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Am siebten Tag sollst du ruhn

 
     
 
Nur mal eben eine Rolle Draht im Baumarkt holen und wenn man schon einmal dabei ist, vielleicht noch kurz in den Supermarkt Milch kaufen, auf dem Weg dorthin liegt zudem noch ein Schuhgeschäft, welches man schon länger aufsuchen wollte ... und an der Hand ein ungeduldiges Kind. So sieht er aus, der verkaufsoffene Sonntag. Ein Tag wie jeder andere, rastlos und hektisch - das gilt für Käufer und Verkäufer
gleichermaßen.

Wenn die Kasse klingeln soll, und das soll sie wohl, dann muß der Herrgott einen Schritt zur Seite treten. Der Herrgott? Ja, selbst der hatte sich einst einen Tag der Ruhe und Besinnung genommen, um sein Schöpfungswerk zu betrachten. Allen großen Weltreligionen ist wenigstens ein Tag in der Woche heilig. Auch bei uns galt der Sonntag über Jahrhunderte als schützenswert.

Dank Förderalismusreform werden die Ladenöffnungszeiten - und mit ihnen auch der Schutz der Sonn- und Feiertage - nun nicht mehr vom Bund, sondern von den Ländern neu geregelt. Nach der bundesgesetzlichen Regelung mußten die Geschäfte spätestens um 20 Uhr schließen. In Berlin dürfen die Geschäfte nun rund um die Uhr geöffnet haben - für jene also günstig, die ihre Socken lieber um 3 Uhr nachts einkaufen.

Auch über die "Modernität" des verkaufsoffenen Sonntags wird überall diskutiert. Edmund Stoiber wollte in seinem Bayernland just ein "modernes Ladenöffnungsgesetz" durchbringen und scheiterte bereits in der eigenen Partei daran. Hier gilt das alte Bundesgesetz weiter und das läßt vier verkaufsoffene Sonntage zu.

Zwar strebt kein Bundesland die vollständige Opferung der Sonntagsruhe an. Dennoch ist die heilige Kuh in allen Ländern sozusagen angeschlachtet worden.

Noch vor wenigen Monaten war die CDU-Landesregierung in Nordrhein-Westfalen stolz auf das angestrebte Ladenöffnungsgesetz mit Null Toleranz für verkaufsoffene Sonntage. "Ein im Grundsatz für alle arbeitsfreier Tag ist für das gesellschaftliche Leben unverzichtbar. Wir dürfen nicht alle Lebensbereiche ökonomisieren", hatte NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann noch im August erklärt. Allerdings sieht der aktuelle Gesetzentwurf des Wirtschaftsministeriums des Landes vier verkaufsoffene Sonntage unter dem Deckmantel sogenannter "Brauchtumstage" vor. Da braucht es nur ein geschmeidiges Motto und schon ist der Laden offen.

In Hamburg sollen die Verkaufsstellen an vier Sonntagen "außerhalb der Zeit des Hauptgottesdienstes" geöffnet haben dürfen - eine echt hanseatische Lösung. Der Arbeitnehmerschutz sei gewährleistet, heißt es bei der SPD-Fraktion in der Bürgerschaft. Die Arbeitnehmer könnten ja den Sonntagsdienst freiwillig und mit Planungssicherheit übernehmen.

Die meisten Bundesländer sind bemüht, ihre Ladenöffnungsgesetze noch vor dem Dezember auf den Weg zu bringen. Immerhin, die Adventszeit ist überall die umsatzstärkste Zeit. Da schielt jedes Land auf seine Nachbarn, denn niemand will Umsatzverluste zugunsten der anderen erleiden. Dabei liegt das Problem im Detail: Die Landesgesetze erlauben zwar im Zweifel nur eine bestimmte Zahl von verkaufsoffenen Sonntagen. Aber die Kommunen legen die Termine selbst fest. Deshalb buhlen die Regionen um Kunden und locken jeden Sonntag irgendwo im Umkreis von kurzen 100 Kilometern offene Geschäfte.

Wieso eigentlich? Niemand kann mehr Geld ausgeben als zuvor. Die Konzeptlosigkeit hat System. Zumindest publiziert Thomas Hoffmann, ein schlauer Gestalter von Internetseiten, unter der Netzadresse offene-sonntage.de gut sortiert sämtliche Termine. Hier erkennt man, daß es kaum noch einen Tag gibt, an dem keine Geschäfte geöffnet sind.

Bundesverfassungsrichter Udo die Fabio formulierte jüngst: "Weder Wirtschaftsförderung noch Konsumbedürfnisse dürfen den Feiertagsschutz verdrängen." Der Feiertag ist zwar nicht formal aufgehoben, aber bis ins Substanzlose ausgehöhlt worden. Er diente der Gesellschaftsbildung und der Familie.

Gegen diese Aushöhlung kämpft mit Plakaten, Aufklebern und mit mehr als 300000 Unterschriften derzeit das katholische Bonifatiuswerk. "Der Sonntag muß auch künftig als Tag des Gebetes, der Ruhe, der Besinnung und der Erholung - besonders innerhalb der Familien- und Freundeskreise - als deutliche Auszeit im Lebensrhythmus der Menschen erhalten bleiben", lautet das eindringliche Credo von Prälat Clemens Kathke, dem Generalsekretär der Organisation.

Unser Leben nimmt ständig an Schnelligkeit und Komplexität zu, denn im Zeitalter der neuen Medien werden die Informationswege immer kürzer. Das Telefon klingelt nicht mehr nur daheim, sondern auch unterwegs in der Handtasche, oder während wir uns hochkonzentriert durch den Straßenverkehr bewegen. Werbung lockt auf Bildschirmen sogar schon in Straßenbahnen und auch sonst herrscht allerorten Reizüberflutung.

Die Welt, die uns umgibt, ist zudem hochtechnisiert geworden und fordert ununterbrochen unsere volle Aufmerksamkeit, obwohl jedes einzelne Gerät unser Leben erleichtern soll. Vor diesem Hintergrund ist mehr denn je eine Zeit zum Durchatmen, ein wiederkehrender Fixpunkt nötig, der uns Ruhe ermöglicht.

Die Entwertung des Sonntags - des Ruhetags, an dem auch Politiker zur Besinnung kommen dürfen - entmenschlicht unsere Gesellschaft.
 
     
     
 
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