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Zauberhafte Sommernacht

 
     
 
Schabernack der Nacht werde ich genannt, holla, ich bin Puck! Hast mich gut erkannt!" Ja, Puck, der Gehilfe des Elfenfürsten Oberon aus Shakespeares "Sommernachtstraum" ist wohl einer der bekanntesten und charmantesten Narren der Dramengeschichte. Dieser Puck jedoch, der noch bis zum 4. September in den Herrenhäuser Gärten in Hannover sein Unwesen treibt, ist doch ein wenig gewöhnungsbedürftig. Mit rotem Kußmund, knallig lackierten Fingernägeln, Netzstrumpfhose, hochhackigen Schuhen und einer schwarzen Lacklederhose, die nur knapp über sein Hinterteil reicht, sieht er doch fast so aus, als würde er an einer Travestie-show teilnehmen, statt an einer Shakespearesinszenierung. Überhaupt ist diese Inszenierung ungewöhnlich, denn erstens handelt es sich um ein Musical und zweitens ist der bekannte deutsche Rockmusiker Heinz Rudolf Kunze der Autor dieser Version. Doch allen, die sich nun enttäuscht abwenden, da sie eine niveaulose Verhunzung des großen Shakespeare befürchten, denen sei gesagt, daß eben jener Heinz Rudolf Kunze zu seiner zugegeben sehr unterhaltenden und frechen Inszenierung gratuliert hätte. Shakespeare war schließlich selbst auch Unterhalter und nicht nur Künstler, seine Komödie
n sind thematisch so verwickelt und quirlig, bewußt auf Lacher des Publikums hin ausgelegt, so daß Kunzes modernisierte Fassung ihm durchaus gefallen hätte. Doch da wir Shakespeare schließlich nicht mehr selbst befragen können, gibt es noch eine andere Meßlatte, die zeigt, ob Kunzes Projekt, "Ein Sommernachtstraum" als Musical umzusetzen, funktioniert hat. Diese ist das Publikum, und das nimmt diesen Sommernachtstraum begeistert auf: Die Vorstellungen sind fast alle ausverkauft.

Zudem, was kaum einer weiß, Kunze ist ein routinierter Musicalübersetzer. Ob "Les Misérables", "Miss Saigon" oder "Rent", 1998 erhielt Kunze sogar den höchsten Preis der Musicalindustrie für seine Übersetzung des Llyod-Webber-Stücks "Joseph".

Aber es ist wohl nicht nur Kunzes gelungene Inszenierung, die den "Sommernachtstraum" in den Herrenhäuser Gärten nun schon in der zweiten Sommersaison zum Publikumsmagneten hat werden lassen, sondern es sind auch die Gärten selbst.

Die historischen Gärten verfügen nämlich über ein Ende des 17. Jahrhunderts erbautes Heckentheater, in dem sich gerade das Verwirrspiel um Liebe, Intrige, Macht, Eifersucht und Magie hervorragend darstellen läßt. Gerade in einer lauen Sommernacht wirkt der Zauber der Elfenwelt auch auf das Publikum, das sich in der Kulisse viel einfacher in die Märchenwelt entführen läßt.

Wenn das Liebespaar Hermia und Lysander auf der Flucht vor ihrem über die Beziehung erbosten Vater in die Wälder nahe Athens flieht, gefolgt von Demetrius, der Hermia liebt und laut ihres vermögenden Vaters der rechte Bräutigam sein soll, und Helena, die Demetrius abgöttisch liebt, läßt Kunze nicht nur Worte sprechen.

"Ich Ungeheuer - wer hat mich geschaffen, so gänzlich ohne feminine Waffen? Ich, ungeheuer einsam und betrogen um das, was jedem zusteht, groß und klein: begehrt, geliebt zu sein", singt Mirja Regensburg, die in der Rolle der Helena nicht nur überzeugt, sondern begeistert. Ihre Stimme erfüllt die eingängigen Lieder mit einer Mischung aus nachvollziehbarer Wut, Enttäuschung und Melancholie. Sie ist neben Michael Ophelders, der den Athener Fürsten Theseus sowie den Elfenfürsten Oberon darstellt, die eindrucksvollste Stimme. Wobei sich auch Sabine Brandauer als Hippolyta, die Braut Theseus , und als Titania, Oberons eigenwillige Gattin, sowie Simone Arntz als Hermia stimmlich durchsetzen können.

