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Armenarzt Karl Kollwitz

 
     
 
Nur wenigen ist bekannt, daß Dr. Karl Kollwitz, der spätere Berliner Arzt und Ehemann der Malerin Käthe Kollwitz, aus Rudau im Samland im nördlichen Ostdeutschland stammt. Seine Geburt ist unter dem 13. Juni 1863 im Kirchenbuch von Rudau unter dem Namen Johannes Carl August Kollwitz eingetragen. Kollwitz verstarb am 19. Juli 1940 in Berlin.

Der Vater Friedrich Kollwitz war Riemer und Krüger (Sattler und Gastwirt) in Rudau, der Großvater Schmied. Die Mutter Dorothea Kollwitz (1826-1878) stammte aus der eingesessenen "Köllmer" Familie Dannenberg (Gutsbesitzer nach bestimmtem altem Recht), die zunächst Gutsbesitzer im samländischen Laptau und ab 1906 Besitzer des benachbarten Gutes Sandhof waren. Nach dem frühen Tod des Vaters (um 1869/70) wurde Johannes Carl August Kollwitz 1872 in das Königlich
e Waisenhaus in Königsberg aufgenommen und besuchte von dort das geachtete Wilhelmgymnasium. Das Medizinstudium an der Königsberger Universität schloß er mit dem Dr. med. ab. Die Malerin Käthe Kollwitz schreibt 1942 über die Kindheit ihres Mannes Karl Kollwitz:

Karls Vater war ein lebensvoller, sanguinischer Mensch. Solange er lebte, sind Karls Kinderinnerungen glücklicher Art. Besonders der "Blaue Krug" mit seinen winkligen Stuben ist ihm in Erinnerung. Er liebte seinen Vater sehr, der ihn freilich streng hielt, auch jähzornig sein konnte ... Dieser kurze frohe Auftakt zum Leben hatte ein Ende, als der Vater starb an einer Lungenentzündung, die er sich bei einer in Rudau ausgebrochenen Feuersbrunst beim Löschen holte. Der Blaue Krug wurde verlassen und der "Weiße Krug" bezogen. Die Mutter, die sich viel Sorgen machte, daß der Junge verwilderte, gab ihn statt in die Dorfschule zu dem Pfarrer des Dorfs in Privatunterricht. Darauf kam er in Unterricht bei seinem Onkel, dem Kantor Ewert, der damals nach Rudau übersiedelte. Karls Abendgebet schloß damals immer mit der Bitte, daß der liebe Gott ihn zu keinem Verbrecher werden lassen möge. Sein "Nichtguttun" nahm kein Ende, Prügeleien usw. gaben immer Anlaß zu neuen strengeren Strafen ... In seinem neunten Lebensjahr gab die Mutter ihn als Halbwaise in das Königliche Waisenhaus in Königsberg ... Diese Mutter, die neun Kinder geboren und begraben hatte, lebte nur noch für diese beiden letzten. Bei ihrem Fortgang von Rudau brachte sie dem Pfarrer zwei Myrthenbäumchen mit der Bitte, diese in seinem Garten einzupflanzen. Solange sie da gediehen, würden sie [die Kinder] weiter gedeihen.

Nach dem Tode der Mutter im Jahr 1878 wurde der Gutsbesitzer Dannenberg auf dem Gut Sandhof Vormund der damals 14- und elfjährigen Vollwaisen Karl und Lisbeth. Sie verbrachten die Ferien mit allen Freuden und allen Arbeiten des Landlebens bei gutem Essen auf dem Besitz des Onkels. Freundschaft schloß Karl Kollwitz zu den sieben Jungen des Pfarrers Weiß in Rudau. Käthe Kollwitz berichtet darüber:

An einen solchen vollbesetzten Mittagstisch bei Weiß dachte Karl später noch mit großer Freude. Der Pfarrer, freilich ein etwas tyrannischer und ungerechter Herr, hatte einen großen Kontakt mit der Jugend. Alle Fragen der Neuzeit interessierten ihn und wurden durchdiskutiert. Hier wehte eine an- regende, der Jugend zusagende Luft. Hier hörte Karl zum ersten Male die Sozialdemokratie erwähnen, deren Anhänger die ältesten Söhne bereits waren. [Aber] ... der Onkel hatte es herausbekommen, daß Karl Sozialdemokrat war. In den Ferien mußte Karl sich nun in den Abendstunden zu ihm setzen und dann wurde vom Onkel die Sozialdemokratie in Grund und Boden geredet. ... So trat er aus, blieb aber mit den Mitgliedern in freundschaftlichem Verkehr.

Der spätere bewundernswerte Einsatz des "Armenarztes" Dr. Karl Kollwitz für seine Kranken in Berlin mit einer Praxis auf dem Prenzlauer Berg wurzelte in seinen Erfahrungen als Waise. Der frühe Tod des Vaters und seiner sieben Geschwister, das Leiden seiner kranken, alleinstehenden Mutter in Rudau und Königsberg sowie die Aufnahme des mittellosen jungen Mannes in den Pfarrfamilien Weiß in Rudau und Rupp in Königsberg haben seinen späteren Lebensweg geprägt. Karl Kollwitz wurde nach der Novemberrevolution 1919 sozialdemokratischer Stadtabgeordneter und bemühte sich um die Klärung sozialer Probleme: Er war Mitglied im Sozialdemokratischen Ärzteverein, im Jugendfürsorgeausschuß im Stadtbezirk Prenzlauer Berg und in der Liga für Menschenrechte. Von den Nationalsozialisten wurde er nicht belästigt.

An den Rudauer Karl Kollwitz erinnert das Denkmal des "Trauernden Elternpaares" mit der Figur des trauernden Vaters, das in Vladslo bei Dixmunden in Flandern steht. Dort ist das Grab des gefallenen Sohnes Peter Kollwitz. Von seinem liebevollen Wesen berichten die noch nicht veröffentlichten, in Schrift und Sprache sorgfältig ausgeführten Briefe von Karl Kollwitz an den Sohn Hans. Sie lagern im Archiv der Kunstakademie Berlin.
 
     
     
 
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