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Moldawien: Ein Land im Schatten

 
     
 
Mit dem Zerfall der Sowjetunion ist auf der Landkarte Europas auch ein neuer Staat mit vorwiegend rumänischstämmiger Bevölkerung erschienen: die Republik Moldau, rumänisch Moldowa, russisch Moldawija oder Moldawien. Sie ist aus der vorherigen moldauischen Sowjetrepublik hervorgegangen, deren Außengrenzen zur Ukraine und zu Rumänien nunmehr zu Staatsgrenzen der Moldau-Republik geworden sind.

Die Hauptstadt dieses neuen Staates ist Chisinau (russisch Chischinjow). Moldawien ist mit einer Fläche von 33 700 Quadratkilometern und einer Bevölkerung von 4,3 Millionen Einwohnern nach Armenien die flächenmäßig kleinste ehemalige Sowjetrepublik – etwa vergleichbar mit Dänemark. Im Unterschied zu den baltischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion ist Moldawien erstmals in seiner Geschichte ein eigenständiger Staat. Sein Territorium war zuvor stets Teil größerer Staatsgebilde, des Fürstentums Moldau, des Osmanischen
und des Russischen Reiches, des Königreichs Rumänien und schließlich der Sowjetunion.

Die kleine, meist vernachlässigte und von den Machtzentren Europas sowie den transeuropäischen Verkehrsnetzen weit entfernte Republik sieht sich nach wie vor vor eine schwierige Aufgabe gestellt. Mit beträchtlichen nationalen Minderheiten (vorwiegend russifizierte Ukrainer und Russen) ausgestattet, einem abtrünnigen östlichen Landesteil (Transnistrien) sowie russischen Truppen im Land steht die moldauische Führung vor der schwierigen Aufgabe, ihre politische und territoriale Eigenständigkeit zu wahren, einen gangbaren Weg zwischen den bedeutenderen Nachbarstaaten zu finden und erfolgreiche Wirtschaftsreformen durchzuführen.

Historisch gesehen ist das heutige Moldawien die östliche Hälfte des einstigen Fürstentums der Moldau, die im Jahre 1812 dem Russischen Reich angegliedert worden war, nach dem Ersten Weltkrieg zu Rumänien gekommen ist und nach dem Zweiten Weltkrieg ein Bestandteil der Sowjetunion wurde.

Das zwischen den Karpaten und dem Dnjestr-Fluß gelegene Moldau-Fürstentum hatte sich im 14. Jahrhundert durch den Zusammenschluß mehrerer kleinerer Feudalherrschaften (Knesate) gebildet.

Seit dem 16. Jahrhundert geriet das moldauische Fürstentum in zunehmende Abhängigkeit zum Osmanischen Reich, von der es sich seit dem 18. Jahrhundert mit russischer Hilfe zu lösen versuchte. Der Widerstreit osmanischer und russischer Interessen führte dann 1812 zur Teilung des Landes. Die westliche Moldau mit der Hauptstadt Iasi (Jassy) blieb Vasallenstaat unter türkischer Herrschaft, konnte sich aber in den folgenden Jahrzehnten zunehmend selbständiger machen. Sie schloß sich schließlich im Jahre 1859 mit der Walachei (Bukarest) zum Fürstentum (1861) bzw. Königreich (1881) Rumänien zusammen. Die östliche Moldau zwischen Pruth und Dnjestr kam unter russische Herrschaft und verblieb dort bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. Die russische Administration nahm ihren Sitz in dem bis dahin unbedeutenden Städtchen Chisinau und erbaute daneben eine neue Verwaltungsstadt.

Zur Bekundung der Eigenständigkeit gegenüber der westlichen Restmoldau erhielt die neue russische Provinz den Namen Bessarabien übertragen, der bis dahin nur das südliche Küstengebiet im Hinterland des Schwarzen Meeres bezeichnet hatte. Die russische Regierung förderte die Einwanderung ausländischer Siedler, unter anderem auch aus Deutschland (Bessarabiendeutsche), in die geringer bevölkerte Steppenzone in dem Bestreben, sowohl die Wirtschaftskraft zu heben als auch die Dominanz der ansässigen rumänischen Bevölkerung zurückzudrängen.

