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Hochsommer, die Zeit war da! Der Roggen stand hoch im Halm. Wir Kinder konnten uns darin verstecken. Das hätten wir wohl einmal ganz gern getan, wenn da die Angst vor der Roggenmuhme nicht gewesen wäre, die im Kornfeld hauste und auf ungezogene Kinder wartete, die im Getreide herumtrampelten, um sie dann verschwinden zu lassen. Aber die Wertschätzung des täglichen Brotes wurde uns Kindern schon früh ans Herz gelegt.

Die wohl wichtigste Zeit des Jahres im ländlichen Leben begann: die Erntezeit, im ostdeutschen Oberland "Kornaust" genannt. So manches Stoßgebet gen Himmel bat um "Gut Wetter". Die Sonne brannte, die Luft war erfüllt vom Geruch des reifen Korns. Fuder um Fuder, hochbeladen, fuhren die Dorfstraße herab, um das Erntegut schnell unter Dach und Fach zu bringen. Sommergewitter drohten! Auf der Straße lag von den Leiterwagen gefallenes Stroh, aber trotz der vielen Arbeit wurde am Sonnabend spät noch die Straße gefegt. Am Sonntag hatte es sauber zu sein - preußische Gründlichkeit!

In früher Kinderzeit
sahen wir noch die Schnitter auf den Feldern "Schwad für Schwad" das Getreide mit ihren Sensen mähen - gefolgt von Frauen, die die Garben banden, um sie zu Hocken aufzustellen. Arbeit, die ihnen alles abverlangte. Mühsam wurde das Getreide auf der Tenne der Scheune mit dem Dreschflegel von Hand gedroschen. "Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen." Aber bald begann der Siegeszug der Technik auch auf dem Lande. Die erste Mähmaschine, gezogen von Pferden, ersetzte die Sense, die Garben jedoch mußten noch gebunden werden. Das Dreschen wurde jetzt durch die erste kleine Dreschmaschine übernommen, die von einem "Roßwerk" (Göpel) durch ein im Kreis laufendes Pferd über ein Antriebsgestänge betrieben wurde.

Einige Zeit darauf folgte der Bindemäher, dem oftmals in der Kriegszeit das Bindegarn knapp wurde. Nun war aber auch endlich der "Dreschkasten" (-Maschine) vorhanden, der das Stroh, Getreidekörner und Spreu sauber voneinander trennte. Als Antrieb fungierte zunächst der "Benolmotor", ein stinkendes und lärmendes Vehikel, das aber besonders bei den Jungen besondere Aufmerksamkeit erregte, zumal der lange Treibriemen dazu oftmals in eigenartigen Schlangenlinien durch die Luft sauste, aber nicht absprang. Durch die sich langsam entwickelnde Elektrifizierung auf dem Lande setzte sich dann der Elektromotor durch. Alles in allem ergab sich dadurch auch eine erhebliche Einsparung von Arbeitskräften, was sich im Kriege vorteilhaft auswirkte.

Die Bevölkerung in den Dörfern Südostpreußens wie auch sonst in der Provinz bestand einerseits aus Bauern mit kleineren bis großen Höfen und zum anderen aus Handwerkerfamilien. Diese besaßen für ihren eigenen Bedarf oftmals ein Stück Land unterschiedlicher Größe, so nannten sie oft auch eine Kuh, ein bis drei Schweine und beliebiges Geflügel ihr eigen. In den wenigsten Fällen jedoch besaßen sie ein Pferd und konnten deshalb ihre Felder nicht selbst bestellen. Daraus ergab sich in den Dörfern eine Art "beispielhafter Solidarität" zum Nutzen aller. Vor allem in Erntezeiten halfen die Handwerker und überwiegend deren Frauen den Bauern. Umgekehrt erledigten diese mir ihren Pferden die Bestellung der "Handwerker-Felder" und andere Fuhrarbeiten. Eine andere Möglichkeit zur Bewältigung der anstehenden und notwendigen Arbeit gab es damals nicht, die gewerblichen Strukturen wären sonst zusammengebrochen, oder hätten erst gar nicht entstehen können. Es gab im Vergleich mit heutigen Möglichkeiten des volltechnisierten Bauernhofes keine Alternative. Eine weitere, heute kaum vorstellbare Besonderheit: Es war kein Geld im Spiel - allein die gegenseitige Hilfe zählte. Eine Aufrechnung von Arbeitsstunden war nicht üblich! Wäre ähnliches wohl heutzutage denkbar?

Gerhard Hahn: Erntezeit im Oberland (Öl, 2003)
 
     
     
 
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