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Wo die Millionen versanden

 
     
 
Es ist gekommen, was kommen mußte: Das Großprojekt "Topographie des Terrors" auf dem Gelände des einstigen Prinz-Albrecht-Palais, in dem bis 1945 das Reichssicherheitshauptamt residierte, ist in der bislang vorgesehenen Form abgesagt. Den filigranen Bau des Schweizer Architekten Peter Zumthor wird es nicht geben.

Die neue Berliner Bausenatorin Ingeborg Junge-Reiher (SPD) und Kulturstaatsministerin Christina Weiß (parteilos) haben die Notbremse
gezogen, weil klar war, daß der Kostenrahmen von 38,5 Millionen Euro, der als absolute Obergrenze galt, nie und nimmer eingehalten werden konnte.

Eine Neuausschreibung soll folgen und bis 2008 ein schlichtes Gebäude entstehen. Die drei Treppentürme Zumthors, die schon fertiggestellt sind, sollen wieder abgerissen werden. Mindestens 15 Millionen Euro sind so in den Berliner Sand gesetzt. Der Neubau soll mit den verbleibenden 23,5 Millionen Euro auskommen. So weit, so schlecht.

Wird es eine Aufarbeitung des Bauskandals geben? Wahrscheinlich nicht. Die Stellungnahmen der Landespolitiker, die ihn verursacht und dann jahrelang geduldet haben, lassen sich auf eine Formel bringen, die aus der Geschichte der SED nur zu gut bekannt ist: "Keine Fehlerdis-kussion!" Die Feststellungen, die sie treffen müßten, wären nicht nur persönlich schmerzhaft, sie würden auch Sinn und Zweck des gesamten Projekts in Frage stellen. Ausgeschrieben wurde es nach der Vereinigung, als Deutschland glaubte, es würde den Rest der Welt in Angst und Schrecken versetzen. Um zu demonstrieren, daß man "die Lehren aus der Geschichte" gezogen habe, wurde an historischer Stelle ein Gebäude für Ausstellungen, für Archive und Gruppenarbeit zur NS-Vergangenheit geplant.

Die "Topographie des Terrors" wurde zum Tollhaus, zum Selbstbedienungsladen und Spiegelkabinett für Selbstdarsteller. Der Architekt Peter Zumthor, der für eskapistische Projekte bekannt war, sollte etwas Besonderes, aber auch Praktisches bauen. Zumthor plante nach eigenen Worten einen "unglaublich schönen" Bau, ein "Spiel aus Licht und Schatten" und eine "japanische strukturelle Heiterkeit". Das Gebäude sollte für sich selber sprechen, Museumsdidaktik sei überhaupt nicht nötig. Geschraubt tönte Zumthor: "Entstehen wird ein Gebäude ohne typologisch-semantische Anklänge (...). Nur der reine, sozusagen architekturphänomenologisch herauspräparierte Ort wird zu sehen sein." Auf gut deutsch: Mir ist Wurscht, ob das Gebäude zu gebrauchen ist, die Hauptsache, ich kann mir in der größten Stadt Mitteleuropas ein Denkmal setzen, und der deutsche Steuerzahler kommt dafür auf.

Vor den dritten Treppenturm wollte Zumthor einen Sandhaufen aufschütten - um den Turm zu verschönern. Was er übersah: Der verwendete Beton verträgt die Nässe nicht. Als Ersatz für den Sand wurde dann eine Eisentreppe eingeplant - als Fluchtweg! Für den Fall einer Massenpanik wären die Oberschenkelhalsbrüche damit programmiert gewesen. Die Temperatur im Innern hätte maximal 14 Grad betragen. Auch das störte Zumthor nicht: So würde dem Besucher "das Gefühl des Draußenseins" vermittelt. Auch die Betriebskosten wären unbezahlbar gewesen. Das alles konnte man schon seit Jahren wissen, doch niemand wagte den Unfug zu beenden. Er war zum Selbstläufer geworden. Niemand wollte in den Ruch geraten, ein Gegner der Vergangenheitsbewältigung zu sein.

Jetzt sah die Politik angesichts massiver Kürzungen in allen Bereichen keine Möglichkeit mehr, der Öffentlichkeit die Gigantomanie zu vermitteln. Kultursenator Thomas Flierl (PDS) hüstelte verlegen, der zuständigen Stiftung drohe eine "Legitimationskrise". Zumthor will den Bund und das Land Berlin verklagen. Das juristische Nachspiel kann den Steuerzahler weitere Millionen Euro kosten. Schließlich sei sein Team jetzt ohne Arbeit, klagte der Schweizer Architekt. Die "Topographie des Terrors" war also auch eine internationale Arbeitsbeschaffungsmaßnahme.

 
     
     
 
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