Nach der russischen Niederlage im Ersten Weltkrieg und der Oktoberrevolution trennte sich im Jahre 1918 die östliche Moldau (Bessarabien, Moldawien) von Rußland und beschloß die Vereinigung mit Rumänien, dessen Ostgrenze nunmehr der Dnjestr bildete. Wenige Jahre später (1924) wurde auf dem Territorium der Sowjetunion im Rahmen der Ukrainischen Unionsrepublik eine Autonome Moldauische Sowjetrepublik ausgerufen, deren Verwaltungszentrum zunächst Balta und seit 1929 Tiraspol war. Das Gebiet hatte vorher nie zur Moldau (Moldova) gehört. Das jenseits des Dnjestr geschaffene Territorium bildete den Kristallisationskern für die auf der Grundlage des Hitler-Stalin-Pakts im Jahre 1940 gebildete Sowjetrepublik Moldawien, die nach einer rumänischen Wiederbesetzung 1941 bis 1944 nach dem Zweiten Weltkrieg endgültig der Sowjetunion angegliedert wurde, d. h. bis zu deren Auflösung im Jahre 1991. Die dadurch entstandene Grenzziehung Moldawiens östlich des Dnjestr hat nunmehr auch einige Regionen einbezogen, die mehrheitlich von nicht-rumänischer Bevölkerung bewohnt sind. Dort brachen unmittelbar nach der Ausrufung der von rumänischstämmiger Bevölkerung dominierten Republik Moldawien heftige Autonomiebestrebungen aus, die zu einem Bürgerkrieg, zur Proklamation der Separat-"Republik" Transnistrien mit der Haupstadt Tiraspol und zu der bis zur Gegenwart fortwährenden Stationierung russischen Militärs führten.

Nachdem ein schneller und spontaner Zusammenschluß Moldawiens mit Rumänien wie im Falle der deutschen Vereinigung nicht zustandegekommen ist und sich die Bevölkerung 1994 auch in einem Referendum mit klarer Mehrheit für die Eigenständigkeit ausgesprochen hat, sprechen alle Anzeichen dafür, daß Moldawien für die absehbare Zukunft eine eigenstaatliche Entwicklung nehmen wird. Für die Unabhängigkeit sprechen, abgesehen von den Nationalitätenfragen, auch andere gewichtige Gründe. So etwa die Tatsache, daß sich die moldawische Führung bewußt ist, nur als eigenständiger Staat auf westliche Wirtschaftshilfe zählen zu können. Außerdem besteht eine nicht unbegründete Angst, im Falle einer Wiedervereinigung von der rumänischen Wirtschaft völlig dominiert zu werden, ohne wirklich nennenswerte rumänische Finanzhilfe zur Entwicklung der eigenen Region erhalten zu können. Generell bestehen gewisse Befürchtungen, von der Bevölkerung Rumäniens als Rumänen zweiter Klasse behandelt zu werden.

Die nationale Zusammensetzung der Bevölkerung erweist sich seit der Unabhängigkeit Moldawiens als Prüfstein für den Willen der Bevölkerung zum Zusammenleben in einem gemeinsamen Staat. Nach den Daten der Volkszählung des Jahres 1989 leben in Moldawien 2 795 000 (64,5 Prozent) rumänischstämmige Einwohner.

Nach der Gründung der Republik Moldawien wurde die kyrillische wieder durch die in Rumänien gebräuchliche lateinische Schreibweise abgelöst, mit gewissen Ausnahmen in der Separatregion um Tiraspol. Die Bezeichnung Moldawier bzw. Moldauer für die rumänischstämmige Bevölkerung hat sich erhalten. Sie wird zur Zeit oft demonstrativ von der Regierung Moldawiens verwendet, um die Eigenständigkeit gegenüber Rumänien zu bekunden.

Die rumänischstämmige ("moldawische") Bevölkerung ist in fast allen ländlichen Bereichen dominierend, besonders ausgeprägt in den zahlreichen alten Dörfern der ehemaligen Waldgebiete und Waldsteppen. In der Haupstadt Chisinau bildet sie mit 49,2 Prozent jedoch nur knapp die Hälfte der Bevölkerung. Der Anteil der rumänischstämmigen Einwohner war bis in die 80er Jahre rückläufig, bedingt durch die innersowjetischen Migrationsbewegungen, er ist seither aber wieder ansteigend: von 63,9 Prozent (1979) auf 64,5 Prozent im Jahre 1989. Infolge der höheren Geburtenraten der rumänischstämmigen Bevölkerung sowie der ausbleibenden Zuwanderung bzw. sogar der Abwanderung nicht-rumänischer  Bewohner dürfte der rumänischstämmige Anteil in den letzten Jahren weiter zugenommen haben, doch liegen neuere Zahlen nicht vor.

