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In diesen Tagen rühren eine Vielzahl von Tageszeitungen auf ihren Filmseiten die Werbetrommel für das, was angeblich mit 180 Millionen Dollar Produktionskosten das Teuerste ist, was Hollywood jemals in die Kinos brachte. Damit das neueste Jerry Bruckheim-Machwerk keine Pleite wird, haben die Macher auch zwölf Millionen "Drecksdeutsche" eingeplant, die an der Kinokasse ihren Obolus entrichten sollen.

Ich schreibe deswegen "Drecksdeutsche", damit Sie sich daran gewöhnen, wie deutsche Soldaten
in diesem Film tituliert werden. Wenn Sie Ihre ca. 20-DM-Kinokarte erstanden haben, die Werbung und die Vorankündigung gelaufen sind und schließlich auch der Werbespot gegen Ausländerfeindlichkeit, den Sie mit Ihren Steuergeldern mitfinanziert haben, wenn Sie es sich also in Ihrem Sessel so richtig bequem gemacht haben, dann sehen Sie zwei Helden, wie sie auf dem elterlichen Bauernhof Krieg spielen.

Es ist 1918, und sie jagen "Drecksdeutsche" am Himmel über Frankreich. Ratzeputz wird alles ausgerottet, was ein Eisernes Kreuz an der Tragfläche hat. Da muß der Richthofen aber großes Glück gehabt haben, daß er den beiden nicht begegnet ist. Als der Vater des einen Knirpses die beiden beim Spielen stört, zieht ihm der andere mit dem Knüppel was über. "Drecksdeutscher!" blökt der Rotzlöffel. Hollywood schafft es doch immer wieder, auf das Lieblingsthema Hitler, Deutschland und die Nazis zu kommen. Wenn das Thema 10 000 Meilen entfernt ist wie Hawaii, muß die Story eben ein paar Klimmzüge machen – egal! Im Amerika der Kriegszeit waren die Deutschen die "Krauts" = Krautfresser. Doch der Haß kam erst mit der Propaganda und mit Hollywood. Warum kommt nur kein Mensch auf den Gedanken, daß diese Bilder erst auf dem Hintergrund wirtschaftlicher Konkurrenz ihren wahren Sinn erschließen ... Weil das Ziel der Hetze die Deutschen sind? So soll der Zuschauer sich auch nicht die Vermehrung historischer Kenntnisse oder Abläufe von diesem Film versprechen, sondern Unterhaltung, wie sie das Privatfernsehen jeden Abend anbietet. Nicht umsonst wird Hauptdarsteller Josh Harnett wie folgt zitiert: "Ich habe den Überlebenden in die Augen gesehen. Alles was ich für die Rolle wissen mußte, habe ich von ihnen gelernt."

Die Zeit vergeht. Aus den Rotzbuben werden zwei Halbstarke: Rafe (Ben Afflekt) und Danny (Josh Harrnet). Was ein richtiger US-Held werden will, der besucht jetzt die Fliegerschule. Sie machen durch Draufgängertum auf sich aufmerksam. Colonel Doolittle (Alec Baldwin) macht Rafe heiß auf einen Einsatz in der "Eagle"-Staffel, die ganz dringend Heldennachschub benötigt. Nur noch die ranzigen Trümmer der Royal Air Force und eben die strahlende "Eagle"-Staffel stehen Adolf, den Nazis und den Deutschen noch im Wege. Der Zuschauer merkt, daß Danny ein bißchen traurig ist, daß er nicht zu den "Eagles" darf. Das ist eben der Stoff, aus dem demokratische Helden sind, wenn sie aus den USA kommen.

Über 60 Jahre nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges hat Hollywood kein Problem damit, offenherzig zuzugeben, daß die USA als neutrale Macht England als kriegführende Macht mit ungeheuren Materiallieferungen und auch Soldaten unterstützt hat. Spätestens seit dem Soldaten "Ryan" von Steven Spielberg wissen wir, daß die US-Armee deutsche Kriegsgefangene ermordet hat, nun also endlich auch das Bekenntnis des Bruchs der Gesetze der Neutralität und damit des Völkerrechts.

