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Alte Kriegskameraden wiedergefunden

 
     
 
Das Kriegsende am 8. Mai 1945 erlebte ich – damals 24 Jahre alt – als Einheitsführer in der II. Abteilung des Artillerieregiments 23 auf der Halbinsel Hela in der Danziger Bucht. Unter dem Oberbefehl des Generals der Panzertruppen Dietrich von Saucken mit vielen tausend anderen Soldaten der Deutschen Wehrmacht – als "Kapitulation
s-Armee" ging es von Hela über Danzig nach Deutsch Eylau. General von Saucken war bei Kriegsbeginn 1939 als Oberst und Regimentskommandeur des Reiterregiments 2, das seine Garnison seit 1935 in meiner Heimatstadt Angerburg hatte, in den Polenfeldzug ausgerückt.

Der Weg in die sowjetrussische Kriegsgefangenschaft ging von Deutsch Eylau im Bahntransport weiter nach Insterburg, von dort im Fußmarsch weiter in das ehemalige Landgestüt Georgenburg. In einer der dortigen Hengstboxen mit zweigeschossigen hölzernen Pritschen traf ich meine letzten Regimentskommandeur, Oberst Remer, dort muß auch sein ehemaliger Ordonanzoffizier, Gerd H. Komossa, später Generalmajor in der Bundeswehr, gewesen sein, wie wir jetzt nach mehr als 50 Jahren in einem Telefongespräch festgestellt haben.

Von Georgenburg führte der Weg von vielen Kriegsgefangenen im Fußmarsch weiter nach Tilsit, wo zuerst im Amtsgericht und dann in der Herzog-Albrecht-Schule sowie verschiedenen Nebengebäuden die Unterkunft für die weit mehr als 1000 Kriegsgefangenen zugewiesen wurde. Wir Offizierssoldaten trugen noch etwa bis Weihnachten 1945 unsere Rangabzeichen sowie Orden und Ehrenzeichen; wir waren als "Brigardiers" eingeteilt, d. h. Führer einer Arbeitsbrigade, die etwa 12 bis 15 Soldaten umfaßte und eingesetzt wurde zum Wiederaufbau der Zellstoff-Fabrik am Westrand der Stadt Tilsit. Als deutscher Lagerkommandant war von den Russen eingesetzt der Hauptmann der Infanterie Josef Schmidt, der vieles zu erreichen versuchte, um die beginnende Kriegsgefangenschaft, die drei Jahre und mehr dauern sollte, so erträglich als möglich zu machen.

Er erreichte es, daß am Sonntag, den 23. Dezember 1945 – 4. Advent – im Kriegsgefangenenlager in Tilsit in der Herzog-Albrecht-Schule in der Aula "Unsere Weihnachtsfeier" stattfinden konnte. Ein Programm-Zettel liegt noch vor.

Sie begann mit dem "Andante con modo / As Dur, von Ludwig van Beethoven, op. 67", gespielt von dem Lagerkommandanten Josef Schmidt. Als einer der weni- gen gebürtigen Ostdeutschland hatte ich es übernommen, in ostdeutscher Mundart das Wiegenlied von Erminia von Olfers-Batocki: "Schloap in mien Kind" vorzutragen.

Seit rund 25 Jahren trifft sich ein Kreis ehemaliger kriegsgefangener Offiziere der Deutschen Wehrmacht in Tilsit 1945 bis 1948 einmal jährlich an verschiedenen Plätzen in der Bundesrepublik Deutschland. 1992 hat dieser Kreis sogar eine gemeinsame Reise nach Hela, Deutsch Eylau, Georgenburg, Tilsit und weiteren Stationen im nördlichen Ostdeutschland unternommen.

1997 taucht bei diesem Treffen der "Tilsiter", wie sich die alten Kameraden schlicht nennen, so wird mir später versichert. Der "Fähnlein-Führer" – wie ich ihn dann in diesem Jahr tituliert habe – Rolf Nast-Kolb (Bundesrichter a. D.) schreibt mit Datum vom 28. Juli 1997, daß sich der Kreis der ehemaligen kriegsgefangenen Offiziere der Deutschen Wehrmacht aus Tilsit noch gut an den damaligen Schicksalsgefährten F. K. M. erinnert und sehr interessiert sei, zu erfahren, wo er jetzt wohl steckt. Bereits mit Datum vom 1. August 1997 konnte ich den "alten Kameraden" "Standlaut" geben. – Am 11./12. Juli 1998 war ich mit meiner Frau zum 1. Mal dabei, als sich die "Tilsiter" im Odenwald mit mehr als 20 Personen getroffen haben. Wir wurden huldvoll in den erlauchten Kreis der ergrauten Häupter aufgenommen. Josef Gatzweiler, ein echter Rheinländer, wußte noch genau, daß er in Tilsit von 1945 bis 1947 unter mir auf der mehrstöckigen Pritsche geschlafen hat.

Auf meine Frage bei dieser ersten Wieder-Begegnung, aus welchem Grunde man sich in dieser Gruppe meiner noch nach so langer Zeit erinnert hätte und mich gesucht – und gefunden – hat, erhielt ich zur Antwort: "Du warst damals in den für uns alle nicht leichten Jahren immer einer der wenigen, die geradeaus gingen!" Die Ostdeutschland nennen so etwas: "Auf Chaussee bleiben." Dafür konnte ich den alten Kameraden nach so vielen Jahrzehnten nur meinen Dank sagen in der Erinnerung, was wir damals jungen Männer von wesentlich älteren Kameraden nicht gerade als Beispiel, z. B. in Fällen von Denunzation, erleben mußten, als dann schließlich doch die Rangabzeichen abgelegt werden mußten auf Befehl der Bewacher, als alle ohne Unterschied gleich waren. Die in der Erinnerung zurückführt in die Zeit der größten Not unseres deutschen Volkes nach der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 um 24 Uhr, wie ich es auf Hela erlebt habe. Die damaligen Soldaten werden jeder für sich ihre eigenen Erinnerungen an diese nicht immer leichten Monate und Jahre in unserer Heimatprovinz Ostdeutschland haben.

Nach mehr als fünfzig Jahren bleibt festzustellen, daß die "Kameradschaft" aus diesen Jahren die daran Beteiligten bis zu ihrem Lebensende begleiten wird.

In Erinnerung kommt dabei das "Ostdeutsche Reiterlied"

 
     
     
 
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