Ukrainer sind mit einem Anteil von 13,8 Prozent die zweitgrößte ethnische Gruppe in der jungen Republik. Sie bilden die absolute Bevölkerungsmehrheit in einigen Städten wie Ribnita, Briceni und Otaci sowie in zahlreichen Dörfern östlich des Dnjestr und im Hügelland des nördlichen Moldawien. Infolge geringer Geburtenraten hat der ukrainische Anteil in den letzten Jahrzehnten jedoch abgenommen (1959: 14,6 Prozent). Demgegenüber ist der Anteil der Russen unter sowjetischer Herrschaft ständig angestiegen; in den zurückliegenden Jahrzehnten von 10,6 Prozent (1959) auf 13 Prozent (1989). Sie wohnen fast ausschließlich in Städten, wo sie wie im Falle von Dnestrovsk die absolute und in einigen weiteren Städten wie Tiraspol (41 Prozent) und Tighina die relative Mehrheit der Einwohnerschaft bilden.

Die Gagausen, ein christlich-orthodoxes, weitgehend russifiziertes Turkvolk leben im südlichen Moldawien. Ihr Anteil an der Bevölkerung Moldawiens beträgt nur 3,5 Prozent. Die kleine Ethnie machte nach der Staatsgründung dennoch politisch auf sich aufmerksam, da sie gleich der Dnjestr-Region eine eigene separate "Gagausenrepublik" ausgerufen hatte. Nach langwierigen Verhandlungen wurde jedoch ein Kompromiß erzielt und ein umfangreiches Autonomie-Statut ausgearbeitet. Demnach wird den Gagausen für den Fall einer Vereinigung Moldawiens mit Rumänien ausdrücklich ein Sezessionsrecht zugestanden, wobei allerdings völlig unklar ist, wohin sich in diesem Fall die Gagausen wenden könnten. Tatsächlich ist es bisher jedenfalls nicht gelungen, die umfangreichen  Autonomie-Rechte auch mit Leben zu erfüllen.

Weitere Bevölkerungsgruppen stellen die Bulgaren (1989: zwei Prozent) und die Zigeuner dar. Der Anteil der früher zahlreichen jüdischen Einwohner ist durch Auswanderung weiter im Rückgang begriffen: von 3,3 Prozent im Jahre 1959 auf 1,5 Prozent 1989. Vergleichsweise große jüdische Einwohnerzahlen findet man noch in Chisinau (35 000) und Balti (9000).

Die bis zum Zweiten Weltkrieg in Moldawien lebende bessarabiendeutsche Minderheit ist praktisch nicht mehr vorhanden. Allerdings leben doch noch etwa 5000 Deutsche in diesem Gebiet. Sie stammen zum Teil aus Kasachstan und anderen ehemaligen Sowjetrepubliken. Ein anderer Teil der Deutschen sind Nachfahren der einstigen Bessarabiendeutschen, die sich der Umsiedlung ins Deutsche Reich entzogen haben. An die deutsche Siedlungstätigkeit erinnern einige noch erhaltene Ortsnamen wie Hoffnungsthal, Fridensfeld oder Katzbach.

Etwa neunzig verschiedene Volksgruppen sollen bei der bisher letzten Volkszählung im Jahre 1989 in der Moldau-Republik gezählt worden sein. Obwohl diese Zahl außerordentlich hoch erscheint, ist das Land zwischen Pruth und Dnjestr von seiner Bevölkerungsstruktur zweifellos eine Art Sowjetunion im Kleinformat. Sollte es daher der Moldau langfristig gelingen, einen inneren Ausgleich und eine positive Wirtschaftsentwicklung zu erreichen, so könnte dieser Erfolg sicher Modellcharakter für andere Staaten der ehemaligen UdSSR aufweisen.

