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Alter - Gnade oder Plage?

 
     
 
Jung und dynamisch, frech und erfolglos - Kurzbeschreibung der kurzfristig abgebrochenen Karriere eines Partei-Karrieristen. Der 28jährige Student Jan Dittrich, zeitweiliger Anführer des FDP-Nachwuchses und als solcher mit besten Aussichten auf den stromlinienförmigen Erfolgsweg von der Schulbank zu parteibuchkonformen Ämtern und Mandaten (möglichst ohne den lästigen Umweg über "bürgerliche" Erwerbstätigkeit), dieser Prototyp des Berufsspolitikers
im Parteienstaat stolperte über die eigene Unverschämtheit.

Die maßlose Flapsigkeit, mit der Dittrich den Armutsbericht der Bundesregierung kommentiert hatte ("Alte, gebt den Löffel ab!"), war auf parteiübergreifende Empörung gestoßen; die Reaktionen reichten von "pubertäre Arroganz" über "Geschwätz" bis zu "unsachliche Pöbelei". Nachdem der junge Mann die Konsequenz gezogen und sein Amt niedergelegt hatte, war der Vorgang schnell wieder aus den Medien verschwunden.

Das Problem, das dahinter steht, hätte es jedoch verdient, im Blickfeld der Öffentlichkeit zu bleiben. Es mag ja Zufall gewesen sein, daß nahezu zeitgleich mit den "Löffel-ab"-Absurditäten des JuLi-Chefs der Chef der Bundesagentur für Arbeit kraft seines Amtes bestätigte: Arbeitslose über 50, laßt alle Hoffnung fahren, Ihr seid "nicht mehr zu vermitteln"! Beide Aussagen - die eine nur dreist und unverschämt, die andere brutal und ebenfalls rücksichtslos, aber immerhin realistisch - haben dieselben Wurzeln: einerseits den maßlos übersteigerten Jugendlichkeitswahn unserer Gesellschaft, andererseits den schwindenden Verlust an Wert- und Qualitätsbewußtsein.

Dieser äußert sich in sehr konkreter Weise in Handel und Dienstleistungsgewerbe: Gekauft wird nur noch, was billig ist (und oft auch nur, weil es billig ist). Qualität, die natürlich auch ihren Preis haben muß, ist nicht mehr gefragt, denn "Geiz ist geil". Dieser Werbespruch hat unserer Volkswirtschaft vermutlich ebenso viel Schaden zugefügt wie politische Fehlentscheidungen. Wenn keiner mehr bereit ist, einen der Qualität angemessenen Preis zu zahlen, wird das Niveau eben nach unten angepaßt. So hat "Made in Germany" seinen guten Ruf eingebüßt, so wird das Land von Daimler und Benz, von Siemens und Krupp zum Ramschladen für billigsten Schund.

Damit einher geht der Qualitätsverlust im übertragenen Sinne, wie wir ihn seit vielen Jahren auf dem Arbeitsmarkt beobachten. Natürlich ist Alter für sich kein Verdienst, wie umgekehrt Jugend keine Schande ist. Aber mit jedem Lebensjahr gewinnt der Mensch doch auch an Lebens- und Berufserfahrung, an Erkenntnissen aus Fehlern, an Anregungen von Vorbildern. So baut sich mit der Zeit ein Schatz auf, mit dem sich "wuchern" (im neutestamentlichen Sinne) läßt. Dieses Bewußtsein aber ist in Deutschland seit Jahrzehnten systematisch demontiert worden. "Trau keinem über 30" - das war doch einer der "flotten Sprüche" der 68er. In dessen Gefolge wurde, gefördert durch milliardenschwere staatliche Programme, das Können und die Einsatzbereitschaft einer ganzen Generation Stück für Stück aus dem Arbeitsleben eliminiert - einer Generation immerhin, die in den Aufbaujahren nach dem Kriege gezeigt hat, zu welchen Leistungen sie fähig ist. Die Jüngeren haben diesen Nachweis erst noch zu erbringen.

Defizite bei "Qualitätsmerkmalen" wie Erfahrung und Reife lassen sich nicht dadurch kompensieren, daß jüngere Arbeitskräfte billiger sind. Nur weil sie jung sind, können sie nicht automatisch alles genauso gut oder gar besser als die Älteren. Dies von ihnen zu fordern, ist unrealistisch. So schadet überzogener Jugendlichkeitswahn nicht nur den Alten, sondern auch den Jungen.
 
     
     
 
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