Kristoffer Nowak als Lysander und Philip Richert als Demetrius amüsieren eher als durch Pucks Magie wankelmütige Liebhaber, denen Heinz Rudolf Kunze vor allem einige Gags in den Text aufgegeben hat. So beteuert Lysander, der nun dank Pucks falschen Zaubers plötzlich von seiner Hermia abläßt und Helena seine Liebe gesteht: "Ich war so unreif, dumm und ... schwanzgesteuert. Jetzt ist mein Verstand, der mich befeuert, zu sagen: Liebste, nun bin ich erwachsen! Ich geh mit dir, wohin du willst. Und sei s nach Niedersachsen."

Gut, manches ist vielleicht auch an der Grenze zum Albernen, aber schließlich handelt es sich hier um den "Sommernachts-traum", da ist manches nicht ganz ernst zu nehmen, und außerdem wird in letzter Sekunde immer noch eine Kehrtwendung gemacht, so daß die Komödie nie zu einer unserer Zeit so eigenen Comedy abdriftet.

Zugegeben, auch die Kostüme der Elfenwelt sind ein wenig eigenwillig. Vor allem Puck ist hier zu erwähnen, aber irgendwie ist sein dazugehöriges aufreizendes Tuntengehabe auch schon wieder originell. Da haben sich manche Regisseure schon Bedenklicheres erlaubt, zum Beispiel eine lesbische Liebesszene zwischen Porzia und Nerissa in "Der Kaufmann von Venedig".

Manche Kritiker merken an, daß Kunze den "Sommernachtstraum" zu stark gekürzt habe, schließlich dauert seine Inszenierung mit Pause gerade einmal zweieinhalb Stunden, doch das ist durchaus angenehm. Vor allem die im Original ziemlich detaillierten Szenen um die Handwerker, die für die Hochzeit von Theseus und Hippolyta ein Theaterstück einproben, haben Federn lassen müssen. Inhaltlich geht hier allerdings nicht so viel verloren, denn Kunze hat das Geschehen auch häufig komprimiert in die Lieder miteinbezogen, auch wenn, was für das gesamte Stück gilt, die einmalige Sprache Shakespeares nur selten zu ihrer vollen Entfaltung kommen kann.

Die Handwerkerszenen sorgen aber auch in dieser Inszenierung mit für die meisten Lacher im Publikum. Ob nun über den von Puck in einen Esel verwandelten Handwerker Bottich (Rüdiger Hellmann) in den Armen der ebenfalls verzauberten, liebestrunkenen Elfenfürstin Titania oder das bei der Hochzeit von Theseus und Hippolyta vorgeführte Theaterstück "Pyramus und Thispe" der Handwerker, es darf gelacht werden. Vor allem wenn zum Schluß

das tragisch-komische Liebespaar Pyramus und Thispe "Dein ist mein ganzes Herz" anstimmt, ist die Stimmung im Herrenhäuser Heckentheater überwältigend.

Wer dann schon früh das Theater verläßt, während die Zugaben des Ensembles noch durch die Gärten klingen, und im Dunkeln durch die hohen Hecken auf das Schloß mit beleuchtetem Springbrunnen zugeht, der kann sich nur schwer vom Zauber des Abends lösen. Fritz Hegelmann

 

Mißgestimmt: Elfenfürst Oberon ärgert sich über den fehlgeschlagenen Liebeszauber seines egozentrischen Gehilfen Puck. Das Musical "Der Sommernachtstraum" von Heinz Rudolf Kunze in den Herrenhäuser Gärten in Hannover begeistert das Publikum. Fotos (2): Landesbühne Hannover

 
     
     
 
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