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Wieviel f braucht der Mensch?

 
     
 
Nur wenige Fragen haben den deutschsprachigen Teil der Menschheit in den letzten Jahren so bewegt wie diese: Wieviel „f“ braucht der Mensch, wenn er mit dem Schiff fährt? Drei „f“ natürlich - oder darf es auch etwas weniger sein, wenn er aus diesen zwei Worten eins macht?

In der Tat: Bis vor kurzen war die Schiffahrt mit zwei „f“ ganz gut gefahren; eigentlich hatte niemand ein drittes „f“ vermißt. Außer unseren 16 deutschen Kultusministern: Die lassen lieber ein paar tausend Deutschstunden ausfallen als ein deutsches „f“. Gemeinsam mit den in Österreich und der Schweiz zuständigen Sprachhütern gingen sie daran, in jahrelanger mühevoller Kleinarbeit dem deutschen Sprachraum eine Rechtschreibreform zu verpassen.

Drei Jahre nach der Einführung der „neuen Rechtschreibung
“ ist es nun Zeit, Bilanz zu ziehen. Und die fällt keineswegs positiv aus. Die Reform ist auf der ganzen Linie „gescheitert“, wie FDP-Chef Westerwelle kürzlich zutreffend formulierte. Das Volk, das - wieder einmal - vorher nicht gefragt worden war, schreibt größtenteils munter gegen das Diktat der Kultusminister an. Einige wenige Neuregelungen haben sich durchgesetzt; hier handelte es sich um die formelle Anerkennung natürlicher Sprachentwicklung. Dafür hätte es keiner „Jahrhundertreform“ mit jahrelangem, erbittertem öffentlichen Streit bedurft, eine Berücksichtigung in der nächsterreichbaren Neuauflage des Duden hätte es auch getan.

Dem vernichtenden Urteil des Ober-Liberalen Guido Westerwelle über diese ungeliebte Reform ist uneingeschränkt zuzustimmen, ebenso seiner Schlußfolgerung, die Kultusministerkonferenz, die in so eklatanter Weise die bildungspolitischen Prioritäten falsch gesetzt habe, gehöre „entmachtet“.

Freilich unterscheiden sich die Rechtschreibreformer in nichts von anderen Angehörigen der heutigen politischen Klasse. Ihr Beispiel verdeutlicht sogar auf besonders eindrucksvolle Weise den Kern des Problems: Die weitaus meisten unserer Politiker reden (und schreiben) über die Köpfe des Volkes hinweg, haben kaum noch Bezug zu den Realitäten des täglichen Lebens. Neudeutsch ausgedrückt: Politiker und Bürger „haben ein (Verständigungs-)Problem“.

Franz-Josef Strauß sagte einmal, er sei stets bemüht, dem Volke „auf’s Maul zu schauen, aber nicht nach dem Munde zu reden“. Diese an Martin Luther orientierte Tugend ist heute weitgehend aus der Mode gekommen. Die wenigen, die sich noch daran halten, werden als „Populisten“ (in aller Regel: „Rechtspopulisten“) verunglimpft. Ansonsten aber befleißigen sich die Politiker einer Sprache, die das Volk nicht mehr versteht. Und manchmal hat man den Verdacht, daß sich dahinter bewußte Verschleierungstaktik verbirgt.

Umgekehrt scheinen die Politiker aber auch die Sprache des Volkes kaum noch zu verstehen. Sonst hätten sie nämlich längst gemerkt, in welche Richtung sich die Sprache der Deutschen entwickelt: einerseits die Überflutung mit immer dämlicheren Anglizismen, andererseits die Reduzierung des Wortschatzes auf die Kapazität einer SMS.

Hier wäre die Reformkraft unserer Politiker (nicht nur der für Bildungspolitik zuständigen) gefordert. Eine echte Reform, welche die deutsche Sprache vor dem drohenden Verfall bewahrt, wäre den meisten Bürgern vermutlich wichtiger als die Frage, mit wieviel „f“ sie künftig die Schiff(f)ahrt beschreiben sollen.

 
     
     
 
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