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Unwürdig: Deutsche Zwangsarbeitsopfer werden ignoriert

 
     
 
Was sich dieser Tage als Medienspektakel unter der Überschrift "Zwangsarbeiter-Entschädigung" vor aller Augen abspielt, ist dazu angetan, die Deutschen, die vor über 50 Jahren in Arbeitslagern geknechtet wurden, tief zu verbittern. Sechs Millarden Mark boten Bundesregierung und deutsche Unternehmen an als Entschädigung für Zwangsarbeiter, die unter deutscher Verantwortung schuften mußten.

Die Antwort der Opferanwälte kam prompt: Eine "Beleidigung" sei das "unangemessen niedrige Angebot", ja, die deutschen Firmen erwiesen sich damit als die "modernen und echten Raubritter des kommenden Jahrtausends".

Die deutschen Zwangsarbeiter, die vor allem im Osten nach dem Kriege geschunden und ausgebeutet
wurden, haben bis jetzt nicht einmal eine heilende Geste ihrer einstigen Peiniger empfangen können – von finanzieller Entschädigung ganz zu schweigen. Schlimmer: Was ihnen, darunter ein endloses Heer von Frauen und Kindern, zugefügt wurde, wird sogar noch nachträglich für "verständlich" erklärt, wenn nicht gar für legitim.

Polen und Tschechei haben es bis dato nicht einmal für nötig befunden, Übergriffe auf Deutsche um 1945 wenigstens juristisch für Unrecht zu erklären. Die skandalösen Dekrete à la Benesch sind immer noch in Kraft, und selbst die Bundesregierung dringt nicht auf ihre Abschaffung. Erst kürzlich hatte Kanzler Schröder in Prag die Debatte über die Dekrete, die alle grausamen Verbrechen an wehrlosen Nichttschechen straffrei stellten, als rückwärtsgewandt abgeschmettert. Das Thema "Deutsche Zwangsarbeiter" kommt so erst gar in die Nähe der Betrachtung.

Dieser Abgrund von zweierlei Maß ist es, der das Gerechtigkeitsempfinden einer wachsenden Zahl von Menschen in unserem Land irreparabel zu verletzen droht. Doch nur wenige bringen den Mut auf, die Dinge beim Namen zu nennen, wie der junge Fuldaer Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann. Die Forderung seines CDU-Parteifreundes und Mitglieds des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, den Betrag um das Vier- bis Sechsfache zu erhöhen, nannte Hohmann "fern jeder Realität" und fügte an: "Der Gerechtigkeit halber muß erwähnt werden, daß es auch deutsche Zwangsarbeiter gab." Obwohl diese "unter genauso schlimmen und mörderischen Verhältnissen in der Tschechoslowakei, in Polen und der damaligen Sowjetunion haben leiden müssen, ist für sie bisher keinerlei Schadenersatz vorgesehen".

Michel Friedman wisse das sehr wohl, so Martin Hohmann. Er mahnt: "Da man von Friedman bisher aber keinerlei Ersatzforderungen für diese deutschen Zwangsarbeiter gehört hat, lassen sich seine Forderungen nur als Lobby-Arbeit einstufen." Als Lobbyist solle Friedman sich aber nicht den Mantel des Moralisten umhängen. Friedman schade mit seiner Maßlosigkeit einer echten Versöhnung und Normalisierung zwischen Juden und Deutschen und betreibe das Geschäft rechtsradikaler Ultras.

In der Tat: Eingefleischte Antisemiten dürften dieser Tage die Korken ebenso knallen lassen wie fanatische Deutschenhasser, die die ganze Kampagne zu einem Feldzug gegen unser Land nutzen und natürlich die über hundert Milliarden Mark bereits geleisteter Wiedergutmachungen konsequent verschweigen. So werfen sich die Unverbesserlichen beider Ecken gegenwärtig die Bälle zu.

Die deutschen Opfer von Zwangsarbeit sind indes weit davon entfernt, sich in diesem abstoßenden Spiel eine Rolle zuweisen zu lassen. Sie wollen ja gar nicht viel mehr, als daß ihr Schicksal endlich als das anerkannt wird, was es war: Ein furchtbares Verbrechen. Erna Ewert, Marga Pollmann und Hannelore Müller haben in dem 1998 erschienenen Buch "Frauen in Königsberg 1945–1948" (s. Folge 7/99) ihren Leidensweg als Zwangsarbeiterinnen nachgezeichnet. Ihr Zeugnis erscheint um so beklemmender angesichts der Ignoranz, die ihrem Martyrium entgegenschlägt. "Wie es scheint, ist keine Satire so beißend, daß sie nicht am Ende doch noch traurige Wirklichkeit werden kann", resümierte bitter Gernot Wildt in der "Sudetendeutschen Zeitung" Kanzler Schröders wegwerfende Äußerungen hinsichtlich einer Aufarbeitung der Benesch-Dekrete in Prag. Damit entthronte er treffend jene unappetitliche Doppelmoral, die aus der Sicht der verdrängten deutschen Opfer dieser Tage einem neuen Höhepunkt entgegentreibt.

Den Opfern der Arbeits- und Todeslager der Jahrhundertmitte gebührt Achtung und Wiedergutmachung – und zwar allen. Ihr Andenken darf nicht durch eine Doppelmoral besudelt werden, die den Verdacht nahelegt, daß "Lobbyisten" am Werk sind statt ehrlicher Anwälte menschlicher Ethik.

 
     
     
 
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