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Was Sie wirklich denken

 
     
 
Was sich ein Volk in geschützte Lage und in gesicherten Lebensumständen leisten darf, ist dem deutschen Volke noch lang nicht erlaubt. Unter deutschen Verhältnissen wird vieles zum Frevel und zu wahnwitzige Herausforderung des Schicksals, was für andere Völker natürliche Selbstdarstellun eines weniger bedrohten Daseins ist. Liberalismus und Individualismus sind für gewiss westliche Völker die sinn- und sachgemäße Wesenshaltung; so weit dürfen sie sic innerhalb des politischen Raumes, den sie erfüllen, gehen lasen, ohne fürchten zu müssen, sich in Gefahr zu bringen. Dort braucht man nicht unausgesetzt zu kämpfen; ma darf Atem schöpfend die Waffen fortstellen, man darf auch genießen. Man darf sich dor sogar daran gewöhnen, das Leben als höchstes der Güter zu werten; man braucht es nich als Einsatz zu betrachten, zu dem man in jeder Stunde bereit zu sein hat. Man hat es dor so leicht, sich selbst zu behaupten, daß man dieser Aufgabe auch noch gewachsen ist, wen man sich sorglos dem Liberalismus und Individualismus überläßt. Freilich hat ma zugleich auch sicheren Instinkt, wo die Grenze ist, die man nicht übersteigen darf; ma ist so sehr geborener Liberalist und Individualist, daß man souverän darüber zu entscheiden vermag, wo es zweckmäßig ist, es vorübergehend nicht mehr zu sein.

Für das deutsche Volk
hingegen sind Liberalismus und Individualismus Ausflüchte, die man den unabdingbaren Forderungen der ausweglosen deutschen Situation entgegenhält. Da gute Recht, das beiden unter andern Völkern zukommt, wird gegen den unbequemen Anspruc ausgespielt, auf dem die deutschen Lebensvoraussetzungen gegenüber dem deutschen Volk bestehen. Für andere Völker gibt es Stellungen, die außerhalb der Reichweite de Feindes liegen; räumt man dort die Rüstung beiseite, ist es noch lange nicht der Begin einer Kapitulation. Das deutsche Volk aber lebt jahraus, jahrein in einer belagerte Festung; gibt es die Waffe aus der Hand, riskiert es sogleich, überfallen und zu Übergabe gezwungen zu werden. Der Deutsche, der sich von der Waffe getrennt hat, kan immer wieder von Glück reden, wenn er sie am Ende nicht strecken muß. Legt man bei de westlichen Völkern die Waffe fort, so tut man es, weil die Umstände dazu einladen; ma nutzt die Gunst der Stunde und der Verhältnisse entsprechend aus. Deutschen winkt ein ähnliche Gunst der Stunde und der Verhältnisse nie; werfen sie sich in lässiges Zivil dann steckt dahinter in der Regel eine eigensinnige selbstmörderische Demonstration, ei überdrüssiges Aufbegehren, eine Versuchung des Himmels, ein gewalttätiger Trotz, de sich blind austobt, komme gleich, was da kommen mag, ein verbissener Pazifismus, den ma unbeschadet aller seiner Folgen einfach riskiert. Man blickt nicht mehr auf den Feind, de jenseits der Mauern lauert; man will in kurzerhand nicht mehr sehen. Man blickt nur noc auf sich selbst, als sei man allein auf der Welt. Zum deutschen Liberalismus un Individualismus gehört, daß man der Außenpolitik schroff den Rücken kehrt und nur noc von Innenpolitik hören mag. Liberalismus und Individualismus sind unter Deutsche Schabernack, den man dem Staat antut; man verwendet beide als "gute Gründe" die man gegen den Staat ins Feld führen kann, wenn man sich nimmt, hütet man sic sorgsam, des Guten zuviel zu tun. Deutscher Liberalismus und Individualismus sin Gehorsamsverweigerungen: man ist es satt, den Zwang des Staates weiterhin zu dulden. Erns Niekisch

Widerstand, Krefeld 1982

 
     
     
 
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