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Wie in Ketten gelegt

 
     
 
In regelmäßigen Abständen wird der Bürokratie der Kampf angesagt. In der EU soll die Wirtschaft bis 2012 um etwa 150 Milliarden Euro entlastet werden. Doch der Bürokratieabbau ist komplizierter, als es sich Otto Normalverbraucher denkt. Die jüngsten Fleischskandale haben bewiesen, daß staatliche Kontrollen nicht immer schlecht sind. Viele derjenigen, die am liebsten alle Beamte
n abschaffen würden, beharren dennoch auf Umwelt- und Datenschutz sowie Lebensmittelsicherheit. Bürokratieabbau heißt in letzter Konsequenz, daß auch Ämter und Behörden schließen müssen, also Arbeitsplätze verlorengehen. Gesetze und Vorschriften sind ja zunächst auch das Gegenteil von Willkür. Sie sollen Rechtssicherheit schaffen und die Gleichheit aller Bürger garantieren.

Auf der anderen Seite vernichtet der ganze "Formalkram" Arbeitsplätze oder schreckt Menschen davon ab, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Insbesondere für die Mittelständler ist es ein Problem, wenn sie in den Papierkrieg mit verschiedenen Behörden ziehen müssen. Für junge Existenzgründer und kleinere Betriebe wäre es ein Gewinn, wenn sie es nicht mit diversen Ansprechpartnern in der Verwaltung zu tun hätten. Außerdem arbeiten in den Ministerien, aber auch in den Verwaltungen viele Juristen, die die ökonomischen Auswirkungen von Gesetzen und Verordnungen oft nicht genügend in den Blick nehmen.

Wenn in einer Legislaturperiode auf Bundesebene 2197 Gesetze mit 46779 Einzelvorschriften und 3131 Rechtsverordnungen mit 39197 Einzelvorschriften in Kraft treten, dann ist etwas faul im Staate. Bürokratieabbau ist eine der wenigen kostengünstigen Maßnahmen für den Staat, Unternehmen nachhaltig zu entlasten. Verwaltungsvorschriften beispielsweise sollten eigentlich das Verwaltungshandeln erleichtern. Mittlerweile gibt es aber eine Vielzahl von Vorschriften, die für die meisten Menschen nicht mehr zu überblicken sind. Es ist deshalb sinnvoll, in Zukunft bei allen Rechts- und Verwaltungsvorschriften eine Befristung von fünf Jahren vorzusehen und zu prüfen, ob diese Vorschriften in Zukunft Bestand haben sollen. Außerdem könnten bestehende Satzungen gebündelt werden, grundsätzlich mehr mit Generalklauseln als mit vielen Detail- und Einzelfallregelungen gearbeitet werden.

Eins der aberwitzigen Probleme beim Bürokratieabbau ist, daß dieser selbst bürokratisch abläuft und somit zwangsläufig zusätzliche Bürokratie schafft. Deregulierung bedeutet meist nur Umregulierung. In gewisser Weise versucht man also, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Und Bürokratieabbau läuft keineswegs durch den Austausch von Bürokraten durch Unternehmer besser. Das hat bereits 1944 der Volkswirtschaftler Ludwig von Mises in seinem Klassiker "Die Bürokratie" gezeigt: "Die Unternehmer-Eigenschaft haftet der Persönlichkeit des Unternehmers nicht an; sie ist ihm eigen in der Stellung, die er in der Marktgesellschaft einnimmt. Ein früherer Unternehmer, der jetzt ein Staatsamt bekleidet, ist in dieser Eigenschaft kein Unternehmer mehr, sondern ein Bürokrat."

Der Mittelstand ist der Motor unserer Wirtschaft. Es sollte daher zu denken geben, daß gegenüber 1994 der Anteil der Unternehmen, die die Belastung durch Bürokratie als hoch beziehungsweise sehr hoch bezeichnen, von 47 Prozent auf 79 Prozent (2003) zugenommen hat. Das "Bonner Institut für Mittelstandsforschung" (IfM) hat errechnet, daß der finanzielle Aufwand als Folge bürokratischer Belastungen für Kleinunternehmer mit ein bis neun Beschäftigten 4361 Euro je Beschäftigtem beträgt. 1994 lag der Betrag noch bei 3496 Euro. In einem Betrieb solcher Größenordnung arbeitet jede Person durchschnittlich jährlich fast 64 Stunden für die Erledigung bürokratiebedingter Aufgaben, bei Unternehmen mit 500 und mehr Beschäftigten 5,6 Stunden. 46 Milliarden Euro kostet die Bürokratie pro Jahr - davon haben die Mittelständler 84 Prozent zu verkraften. Entgegen allen hehren Vorsätzen: Nominal sind die Bürokratiekosten der Wirtschaft in den Jahren zwischen 1994 und 2003 um rund 50 Prozent angestiegen.

Interessant ist auch, daß die meisten Unternehmen laut IfM gar nicht so sehr über die Belastungszunahme bei Steuern, Statistikpflichten oder im Umweltschutzbereich klagen. Der Löwenanteil entfällt auf die Sozialversicherungen, gefolgt von den Bereichen Arbeitsrecht und -schutz. Kein Wunder, daß wir weiterhin ein Riesenheer von Arbeitslosen haben!
 
     
     
 
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