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Zehn Hektar voller Geheimnisse

 
     
 
Deutschland wird ab dem Sommer 2011 ein bißchen normaler sein, denn dann wird laut den aktuellen Planungen die neue Zentrale des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Berlin-Mitte zwischen Chaussee- und Invalidenstraße eröffnet. Gegenwärtig befindet sie sich in Pullach bei München. Nach den Worten des Geheimdienstkoordinators der Bun-desregierung, Ernst Uhrlau, gehöre der Auslandsgeheimdienst an den Sitz der Regierung, mit dem Umzug des BND gehe "ein Stück Unnormalität" in Deutschland zu Ende.

Das zehn Hektar große BND-Gelände wird von einem drei Meter hohen Metallzaun und einem 2,50 Meter tiefen Graben umgeben sein. Der Entwurf für den verschachtelten Gebäudekomplex, der zahlreiche Innenhöfe einschließt, stammt von Jan Kleihues, Sohn des kürzlich verstorbenen Berliner Architekt
enkönigs Paul Kleihues. Neben dem Büro- und Führungstrakt sind Schule, Internat, Sporthalle, Werkstätten und ein großes Parkhaus vorgesehen. Der Haupteingang führt zwischen zwei mächtigen Torhäusern hindurch.

Das Modell erinnert an Hermann Görings Luftfahrtministerium, dem heutigen Finanzministerium. Das Gebäude wird 30 Meter hoch sein und über 2.800 Räume verfügen, in denen 4.000 Mitarbeiter Platz finden sollen. Mit 100.000 Quadratmetern Nutzfläche handelt es sich um das größte Bauprojekt des Bundes seit der Vereinigung. Aus Sicherheitsgründen wird der Gebäudeklotz 40 Meter vom Zaun zurückgenommen. Dadurch verliert er auch optisch etwas an Wucht. Zusätzlich sollen Bäume neugierige Blicke abweisen. Rund 720 Millionen Euro sind für das Projekt vorgesehen, allerdings sind darin weder Umzugskosten noch Gebäudeausstattung enthalten. Die Auguren, denen der ganze Umzug nicht paßt, geben deshalb schon mal 1,7 Milliarden als Endsumme an.

Man kann sich fragen, ob eine derart abweisende Trutzburg in der Mitte der Stadt nicht ein bißchen zuviel an Normalität ist. Jedenfalls ist nicht bekannt, daß eine Geheimdienstzentrale die urbane Qualität ihrer Umgebung je gesteigert hätte. Es wird damit gerechnet, daß Anwohner, denen die Nähe des Kolosses unheimlich ist, Klagen einreichen. Insgesamt aber ist Kritik eher selten zu hören, was im meckerfreudigen Berlin zunächst erstaunt. Dahinter steckt aber die Einsicht, daß Berlin nur als Stadt der Politik eine Chance hat. Der größte Teil des Geländes - auf dem sich das Stadion der Weltjugend befand, das nach 1990 abgerissen wurde - gehört dem Land Berlin, und der Senat hat sich umstandslos bereit erklärt, es dem Bund zu verkaufen. Selbst aus der PDS sind keine Proteste mehr zu hören. Schließlich würden viele Bauaufträge an Firmen in Berlin-Brandenburg gehen. Bei der Ausschreibung kommen aus Sicherheitsgründen ohnehin nur deutsche Firmen in Betracht. Und ab 2011 würden die gutverdienenden BND-Mitarbeiter die Berliner Einzelhandels- und Steuerbilanz aufbessern.

Zur Zeit ist die Gegend, trotz ihrer zentralen Lage dicht an der ehemaligen Sektorengrenze, ein innerstädtischer Schandfleck. Höhepunkt ist ein Golfplatz. In den 90er Jahren noch wurde die Chausseestraße nach dem durch Bill Gates weltberühmt gewordenen High-Tech-Zentrum Silicon Valley auch "Silicon Alley" (Allee) genannt, weil hier viele kleine Computer- und Internetfirmen eröffnet hatten. Doch seit dem Einbruch der "New Economy" herrscht hier tote Hose, sprich: Leerstand. Neuansiedlungen gibt es nicht. In dieser Situation freundet man sich sogar mit einer Geheimdienstzentrale an.
 
     
     
 
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