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Was Walser erreicht hat

 
     
 
Ignatz Bubis hat sich mit Martin Walser getroffen und seinen Vorwurf, Walser sei ein "geistiger Brandstifter", öffentlich zurückgenommen. Zuvor hatte er sich bereits mit Klaus von Dohnanyi ausgesöhnt, dem er latenten Antisemitismus vorgehalten hatte. Damit ist eine der heftigsten Auseinandersetzungen der vergangenen Jahrzehnte zumindest in sachliche Bahnen gelenkt worden und alle bemühen sich nun festzustellen, daß es weder Gewinner noch Verlierer gibt. Richtig? Falsch!

Natürlich ist es eine Niederlage für Ignatz Bubis. Er hat sich verrannt und mußte dies nun zugeben. Daran Freude zu haben wäre allerdings billig. Überlebende
der Vertreibung wissen, was es heißt, wenn schon die frühe Jugend von traumatischen Erlebnissen geprägt ist, die einen dann ein Leben lang begleiten. Das vernarbt nie mehr ganz und macht um so empfindlicher für alles, was als neuerliche Verwundung aufgefaßt wird. Bubis ist anzurechnen, daß er dennoch zu Einsicht und Gerechtigkeit zurückfand.

Doch das Mißverständnis der beiden Kontrahenden bestand ja von Anfang an darin, daß Walser Bubis gar nicht meinte, als er in der Paulskirche von den "Instrumentalisierern" der NS-Judenverfolgung, also vom Mißbrauch der Erinnerung sprach. Der Literat wehrte sich, ganz bestimmt stellvertretend für die große Mehrheit der Deutschen, gegen jene, welche die "Faschismuskeule" als Allzweckwaffe gegen sämtliche Andersdenkende schwingen, die somit skrupellos die Opfer von damals zur Munition für heute degradieren. Dabei haben gerade die Verfechter linkstotalitärer Ideologien, die selbst eine millionenfache Blutspur durch unser Jahrhundert gelegt haben, diese Waffe für sich entdeckt – was die ganze Sache besonders abstoßend macht.

Dagegen ist Martin Walser aufgestanden, und wenn man Ignatz Bubis einen Vorwurf machen will, dann den, daß er dies nicht längst selbst getan hat. Niemand, auf keinen Fall Walser selbst, wird bezweifeln, daß Bubis der Berufenere hierfür gewesen wäre.

Und jetzt? Am Ende ist die Debatte ganz gewiß nicht. Klaus von Dohnanyi brachte es auf den Punkt: Die deutsche Debatte sei von Tabus wie von Minen bepflastert. Davon seien nun einige hochgegangen. Jetzt könnten wir uns freier bewegen als zuvor.

 

 
     
     
 
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