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Yabambambamoe

 
     
 
Das Puppenhaus, das Opa vor 20 Jahren schreinerte, hat vier Zimmer, zwei Treppen, einen großen Speicher und elektrisches Licht in allen Räumen. Schon damals zog es unsere beiden ersten Enkel in seinen Bann. Jetzt sind es Anna und Nikolai, unsere Acht- und Vierjährigen, die - wenn sie bei uns zu Besuch sind - selbstvergessen davor sitzen und in ihrer kleinen Traumwelt versinken.

"Oh, der Nikolai war hier!" ruft Anna jedesmal aus, wenn sie das Chaos in den Miniaturräumen sieht, und im Nu, sozusagen von jetzt auf gleich, herrscht wieder Ordnung im Puppenhaus.

Bei Nikolai ist das ganz anders. Auch heute braucht er nur eine Minute, und schon liegen die Schlafzimmer
möbel in der Küche, die Kinderbetten stehen auf dem Speicher und die kleine Badewanne landet mitsamt dem Badeofen im Wohnzimmer. Die Puppenmutter mit den blonden Haaren und der weißen Schürze über dem roten Kleid wird kalten Herzens in die Wäschetruhe gestopft.

"Was soll sie denn in der Truhe," frage ich, "etwa die Wäschestücke zählen?" und bekomme zur Antwort: "Die schläft da immer!" Mit einem Rumms klappt der Deckel über der Unglücklichen zu. "Schläft deine Mama denn auch in der Wäschetruhe?" Er lacht laut. "Omaaa, das da ist doch nur eine Puppe!"

Ich sitze hinter dem Kleinen und warte auf die Dinge, die da kommen sollen; Nikolai spielt nicht gern allein, und wenn Anna nicht da ist, muß ich eben herhalten, meist als stille Zuhörerin; manchmal bin ich aber auch mitten drin im "wüsten" Geschehen. Wie jetzt!

Er packt seinen gelben Kinderbeutel aus, eine Schar Dinosaurier fliegt in die Puppenstube, und nun entbrennt ein Kampf - mitten im kleinen Wohnzimmer - zwischen "Fleischfresser", "Dreizahn" und "Langhals". Jetzt ergreift Nikolai Dino Nr. 4 und brüllt: "Warte, ich packe dich am Schneewittchen!" und versteht nicht, warum ich so laut lache. Ich erkläre ihm den Unterschied zwischen dem Begriff Schlawittchen und der schwarzhaarigen Märchenfigur. Der Kleine macht eine wegwerfende Geste. "Oma, ich weiß, wer Schneewittchen ist!"

Zu meiner Erleichterung hat das kämpferische Spiel ein plötzliches Ende. Jetzt ist der Junge kein Dinosaurier mehr, sondern ein Afrikaner. "Im Kindergarten haben wir über Afrika gesprochen," erzählt er, "paß mal auf, wie wir da getanzt haben!" Er schwingt Arme und Beine, dreht sich im Kreise und singt mit dumpfer Stimme: "Yahouu, yahouu, yahouu, yabambambamoe ... yahouu, yahouu, yabambambamoe ..."

Vor meinem geistigen Auge tut sich die weite Steppe auf und ich sehe dunkle Gestalten um ein flackerndes Feuer stampfen. Immer schneller und schneller drehen sie sich um sich selbst. Ich höre Trommeln und an- und abschwellenden Gesang: "Yahouu, yahouu, yabambambamoe ..."

Nikolai reißt mich aus meinen Gedanken. Er gibt keine Ruhe, bis ich den Refrain ebenfalls beherrsche. Tanzen muß ich auch. Oh weh, von nun an ist der Trimmpfad angesagt, oder das Ergometer, besser gleich beides. Bevor mir beim Hüfteschwenken die Puste ganz ausgeht, fordere ich den Jungen auf, Opa das Lied aus Afrika auch einmal vorzusingen.

Opa hörte sich das sechsstrophige Lied dreimal an, und auch ihm muß sich der Refrain wohl tief eingegraben haben, denn heute morgen weckte er mich mit einem langgezogenen: "Yahouuuu Yabam ..." Er träumte wohl von einem Tanz am Lagerfeuer. Ich wartete. Jetzt atmete er abgehackt und stöhnte leise. Ich rüttelte ihn wach. Vielleicht hatten ihn ja gerade gefährliche Dinosaurier bedrängt.

Ja, kleine Enkel mischen einem die Phantasie ordentlich auf, auch wenn man nicht mehr ganz so jung ist.

 
     
     
 
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