Unser Held lernt vor seinem Einsatz in England eine Krankenschwester kennen, wie sie in fast jedem Hollywood-Kriegsfilm auftauchen muß. Hier aber lernen wir eine neue Qualität des moralisierenden US-Amerikaners kennen. Zuerst schwören sie sich ewige Liebe und Treue, und dann wird der an dieser Stelle in jeder US-Seifenoper fällige Geschlechtsverkehr auf die Zeit nach dem demokratischen Endsieg verschoben. Nun habe ich keinen Zweifel mehr, die Moral, die überlegene Moral hat den Weltkrieg entschieden. Aber auch Rafe muß zunächst Opfer bringen. Nachdem er drei Nazis ihrer gerechten Strafe zugeführt hat (deutsche Messerschmidt-Jäger), muß er selbst ein Bad in den kalten Fluten des Ärmelkanals nehmen. Das Schlimmste aber ist, daß seine Kameraden ihn für tot halten. Dabei bergen ihn französische Seeleute, die sich natürlich darüber freuen, solch einen Helden aus Seenot zu retten. An dieser Stelle wäre natürlich ein Wort zur Empörung der Franzosen wegen des englischen Überfalls auf Oran fällig, jedenfalls waren damals die "Frenchis" auf Briten und Amerikaner nicht gut zu sprechen.

Nur wenige Minuten hat der Kinobesucher in der Zwischenzeit zugebracht, da tröstet sich unsere Krankenschwester auch schon mit Danny, unserem Held Nr. zwei (Josh Harnett). Vergleichen Sie die beschriebene Situation mit dem unvergleichlichen Film "Die Große Liebe" mit Zarah Leander und Sie werden den Unterschied feststellen.

Nun endlich, nach weit über einer Stunde, nähert sich der Film dem eigentlichen Thema. Danny und seine Krankenschwester sitzen zwischenzeitlich auf Hawaii. Dort kreuzt auch unser Rafe auf, und in einer Hula-Bar kommt es zu einer zünftigen Schlägerei, besoffen sind unsere Helden ohnehin schon, und so muß die Militärpolizei mit ihren rabiaten Mitteln einschreiten. Die älteren Leser werden sich vielleicht noch daran erinnern, daß 1944 in Frankreich (im befreiten Teil) in vielen Lokalen Schilder in englischer Sprache hingen, auf denen zu lesen war: "Fühlen Sie sich hier wie zu Hause – aber benehmen Sie sich nicht so."

Unsere Helden fahren mit dem Auto an die Küste, um auszunüchtern und eine Mütze voll Schlaf zu nehmen. Wenig rück- sichtsvolle Flieger, die das Symbol der Sonne an ihren Tragflächen führen, sind entschlossen, in aller Herrgottsfrühe und dann noch am Wochenende Hawaii anzugreifen. Es wird Sie nicht wundern, daß die beiden Halbausgenüchterten zunächst die Boden- abwehr eines angegriffenen Fliegerhorstes auf Vordermann bringen und Rafe dann sieben Japse auf einen Streich gewissermaßen vom Himmel runterholt (immerhin circa ein Viertel der offiziellen japanischen Verluste).

Das ist für Hollywood nicht ungewöhnlich. Aber daß unsere Helden nun noch Blut spenden und ihr Lebenssaft in einer Coca-Cola Flasche gesammelt wird, daß der farbige Schiffskoch eines gewaltigen Schlachtschiffes gewissermaßen zwischen Schinken und Rühr-ei den ersten Japs "herunterholt", ist vorläufig jenseits des üblichen Programms gewesen. Um in den Kreis der richtigen Helden aufzurücken, fliegen Rafe und Danny auch noch Doolittles historischen Luftangriff auf Tokio mit. Auch hier läßt der Regisseur die Zuschauer dumm sterben. Das zerstörte Krankenhaus gehört genausowenig zum Drehbuch, wie der eigentliche Grund des Angriffs.