Im Jahre 1997 geriet die Moldau-Republik (deutsch: Moldau, rumänisch: Moldova, russisch: Moldawija) bestenfalls ein Mal und auch in diesem Fall nur kurz in die Schlagzeilen der internationalen Medien: Anlaß dazu war die Enthüllung der Tageszeitung "Washington Post" am 5. November, wonach die USA den Großteil der moldawischen Luftwaffe für 50 Millionen US-Dollar erworben haben. Gekauft wurden 21 der insgesamt 27 Jagdflugzeuge des sowjetischen Typs MiG 29, um zu verhindern, daß die Jagdmaschinen etwa von Staaten wie dem Iran erworben werden könnten. Ebenfalls gekauft wurden von den USA etwa 500 Luft-Luft-Raketen, wobei die Amerikaner von Moldova auch die Zusicherung erhielten, die restlichen sechs MiG 29 nicht an sogenannte "Schurkenstaaten" zu veräußern. Die von den USA erworbenen 21 Jagdflugzeuge wurden nicht direkt von Moldova zum Luftwaffenstützpunkt Wright Paterson in Dayton (Ohio) geflogen; aus Sicherheitsgründen wurden die Maschinen vielmehr bereits in der ehemaligen Sowjetrepublik zerlegt und mit C-17-Transportmaschinen der amerikanischen Luftwaffe außer Landes gebracht. Abgesehen davon, daß es den USA gelungen ist, durch den Kauf auch einige Modelle des Typs MiG 29 C zu erwerben und damit ein bisher unbekanntes Produkt russischer Hochtechnologie zu analysieren, beleuchtet das Geschäft eine aus westlicher Sicht nicht gerade attraktive Rolle, die Moldova auch spielt – im internationalen Waffen- und Drogenhandel. So wurden etwa nach Angaben des Stockholmer Institutes für Friedensforschung im Jahre 1994 Rebellen aus dem Südjemen mit Waffen aus Beständen der ehemaligen Roten Armee der Ex-Sowjetrepublik versorgt. Geliefert wurden vier MiGs, Raketen sowie schwere Artillerie über dubiose Zwischenhändler wie etwa eine bulgarische Rüstungsagentur. Einer der Hauptgeldgeber für dieses illegale Rüstungsgeschäft soll übrigens Saudi-Arabien gewesen sein. Klar ist, daß mit Rüstungsgütern der ehemaligen 14. sowjetischen Armee, die auch vom legendären Alexander Lebed kommandiert wurde, der Krisenherd am Balkan beliefert wurde, obwohl der genaue Umfang dieser Geschäfte ebenso schwer einzuschätzen ist wie der Drogenhandel, der ebenfalls in beträchtlichem Ausmaß über Moldawien laufen soll.

Dieser Umstand macht deutlich, daß sich insbesondere die EU weit intensiver mit der Moldaurepublik befassen sollte, wobei vor allem eine "Zypriotisierung" des Transnistrien-Konflikts gleich aus mehreren Gründen zu vermeiden ist. Diese Region östlich des Dnjestr spaltete sich unter bürgerkriegsähnlichen Erscheinungen von Moldova ab, als im Zuge des Zusammenbruchs der Sowjetunion in der politischen Elite Chisinaus massive Bestrebungen nach einer Vereinigung mit Rumänien laut wurden. In Transnistrien selbst leben 600 000 Menschen, davon etwa 40 Prozent rumänisch-sprechende Moldauer, 28 Prozent Ukrainer und 23 Prozent Russen. Anders als in der übrigen ehemaligen Sowjetrepublik dominiert der russische Einfluß in Transnistrien (Hauptstadt Tiraspol: 186 000 Einwohner) fast völlig; dies nicht zuletzt deshalb, weil die ukrainische Volksgruppe weitgehend russifiziert ist und allfälligen Rumänisierungsbestrebungen angesichts der historisch äußerst belasteten rumänisch-ukrainischen Beziehungen fast noch feindseliger gegenübersteht als die Russen.

Derzeit ist die Lage zwischen beiden Landesteilen entlang der sogenannten Sicherheitszone in einem instabilen Gleichgewicht, ein Erfolg, zu dem auch die nach wie vor aktive OSZE-Mission nicht unwesentlich beigetragen hat. Ein Austausch von Gütern und Personen über den Dnjestr hinweg ist möglich, wobei im Norden die Sicherheitszone nach Angaben der OSZE noch formell besteht, aber keine Patrouillen mehr durchgeführt werden; für den Süden wird über eine derartige "Regelung" verhandelt, während im Mittelabschnitt Tighina (Bendery)/Tiraspol, der etwa 15 Prozent der früheren gesamten Sicherheitszone ausmacht, nach wie vor "peacekeeping forces" vorhanden sind. Dem Reisenden kann es dabei im schlimmsten Fall passieren, daß er auf einer Strecke von etwa fünf Kilometern fünfmal kontrolliert wird, angefangen vom Zoll und der Verkehrspolizei der jeweiligen Seite bis hin zu den "peacekeeping forces", wobei damit natürlich ein gewisser Druck zur Zahlung eines "Bakschisch" ausgeübt wird, das diese Prozeduren zweifellos beschleunigt. Keine Schlüsselrolle kommt den verbliebenen Resten der einstigen 14. sowjetischen Armee mehr zu, die von der OSZE auf weniger als 3000 Mann geschätzt wird. Beträchtliche Sprengkraft im wahrsten Sinne des Wortes kommt jedoch sowjetischen Munitionsbeständen zu, die zum Teil seit Jahren in immer schlechterem Zustand in dieser Region "gelagert" sind. Während die Angaben über die Munitionsmenge zwischen 50 000 und 500 000 Tonnen schwanken, besteht weitgehend Einigkeit darüber, daß mit den ebenfalls vorhandenen und verkaufsbereiten 50 000 Gewehren (Kalaschnikows etc.) etwa fünf Divisionen an Infanterie ausgerüstet werden können.

