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Wunderwaffe als Rohrkrepierer

 
     
 
Die von der neuen Bundesregierung propagierte Rente ab 60 kostet bis zum Jahre 2003 rund 195 Milliarden Mark und ist damit unbezahlbar. Zu diesem Ergebnis kam das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft in einer Studie über die "Wunderwaffe" der rot-grün
en Koalition zur Lösung des Problems Massenarbeitslosigkeit. Zur allgemeinen Überraschung schloß sich das "Bündnis für Arbeit" im Kanzleramt dieser Einschätzung an und ließ das Lieblingsprojekt von Arbeitsminister Walter Riester (SPD) fallen.

Damit nahm jedenfalls die erste Runde im Bonner "Bündnis für Arbeit" von Regierung, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden einen unerwarteten Ausgang. Die Erklärungen dürften relativ einfach sein: Kanzler Gerhard Schröder konnte sich ein Scheitern nicht leisten. Schließlich ist das Bündnis sein Lieblingsprojekt. Die "Rente ab 60", finanziert durch einen gigantischen Tariffonds, hätte möglicherweise nicht zu dem von Schröder gewünschten Ziel geführt, sondern durch Steigerung von Lohnkosten den Beschäftigungsabbau vielleicht noch verschärft. Denn längst waren die Gewerkschaften von der ursprünglichen Idee, nur die Arbeitnehmer einen Teil der Lohnerhöhungen in die Tariffonds einzahlen zu lassen, wieder abgerückt. Der neue IG-Metall Vize-Chef Jürgen Peters sprach sich dafür aus, die Beiträge für den Tariffonds zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und der Bundesanstalt für Arbeit aufzuteilen. Wenn für ältere Beschäftigte jüngere eingestellt würden, hätten davon alle Beteiligten Vorteile und sollten sich auch an den Kosten beteiligen.

In der von Schröder zusammen mit DGB-Chef Dieter Schulte und Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt vorgestellten vierseitigen "Gemeinsamen Erklärung" des Bündnisses für Arbeit heißt es nur allgemein, die Überwindung der Arbeitslosigkeit sei "die größte Herausforderung für Politik und Gesellschaft am Übergang ins nächste Jahrhundert". Von den Tariffonds und von dem von Lafontaine angestrebten Verbot der 1,85 Milliarden Überstunden im Jahr ist aber kein Rede. Regierung und Gewerkschaften sind den Arbeitgebern ein Stück entgegengekommen. "Wer mehr Arbeitsplätze will, kann nicht die, die investieren müssen, mehr belasten", gibt Hundt als Begründung. Wichtig für die Arbeitgeber: Das Bündnis für Arbeit will keine Senkung der Altersgrenze unter 65 Jahre. Alle Beteiligten strebten "flexibilisierte und verbesserte Möglichkeiten für das vorzeitige Ausscheiden durch gesetzliche, tarifvertragliche und betriebliche Regelungen" an.

Auf Drängen der Wirtschaftsvertreter wird jetzt sogar angestrebt, die steuerliche Entlastung der Betriebe auf das Jahr 2000 vorzuziehen. Schröder stellt klar, daß der Steuersatz für Betriebe dann nur noch höchstens 35 Prozent statt heute bis zu 53 Prozent betragen soll: "Ob es uns gelingt, kann ich heute noch nicht sagen." Denn mit dem Vorziehen der Unternehmenssteuerreform gerät die Finanzierung des Projekts für Finanzminister Oskar Lafontaine ins Wanken. Der Saar-Napoleon war jedoch dabei und stimmte der Erklärung zu. Als Sieger dürfte sich Lafontaine nicht fühlen.

"Es hat Mut gemacht, das heutige Gespräch", sagte DGB-Chef Schulte. Die Atmosphäre sei "wirklich gut" gewesen. "Wir haben ein intensives und gutes Gespräch geführt", lobte Arbeitgeberpräsident Hundt. Schröder selbst fühlte sich durch den "guten Anfang optimistisch gestimmt." Vielleicht ist Schröders Optimismus nicht ganz unbegründet. Die Wirtschaft lebt bekanntlich von Stimmungen.

Daß alle an Schröders Tisch geblieben sind und sogar das vierseitige Programm aufgelegt haben, kann der Kanzler durchaus als einen persönlichen Erfolg verbuchen. Für den Niedersachsen ist das besonders wichtig, da seine ersten sechs Regierungswochen mehr an die Pleiten-, Pech- und Pannenserie der alten Koalition erinnerten als an einen schwungvollen Neustart.

 

 
     
     
 
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