Nagumos Trägerverband hatte nach der erfolgreichen Ausschaltung der US-Schlachtschiffe im Pazifik Kurs auf den Indischen Ozean genommen. Ziel: Vertreibung und Versenkung der "British Eastern Fleet". Die Schlachtschiffe "Prince of Wales" und "Repulse", der Flugzeugträger "Hermes" und diverse Kreuzer und Zerstörer lagen schon auf dem Meeresgrund, und der Rest befand sich mit Kurs Südafrika auf der Flucht, da geschah sozusagen im Indischen Ozean ein neues regelrechtes "Wunder an der Marne".

Schon die Griechen wußten: wen die Götter lieben, den rufen sie früh heim. Danny stirbt bei diesem Einsatz den Heldentod. Wir anderen mit eher irdischem Gemüt sagen: Das hat er nun davon, daß er sich an Rafes Mädchen herangemacht hat. Wäre der Film als Seifenoper angelegt, so müßte Danny möglicherweise irgendwie doch noch von den Toten wiederauferstehen, wenn es darum geht, mit Rafe Midway, Iwo Jima und anderen Streitern Aachen und Dresden zu befreien. Doch ob es eine Fortsetzung gibt, entscheiden Sie selbst ein wenig mit, denn nur, wenn die 180 Millionen Dollar an der Kinokasse wieder eingespielt werden, stehen die Chancen für eine Fortsetzung nicht schlecht. In der deutschen Synchronisation werden nach Auskunft der Promo-Firma "Just Publicity" die Nazis und Drecksdeutschen für die deutschen Soldaten beibehalten werden, während für die japanische Fassung eine freundlichere Umschreibung für die Japse gesucht wird. Erwähnenswert ist, daß außer dem Firmennamen Coca-Cola auch die Whiskeymarke "Jack Daniels" (Werbespruch: "Wenn Sie ihn sich leisten können") Erwähnung findet. Wie in den Vereinigten Staaten der Jetztzeit üblich, werden politisch korrekte Klischees bedient. Präsident Roosevelt wird überwiegend als Rollstuhlfahrer gezeigt, und der erste Kriegsheld ist, wie erwähnt, der schwarze Schiffskoch eines Schlachtschiffes.

Die Macher des Filmes meinen, daß die Japaner in dem Film fair behandelt worden seien, obwohl Roosevelt, gekonnt gespielt von Jon Voight, wahrheitswidrig Über-raschung und Empörung über den Angriff heuchelt. Nicht nur in Japan und in den USA weiß heute jeder, der es wissen will, daß Roosevelt über die japanischen Absichten im Bilde war. Fairneß ohne eine Erwähnung des schlimmsten bislang ungesühnten Kriegsverbrechens – der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki – was Hollywood eben fair nennt. Verglichen mit den üblichen haßtriefenden Kriegsfilmen, die sonst dort gedreht werden – vielleicht – fair, wenn historische Gegebenheiten zur Debatte stehen, dann sicher nicht.

Letztendlich zeigt der Film, das, was Amerika schon immer glauben machen wollte: Moralischer Hochmut, Heldentum und soldatische Tugenden haben den Ausgang des Zweiten Weltkrieges entschieden – nicht materielle Überlegenheit.

 

Am 2. August 1941 verbot Präsident F. D. Roosevelt den Verkauf von Rohöl an Japan, womit Pearl Harbor bereits programmiert war. Japan stand vor der Wahl, sich den US-Forderungen zu beugen oder die Olfelder Südostasiens unter Kontrolle zu bringen. Tokio entschloß sich zum Krieg. Da Japans Marinecode von den USA dechiffriert war, bestand über die Absicht der Gegenseite kein Zweifel. Doch die Warnung an die Flotte in Pearl Harbor unterlieb, weil Roosevelt einen Vorwand brauchte, um die Isolationisten in den USA zu beschwichtigen. Zugleich wurde damit der Eintritt in die laufenden Konflikte Europas ermöglicht. P. F.

 
     
     
 
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