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Urlaubsstrände werden zum Krisengebiet

 
     
 
Fällt der Begriff „Krisengebiet“, denkt man dieser Tage vor allem an den Libanon, kaum aber wohl an die Kanarischen Inseln, die für viele ein Synonym für Erholung und Urlaub sind. Und doch sind diese Inseln, allen voran Teneriffa und Gran Canaria, aufgrund des nicht enden wollenden Zustroms von illegalen afrikanische
n Zuwanderern mittlerweile so etwas wie ein Krisengebiet geworden. Kein Hindernis scheint die auswanderungswilligen Afrikaner, die an den Küsten Mauretaniens und des Senegals auf ihre Überfahrt warten, zu groß zu sein, um die Kanarischen Inseln zu erreichen. Immerhin sind bis zu 1200 Kilometer Seeweg zu überbrücken. Daß diese lange Strecke tatsächlich immer mit den Booten, die auf den Kanaren landen, überbrückt wird, erscheint eher fragwürdig. Mit einiger Wahrscheinlichkeit dürften sogenannte „Mutterschiffe“ im Einsatz sein, von denen aus zumindest ein Teil jener Boote, die auf den Kanaren ankommen, kurz vor dem Ziel ins Meer gelassen werden. Um die Existenz oder Nichtexistenz derartiger „Mutterschiffe“ schwelt ein Streit zwischen der spanischen Regierung, die den Einsatz derartiger Schiffe anzweifelt, und kanarischen Politikern, die hierfür sogar Beweise in Form von Fotos in der Hand zu haben behaupten.

Wie viele Afrikaner die Flucht mit ihrem Leben bezahlen müssen, darüber kann derzeit nur gemutmaßt werden. Offiziell ist von 1500 bis 2000 Todesopfern die Rede, die Dunkelziffer dürfte nach Meinung von Experten etwa dreimal höher liegen. Dessenungeachtet konnten in diesem Jahr bisher um die 16000 Illegale die Kanarischen Inseln erreichen, deren Aufnahmekapazitäten längst erschöpft sind. Nicht selten kam es in den letzten Wochen vor, daß Urlauber direkt mit den oft entkräfteten afrikanischen Flüchtlingen, die sie spontan mit Wasser und Nahrungsmitteln versorgten, konfrontiert wurden. Hier und da sollen Touristen auch auf angeschwemmte Flüchtlingsleichen gestoßen sein.

Die dramatische Zuspitzung der Lage auf den Kanaren dürfte vor allem auf die weitgehende Abriegelung der spanischen Exklaven Ceuta und Melilla beziehungsweise der Meerenge von Gibraltar im September 2005 zurückzuführen sein, die bis dahin ein bevorzugtes Zuwanderungssprungbrett nach Europa darstellten. Seitdem ist die afrikanische Westküste der Ausgangspunkt der Flüchtlinge, was den dortigen Bootsbesitzern und der Schleppermafia blühende Geschäfte beschert. Nach einem Bericht von „Wochenblatt.Online“, einer deutschsprachigen „Zeitung für die Kanarischen Inseln“, verhandelt ein sogenannter „Chairman“ mit den Bootsbesitzern über die Anzahl der Plätze auf dem Boot. Er ist es auch, der den Transport zu den Booten an der Küste organisiert. Vor allem aber ist der „Chairman“ derjenige, der das Reisegeld der Illegalen verwaltet. Er soll dieses Geld (etwa zwischen 500 und 1000 Dollar) dann an die Bootsbesitzer weiterreichen, wenn ein entsprechender Anruf eines Flüchtlings von den Kanaren oder gar aus Spanien erfolgt, in dem dieser die erfolgreiche Überfahrt bestätigt. Nicht selten aber kommt es vor, daß der „Chairman“ mit dem Geld bereits untergetaucht ist.

