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Bundespräsident Rau hat viel Lob eingefahren für seine Berliner Attacke gegen Experimente mit menschen Embryonen. Sein Kernsatz ist deutlich: "In fundamentalen ethischen Fragen gibt es keine Geographie des Erlaubten oder des Unerlaubten." Rau wendet sich kategorisch gegen eine Fortschrittsgläubigkeit, die beansprucht, alles tun zu dürfen, was uns vordergründig zum Vorteil gereicht.

Im konkreten Fall geht es um Embryonen, die aus künstliche
r Befruchtung hervorgegangen sind. Rund 150 sollen sich tiefgefroren in den Laboren angesammelt haben, weil die Mutter kurz vor der Einpflanzung verstarb oder schwer erkrankte. Die Frage ist, ob sie für Forschungszwecke verwendet werden dürfen. Rau lehnt dies ab – und mit ihm wohl die Mehrheit des Volkes.

Weiters verdammt der Bundespräsident die sogenannte "Prä- implantationsdiagnostik" (PID). Hier werden aus künstlicher Befruchtung entstandene Embryonen noch vor der Einpflanzung in den Mutterleib auf mögliche Erbschäden hin untersucht und gegebenenfalls gar nicht erst implantiert. Rau zieht unmittelbare Vergleiche zum NS-Staat – und verwirft derlei Voruntersuchung und Selektion mit jener moralischen Emphase, die sich stets aus NS-Vergleichen zu ergeben pflegt.

Gegen solcherlei Rigorismus, den Rau mit vielen Deutschen teilt, ist nichts einzuwenden, wenn die Würde des Menschen im Spiel ist, auch wenn der historische Rückgriff überflüssig war.

Indes: Alles, was Rau vorbringt, läßt die derzeitige Abtreibungspraxis wie blanke Barbarei erscheinen. Vor der Einpflanzung in den Mutterleib ist der Embryo ein stecknadelkopfkleiner Zellklumpen, den auf Erbschäden zu untersuchen und im Falle einer nachteilhaften Diagnose abzutöten laut Rau die Büchse der Pandora öffnet. Ist er aber erst einmal in der Gebärmutter, darf untersucht und bis zur 20. Schwangerschaftswoche (!) abgetrieben werden. Dann ist es kein Zellklumpem mehr, sondern ein auch äußerlich klar erkennbarer menschlicher Organismus; wenn das keine "Geographie des Erlaubten oder des Unerlaubten" ist, was dann?

Auch die dramatische Diskussion über Forschung oder Organzüchtung mit Hilfe von embryonalen Stammzellen wirkt vor dem Hintergrund von über 300 000 jährlich auf den Müll geworfen Föten bizarr, ja verlogen. Rau weiß das, doch er schreckt vor diesem wirklich heißen Eisen zurück. Das wird er ändern müssen, will er sein eben gewonnenes Ansehen als moralische Instanz nicht verspielen und als Sprücheklopfer apostrophiert werden wie Kanzler Schröder, der das Thema just zur soundsovielten "Chefsache" erklärt hat – was mittlerweile zu Recht als Codewort für Nichtstun übersetzt wird. Elisa Wachtner

 
     
     
 
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