Transnistrien selbst war niemals Bestandteil des historischen Moldau-Fürstentums und weist im Grunde alle Eigenschaften auf, die ein Staat zur internationalen Anerkennung benötigt. Vorhanden sind ein eigenes Territorium, eine eigene Armee (5000–8000 Mann), eine eigene Währung (der angeblich in Deutschland gedruckte "Rubel") sowie eine eigene ebenfalls darniederliegende Wirtschaft. Was fehlt, ist die internationale Anerkennung, die Transnistrien mit seiner stark pro-sowjetisch eingestellten Bevölkerung auch nicht erhalten dürfte. Trotzdem bildet gerade der hohe Anteil an pensionierten sowjetischen Kadern, die nach Beendigung ihrer Berufslaufbahn in diese insgesamt angenehme Region gezogen sind, ein politisch aktives Element, das der Führung in Tiraspol trotz der massiven Verarmung der Bevölkerung (Durchschnittsmonatslohn angeblich fünf Dollar, dagegen in Moldawien 40 Dollar) politischen Rückhalt verleiht. Insgesamt ist fast jeder fünfte Bewohner Moldovas Rentner, ein Umstand, der die schwierige soziale Lage des Landes sehr gut charakterisiert.

Zur Gesundung der Moldaurepublik und zur dauerhaften Wahrung der Eigenständigkeit des Landes ist aber eine (weitgehende Autonomie)-Regelung mit Transnistrien unerläßlich, weil dieser Landesteil gleichsam das industrielle Zentrum eines Landes darstellt, das sich zwar im äußersten Westen der einstigen UdSSR befindet, dessen Wirtschaft aber eine Struktur aufweist, die eher den zentralasiatischen Republiken entspricht. So macht der Anteil der Landwirtschaft (inklusive Forstwirtschaft) in dieser mit 33 700 Quadratkilometern nach Armenien zweitkleinsten ehemaligen Sowjetrepublik noch immer 50 Prozent aus, wobei in diesem Zweig etwas mehr als ein Drittel der Bevölkerung beschäftigt ist. Die Industrie umfaßt knapp 30, der Dienstleistungssektor an die 20 Prozent der Volkswirtschaft.

Politisch und wirtschaftlich betrachtet hat sich Moldova auf den langen und schwierigen Marsch gen Westen begeben, wobei dieser Orientierung nicht nur die grundlegende Abhängigkeit von Rußland (Energie) und der Ukraine (Außenbeziehungen) sowie der GUS als Haupthandelspartner entgegensteht. Dornig ist der Weg auch aus historischen Gründen, wobei sich Moldawien als Hauptgebiet des ehemaligen Bessarabiens noch lange mit dem komplexen Erbe der russischen und sowjetischen Großmacht- und Russifizierungspolitik wird befassen müssen (z. B. Moldawisch war Rumänisch in kyrillischer Schrift). Dornig ist aber auch der Weg aus sozialen Gründen, ist doch die Lage der Bevölkerung knapp sechs Jahre nach dem Zerfall der UdSSR weiter äußerst schwierig, ja zumindest in einigen ländlichen Gebieten sogar tragisch zu nennen, was etwa die fehlende medizinische Versorgung betrifft. Während von den im März bevorstehenden Parlamentswahlen zumindest eine Klärung der weiteren Richtung der Wirtschaftspolitik zu erwarten ist, kann mit einer Besserung der sozialen Lage nicht so rasch gerechnet werden. In dieser Situation greift auch die katholische Kirche ein, die in einigen Dörfern durch Ausspeisungen sicherstellt, daß Kinder wenigstens eine warme Mahlzeit bekommen. Doch die Hilfe, die von deutschen und österreichischen Kolpingsfamilien und anderen kirchlichen Einrichtungen angeboten wird – wie etwa auch die Errichtung einer Zahnarztpraxis in einem Dorf – kann die bestehende Not nur punktuell lindern, der lange Marsch zu Wohlstand und gesicherter Eigenständigkeit ist für die Moldau noch mit vielen Fragezeichen behaftet, wobei insbesondere die EU weit mehr tun könnte, um diesem Saat den Weg heraus aus der sowjetischen Vergangenheit zu erleichtern.

 
     
     
 
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