Der immer größere Kreise ziehenden Fluchtbewegung aus Afrika in Richtung Europa tut all dies keinen Abbruch. Daß deren Gründe wohl nur zum Teil in der desolaten Situation vieler afrikanischer Staaten zu suchen sind, dieser Meinung ist zum Beispiel Mukhtard M’Haymed, der Polizeichef des mit spanischer Hilfe errichteten Auffanglagers Nouadhibou in Mauretanien. Er beobachtet in vielen afrikanischen Staaten eine Art „Massenhysterie“, für die er gegenüber dem österreichischen Wochenmagazin „News“ folgende Erklärung fand: „Das liegt daran, daß viele, die es geschafft haben, aus Stolz die falschen Informationen nach Hause durchgeben. Sie sagen, alles sei wunderbar, weil sie wissen, daß ihre Familien alles in die Reise investiert haben.“ M’Haymed glaubt nicht, daß diese Fluchtbewegung gestoppt werden könnte; er verweist auf den Luxus der Europäer, der den Afrikanern per Fernsehen übermittelt werde.

Demnach versuchen Spanien und die EU, den Strom von Illegalen aus Afrika einzudämmen. Dabei mangelt es nicht an Schuldzuweisungen. Nicht wenige kanarische Politiker orten in der sozialistischen Regierung von José Luis Rodrigez Zapatero einen Schuldigen für diese Entwicklung. Dessen Legalisierung von etwa 700000 Ausländern, die im letzten Jahr in Spanien eine Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung erhielten, hat aus ihrer Sicht in Afrika eine regelrechte Sogwirkung entfacht. Einen Höhepunkt erreichte der Unmut über die spanische Regierung auf den Kanaren Mitte Mai, als an einem Tag etwa 600 Illegale landeten. Zu diesem Zeitpunkt sicherten 17 Patrouillenboote das Vorbereitungsrennen für den „32. America’s Cup“ an der Küste von Valencia, aber nur acht Boote patrouillierten vor den Kanaren.

Eher schleppend entwickelt sich zum Verdruß vieler Kanaren das Engagement der EU-Grenzschutzbehörde Frontex, die erst dieser Tage ein erstes Boot in den Einsatz brachte. Seit Monaten wird aber ein umfassender Einsatz von EU-Patrouillen, die mittels Luft- und Schiffüberwachung den Zustrom der Illegalen eindämmen sollen, versprochen. Die spanische Regierung hat laut „Wochenblatt.Online“ überdies angekündigt, Satelliten und Drohnen einzusetzen, um die Flüchtlingsboote direkt an der afrikanischen Küste abfangen und um die Flüchtlinge schnell in ihre Heimatländer zurückbringen zu können. Zum Maßnahmenkatalog gehören des weiteren Rückführungsabkommen. Mit Marokko, Algerien oder Mauretanien konnten derartige Abkommen bereits ausgehandelt werden. Nicht aber mit dem Senegal, jenem afrikanischen Staat also, der mit als Hauptsprungbrett der Illegalen gilt. Dessen Präsident versucht mit den Spaniern zu pokern; er will möglichst große finanzielle Gegenleistungen für sein Land heraushandeln. Die Spanier haben sich bisher allerdings - nicht zuletzt wegen der Gefahr einer Zweckentfremdung der Gelder aufgrund der im Senegal grassierenden Korruption - in dieser Frage bedeckt gehalten. Nicht durchsetzen konnten sich die Kanaren bisher mit ihrer erstmals im Mai dieses Jahres erhobenen Forderung, daß die spanische Marine die kanarischen Küsten schützen solle. Auch eine Änderung des Zuwanderungsgesetzes blieb bisher aus. Nach geltender Rechtslage kann ein Flüchtling, der 40 Tage in einem Internierungslager verbracht hat, nicht mehr abgeschoben werden; er hat es geschafft. Die Reise der meisten Flüchtlinge geht dann weiter; häufig in Richtung Spanien oder Frankreich.
 
     
     
 
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