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Ich reiche der Bedienung fünf Euro über den Tresen hinweg und nehme dafür die zwei bestellten Coca-Cola für mich und meinen Freund entgegen. Plötzlich drängelt sich neben mir meine Schwester nach vorne und ruft selbstsicher "Smirnoff Ice". Völlig selbstverständlich wird ihr das Gewünschte gegeben. Über den Tresen hinweg wechselt ein wodkahaltiges Getränk gegen 4,50 Euro den Besitzer. Ich bin fassungslos, denn die kleine Blonde neben mir ist erst 15 Jahre alt. Ich öffne den Mund, um ihr die Leviten zu lesen, aber schon nimmt das frühreife Kind einen großen Schluck aus der kleinen zierlichen Flasche und stolziert zufrieden zu unserem Tisch zurück. Ich folge mit meinen beiden Coca-Cola, sehe, wie der Blick meines Freundes fragend zu dem limonadenartigen Getränk in den Händen des Teenagers geht, zucke aber nur mit den Schultern. Verwunderung steht uns beiden ins Gesicht geschrieben, doch wir wollen auch keine Spielverderber sein.

Als Spielverderber präsentierte sich nun im vergangenen November die Droge
nbeauftragte der Bundesregierung, Marion Caspers-Merk. Die SPD-Abgeordnete bezeichnete diese sogenannten "Alcopops" als Einstiegsdroge, denn diese fruchtigen Mixgetränke haben durchschnittlich um die sechs Prozent Alkoholgehalt. Da bei Lebensmittelketten wie Aldi, Lidl und Penny jene fraglichen Limonaden für unter einen Euro zu bekommen sind, können sich gerade auch Jugendliche dieses Zuckerzeug, das so fröhlich macht, leisten.

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen warnt vor steigendem Jugendalkoholismus. Bereits 37 Prozent der 15jährigen Jungen sowie 25 Prozent der 15jährigen Mädchen trinken regelmäßig. Gleichzeitig stieg allein von 2001 auf 2002 der Umsatz sogenannter Spirituosen-Mixgetränke im Lebensmitteleinzelhandel um exakt 341,3 Prozent.

Frankreich und die Schweiz haben inzwischen schon Maßnahmen gegen diesen Trend ergriffen. Nachdem Paris schon vor Jahren die Steuern auf diese Partystimmungsmacher erhöhte und daraufhin einen starken Rückgang der Nachfrage verzeichnen konnte, hat auch die Schweiz den Literpreis um einen Euro angehoben. Ähnliches schwebt auch der Bundesregierung vor. Verbraucherministerin Renate Künast will die Mehreinnahmen in zweck-gebundene Aufklärungsmaßnahmen fließen las- sen.

Daß die Getränkeindustrie diese Pläne nicht begrüßt, ist nachvollziehbar. Schließlich hatten sich Bacardi und Co. in den letzten Jahren an ihrer erfolgreichen Produktneuerfindung sehr erfreuen können. Verärgert verweisen sie darauf, daß sie schließlich die 20- bis 30jährigen ansprechen würden und auf vielen Flaschen "Ab 18" als Warnhinweis vermerkt sei. Das mag stimmen. Doch die in der Werbung vorkommenden Leute vermitteln ein tolles Image: Mit Alcopops hat man Dauerspaß, ist "cool", lässig und beliebt. Zwar sind die Leute in der Werbung wirklich Mitte 20, aber welcher Jugendliche hat nicht gern so viel Spaß wie die Großen. Das Image der Alcopops ist viel zu verführerisch, als daß Preiserhöhungen um nur einen Euro pro Liter etwas ausrichten könnten.

Eine in Auftrag gegebene Untersuchung soll nun klären, ob und wie drastisch eine Preisanhebung ausfallen müßte, um die Jugendlichen in ihrem Verhalten zu beeinflussen. Da meine Schwester völlig selbstverständlich in der Kneipe 4,50 Euro für ihr Getränk zahlte, muß der Preis wohl noch sehr stark steigen, denn gerade die Jugendlichen sind bereit, für ihr "Image" viel zu bezahlen.

Letztendlich tragen aber auch Erwachsene - wie die Bedienung und wie ich - die Schuld. Wir haben den Kaufwunsch akzeptiert beziehungsweise stillschweigend toleriert. Der Tresenkraft ging es um das Geld, und ich wollte, wie gesagt, kein Spielverderber sein, nicht als "uncoole" große Schwester dastehen. Wenn sich aber im Bewußtsein von uns Erwachsenen nichts ändert, dann ist auch die Regierung machtlos gegen den steigenden Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen.
 
     
     
 
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