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Wahrhaftigkeit im Spiel

 
     
 
Unvergessen ihr Gesicht und ihre darstellerische Kraft. Da muß ein echtes Naturtalent gewirkt haben, am Theater, in zahlreichen Filmen und TV-Produktionen. Kein Wunder, daß kein Geringerer als Otto Falckenberg sie 1927 in das Ensemble der Münchner Kammerspiele holte, fleißig spielen und sich ausprobieren ließ. Der Name Edith Schultze-Westrum begann in der Schauspielerriege zu glänzen, frühe Kritiken beweisen es. „Ich habe Glück, einen so herrlichen Beruf zu haben und noch arbeiten zu können“, schrieb sie Jahrzehnte später aus ihrem bayerischen Wohnort Pullach. Dort bewohnte die Gartenfreundin seit Mitte der 50er Jahre die Mansarde ihres Hauses. Vor 100 Jahren, am 30. Dezember 1904, wurde Edith Schultze-Westrum als jüngstes von drei Geschwistern in Mainz-Kastel geboren. Ihre Kindheit verbrachte sie in Ulm, Berlin und Greifswald. Ihr Vater, ein Berufs
offizier, fiel 1914 in Flandern. Nach dem Schulabschluß reiste sie zu einem Vetter nach München und blieb. Er war Anatomie-Professor und verschaffte ihr eine Laborantenstelle. Doch Edith zog es zur Bühne, und so nahm sie privaten Schauspielunterricht und spielte in einer Laiengruppe der Universität. Richard Rewy, Regisseur an den Münchner Kammerspielen, ermöglichte der damals 23jährigen einen Anfängervertrag bei Otto Falckenberg. In dessen „Lulu“-Inszenierung schlüpfte sie 1928 in die Rolle des Zimmermädchens Henriette, eine von etwa 20 Arbeiten unter Falckenbergs Regie. Irgendwann war für sie die „Zofe vom Dienst“ Vergangenheit, andere Aufgaben warteten auf sie. Den Theaterkritikern, die damals noch vorrangig die Schauspieler herausstellten, war Edith Schultze-Westrum auch in kleineren Rollen lobende Worte wert. So etwa 1930 ihr Proletarierkind in Alfred Döblins „Die Ehe“ mit Therese Giehse. „Einen echteren Sproß der Elendsleute kann man nicht sehen. Trieb, Haß, Liebe – alles in einem“, konnte man in den Münchener Neueste Nachrichten lesen. 1933 hob die Münchener Post ihre altkluge Kurtisane in „Komödie der Irrungen“ hervor. Wahrhaftigkeit im Spiel, sie hatte es erreicht. „Eine erschütternde Leistung bot Edith Schultze-Westrum als Christophs Braut Anna besonders in der stummen, stammelnden Verzweiflungsszene ... Das war elementare, großartig-schonungslose Darstellungskunst!“, hieß es 1935 in der Münchener Zeitung nach der Premiere von „Das Spiel von den deutschen Ahnen“ mit Friedrich Domin und Ferdinand Marian. Im selben Jahr wurde sie mit einem mehrmonatigen Spielverbot belegt, weil sie für jüdische Freunde eintrat. Zehn Jahre am Bayerischen Staatstheater schlossen sich an, wo sie unter anderem als Mutter Wolffen in Hauptmanns „Biberpelz“ eine ideale Besetzung gewesen sein muß. Nach 1945, inzwischen zweifache Mutter und mit dem Regisseur Toni Schelkopf verheiratet, synchronisierte sie viel, schrieb Texte für ausländische Filme und führte selber Regie. Seit 1932 hatte Edith Schultze-Westrum auch vor der Filmkamera gestanden. Das Jahr 1959 bescherte ihr gleich zwei Mütter mehr im Repertoire, die eine in dem Film „Nacht fiel über Gotenhafen“. Die andere in Bernhard Wickis Streifen „Die Brücke“ brachte ihr das Filmband in Gold für die beste Neben-rolle. Edith Schultze-Westrum, die Emsige, ging regelmäßig auf Tournee. Bis die Gesundheit sie zwang, kürzer zu treten. An Parkinson erkrankt, starb die Vielbegabte am 20. März 1981 in München. Heinz Rühmann, der mit ihr zu den kleinen Großen bei Falckenberg gehörte, hielt die Grabrede auf dem Waldfriedhof Solln. Was bleibt, sind vereinzelte Wiedersehen in den Medien, Erinnerungen. Sohn Thomas Schultze-Westrum ist seiner Mutter dankbar, daß sie sein Interesse an der Natur immer gefördert hat. Der bekannte Tierfilmer, Sproß aus einer Beziehung mit dem Regisseur und Schauspieler Paul Verhoeven, läßt zwei ihrer Eigenschaften nicht unerwähnt – ihre ungeheure Energie und Bescheidenheit. Edith Schultze-Westrum: Im Theater und im Film eindrucksvolle Rollen verkörpert Foto: Archiv Deuter

 
     
     
 
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