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Zahl der Analphabeten

 
     
 
Analphabetismus im Lande der Dichter und Denker gilt gemeinhin als Tabuthema. Nicht zuletzt, weil einige Vertreter der Bonner Regierung im Vergleich mit anderen Ländern immer noch "das hohe Bildungsniveau in der Bundesrepublik" preisen und dabei den Mantel des Schweigens über diejenigen Erwachsenen breiten, die weder Wegweiser noch Medikamentenbeipackzettel entziffern können. Die Rede ist von den rund drei Millionen Analphabeten, die laut Angaben der Unesco derzeit in der Bundesrepublik leben. Andernorts wird sogar mit bis zu viereinhalb Millionen spekuliert.

In der Regel haben sie mindestens acht Jahre lang die Schule besucht, können zwar einzelne Buchstaben entziffern, aber eben keinen Sinnzusammenhang daraus erstellen. "Als Analphabet gilt, wer nicht in der Lage ist, einen Text von 20 Sätzen zu erfassen", so die Definition der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (OECD). Doch woher kommt die Schwäche?

Seit den 70er Jahren stehen zunehmend Bildungsforscher auf dem Plan, die sich des Phänomens annehmen. Der Grund: Die Massenarbeitslosigkeit, die mit der Ölkrise einsetzte, deckte erstmals eine Verbindung auf zwischen schriftsprachlichen Kenntnissen und der Sicherung eines Arbeitsplatzes. Bis dahin war der Mangel an sprachlichen Fähigkeiten kein Hindernis bei der Arbeitsplatzsuche, weil ausreichend Erwerbsplätze vorhanden waren und immer noch Stellen offen blieben, an denen sich ohne Schrift auskommen ließ. Kontur gewannen auch die Verquickung von sozialem Elend und Schulversagen und der Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und dem Verlust erworbener Kenntnisse. So entpuppte sich der Analphabet allmählich als Produkt auch politischer Phänomene. Denn bislang glaubte man in den Industrieländern der Schriftunkundigkeit mit Einführen der Schulpflicht dauerhaft wirksam begegnet zu sein. In Preußen wurde sie 1763 eingeführt und in Ostdeutschland bereits 1737. So konnte sich die Alphabetisierungsquote ab dem 18. Jahrhundert nicht nur stetig erhöhen, sondern erreichte auch eine neue Dimension, da sie erstmalig in den Bereich der zuvor ausgeschlossenen Unterschichten vorstieß.

Natürlich barg diese Bildungsemanzipation auch politisch-kulturelle Sprengkraft. Um 1800 erhielt der Begriff des "Analphabeten" erstmals einen abschätzigen Klang, denn Alphabetisierung war fortan gleichgesetzt mit einer erhöhten Kulturstufe und die Anzahl der Analphabeten das Maß für den Bildungszustand eines Volkes.

Heutige Politiker scheint das weniger zu kümmern. Die öffentliche Hand gewährt der Ursachenforschung dieses "Randbereiches" nur spärliche finanzielle Mittel. Trotzdem sind die Nischen, in denen Analphabetentum keimt, mittlerweile ausgemacht, verweisen zumeist ins minder bemittelte Milieu.

Symptomatisch für die Familien von Analphabeten sind Geldmangel bei hoher Kinderzahl, geringes Bildungsniveau der Eltern und Arbeitslosigkeit. Auch wird dieserorts dem geschriebenen Wort kaum Bedeutung beigemessen. Die Bedingungen für die Heranwachsenden sind über alle Maßen entwicklungshemmend. Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten bleiben einschließlich des Selbstwertgefühls auf der Strecke. Das Schulversagen ist vorprogrammiert.

Unabhängig vom individuellen Einzelschicksal ist der permanente Anstieg der Analphabetenzahl in der Bundesrepublik auch von gesellschaftspolitischer Brisanz. Schreitet die Entwicklung ungehemmt voran, kann es zu einer Aufspaltung der Gesellschaft kommen mit sozialen Auseinandersetzungen im Gefolge, wie Soziologen befürchten.

Ein weiterer neuralgischer Punkt, der bundesrepublikanischen Analphabetismus speist, ist der ungebremste Zustrom ausländischer Mitbürger. Zum einen erhöht sich dadurch der Prozentsatz der Schriftunkundigen zum anderen wird das Bildungsniveau insbesondere in den multikulturellen Klassen herabgesenkt. Die drastischsten Beispiele liefern die Schulen der Haupstadt. Einige unter den Berliner Bildungsanstalten sind auf dem besten Weg Ghettos für Ausländerkinder zu werden. Unter den Bezirken mit hohen Ausländerquoten liegt Kreuzberg dabei mit 45,9 Prozent an der Spitze, dicht gefolgt von Wedding mit 42,1 Prozent und Tiergarten mit 36, 9 Prozent. Deutsch als Muttersprache sprechen an der Kreuzberger E.-O. Plauen-Grundschule beispielsweise nur noch 20 Prozent der ABC-Schützen. Dort wird jede Blume nur Blume genannt, weil Wörter wie Tulpe, Veilchen oder Rose zu schwer für ausländische Kinder sind.

Die Stiftung Lesen schlug bereits im vergangenen Jahr Alarm und beklagte die "dramatische Verschlechterung" der Lese- und Schreibfähigkeit in der Bundesrepublik. Doch dem Vernehmen nach berührte der Notruf nicht einmal die deutschen Schriftsteller.

Bis 1945 waren am Rathaus zu Eger die Worte von Felix Dahn zu lesen, die er der Stadt widmete:

Das höchste Gut des Mannes ist

sein Volk ,

Das höchste Gut des Volkes ist

sein Recht;

des Volkes Seele lebt in seiner

Sprache;

Dem Volk, dem Recht und

unserer Sprache treu

Fand uns der Tag, wird jeder

Tag uns finden

Wo sind dieser Tage die Wächter der deutschen Sprache, kapitulieren sie vor dem Heer der Analphabeten? Im besten Fall ist es ihnen peinlich, im schlimmsten ignorieren sie einfach im stillen Einvernehmen mit jenen, denen die Unbeholfenheit der Schriftunkundigen gerade recht kommt. In gewissen Kreisen kommt materielle Not zur Aufrechterhaltung revolutionärer Theorien nach wie vor gelegen.

 
     
     
 
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