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Zwei Deutschlands für die Welt

 
     
 
In Zeiten wie diesen, wo alles durcheinandergeht und uns täglich neue Probleme verwirren, da sehnen wir uns nach alten Bekannten, nach Dingen, auf die man sich verlassen kann, auf Fragen, deren Anwort wir schon kennen. Der Kanzler ist ein volkstümlicher Regent, der uns versprochen hat, immer "ganz nah bei den Menschen zu sein". Drum spielen er und seine Berliner Kakophoniker auch im fünften Amtsjahr noch die alten Schlager, die uns längst zu guten Freunden wurden: Kündigungsschutz
, Öffnung des Arbeitsmarktes, Gesundheitsreform, Lohnnebenkosten, Bundeswehrreform usw. usf. Wie man in Berlin versichert, soll das erfolgreiche Repertoire noch mindestens bis Herbst 2006 unverändert im Programm bleiben.

Rita Süßmuth war bei den Grünen und hat dort erneut erkannt, daß wir viel mehr Zuwanderer brauchen, damit sich unsere fünf Millionen Arbeitslosen nicht so allein fühlen, verraten von den anderen Völkern der Welt - das könnte schließlich Rassismus aufwühlen. Ritas grüne Lösung: Wir holen weitere fünf Millionen Erwerbslose aus dem Ausland herein, und jeder deutsche Stempelgeher wird erkennen: denen geht s auch nicht besser als uns. Viele Einwanderer bringen überdies eine hohe Kompetenz bei der optimalen Nutzung der deutschen Sozialsysteme mit. Fachkräfte, das sagen die Experten täglich, braucht unser Land dringend, um für die Zukunft gerüstet zu sein.

Das "wiedervereinigte" Deutschland war für unsere engsten Freunde ein ziemlicher Schock. Wie konnten wir ihnen das antun! Das in Jahrzehnten aufgebaute "Vertrauen" war schwer beschädigt - besonders in England und Frankreich, wo man uns bis 1989 so sehr mochte, daß man uns am liebsten doppelt sah. Allein die USA behielten nach 1990 noch eine Weile die Fassung, solange die Befehlskette intakt blieb. Die hat jetzt aber Risse bekommen, seitdem die Deutschen zwar nicht mehr wissen, was sie wollen, dem entgegen aber eine recht dumpfe Ahnung davon entwickelt haben, was sie nicht wollen: Krieg.

Angela Merkel hat die außenpolitische Gefahr gewittert und die Lösung gefunden: Zwei Deutschlands will die Welt, um uns wieder, wie damals vor 1989, vertrauen zu können. In geheimer Runde belebte sie das "andere Deutschland", das seit der Einheit verschwunden war, neu und präsentierte es dem amerikanischen Verbündeten. Die Reaktion war pure Begeisterung. Reihenweise taten sich der Merkel dankbar alle Dienstboteneingänge von Wa-shington auf, sie durfte sich sogar im Büro eines richtigen amerikanischen Parlamentsabgeordneten fotografieren lassen! Nur der Präsident hatte für die norddeutsche Pfarrerstochter ("Angela ... who?") leider gerade keine Zeit. Macht nichts: Die CDU-Chefin ist auf dem richtigen Weg. Schon Napoleon rühmte an uns Deutschen, daß unter uns immer welche zu finden seien, die auf Zuruf lieber auf die eigenen Landsleute losgingen, als sich gegen ausländische (sprich: "übergeordnete") Interessen zusammenzurotten. Soweit zur Merkel. Aber was machen eigentlich die anderen Parteien? Was ist die Außenpolitik der FDP? Und wann endlich fährt Christian Stroebele nach Bagdad, um unsere irakischen Freunde seine Version vom "anderen Deutschland" wissen zu lassen? Einst hatte jede ausländische Macht "ihr" Deutschland, das sie brauchte. Das allein sicherte den wahren, den "westfälischen" Frieden.

Doch selbst wenn Merkels Klinkentour in Übersee für etwas besseres Wetter gesorgt haben sollte, so richtig dicke Freunde werden wir wohl nicht mehr. Grund: Uns fehlt das Geld, mit dem wir uns noch 1991 beim letzten Golfkrieg einen Platz in den Herzen der Amerikaner kaufen konnten. Ist das der tiefere Grund für Schröders Widerborstigkeit? Will er nur die Zeche vermeiden? Wie instinktlos! Und wie phantasielos zudem. Es gibt doch noch die andere, nennen wir sie: die Bordsteinschwalben-Version von transatlantischer Innigkeit. Die Türken machen sie zur Zeit erfolgreich vor. Ankara hatte den Rock gehoben und solange mit seinen appetitlichen Überflug- und Stationierungsrechten hin- und hergewackelt, bis die US-Boys nicht mehr an sich halten konnten und beinahe jeden Preis akzeptierten. Von uns kriegen die Amis das alles umsonst. Kein Wunder, daß wir in ihren Augen unberechenbare Idioten, die Türken hingegen stramme Partner sind. Die USA sind das Herz der freien Marktwirtschaft: kaufen oder kaufen lassen! Alles andere ist verdächtig. Moral gehört in den Klappentext.

Nur der Markt, der Preis zählt, sonst nichts? Wenn das stimmt, sind wir wenigstens auf dem richtigen Weg. Oder zumindest einer von uns: Gunther von Hagens hat mit seiner Leichenschau gezeigt, daß ein entspanntes Verhältnis zum Geld der Kunst und Moral nicht im Wege steht. Er zeigt uns verstümmelte Überreste echter Menschen, verdient prächtig daran und weiß zu berichten, daß das mit abartigem Voyeurismus absolut nichts zu tun hat: alles Dienst an der Kunst und der Wissenschaft, sagt er. Die Kunstwelt ist beeindruckt.

Damit uns die neue Offenheit im Umgang mit Knochen, Sehnen und Hautfetzen auch im Alltag begleiten kann, hat Hagens im Internet einen "Bodyworlds-Shop" aufgezogen. Da können wir kleine Mitbringsel wie Armbanduhren mit halb zerlegtem Leichenkopf drauf, Postkarten mit aufgeplatzten Körpern, Anhänger, T-Shirts, Rucksäcke, Poster und allerlei andere nützliche Sachen mit den Abbildungen richtiger Menschenkadaver bestellen. Auch ein Puzzle für die lieben Kleinen daheim ist im Angebot: "Hätte Hagens ihn gekriegt, sähe Ur-Opa jetzt in etwa so aus." Da schlagen Kinderherzen höher! Als nächstes soll die Toten-Schau in Hamburg zu sehen sein.
 
     
     
 
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