Nicht nur, daß ihr Locke jetzt in laschen Strähnen herunterhingen, auch die Riemchen ihrer Sandalen waren in Auflösung begriffen.

"Du willst bestimmt sofort ins Hotel zurück …?", murmelte The verlegen.

"Ohne dem See guten Tag gesagt zu haben –?", erinnerte Lydia und in Theas Ohren klang es wie reiner Hohn.

Zu ihrer Überraschung übernahm Lydia nun tatsächlich die Führung. Als hätte da Gewitter sie mit neuer Energie versorgt, schritt sie trotz ihres durchweichten Schuhwerk zielbewußt voran.

Und dann schimmerte es plötzlich silbrigblau durch die Bäume. Noch bewegt vo vorausgegangenen Unwetter, lag der See in vertrauter Schönheit vor ihnen da.

Während Thea überwältigt stehenblieb, streifte Lydia mit jäher Entschlossenhei Schuhe und Strümpfe von den Füßen.

"Zurück geh’ ich barfuß!", verkündete sie lauthals, raffte ihren Roc zusammen und stakste aufs Wasser zu. Kurz bevor ihre Zehen ins heimatliche Na eintauchten, drehte sie sich um und blinzelte Thea mit der schalkhaften Fröhlichkei eines jungen Mädchens zu: "Eins hab’ ich nie vergessen – daß ich stet die erste im Wasser war …!"

Ein ganz besond’res Land

Ein Land wie jedes andre
 
     
     
 
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