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Auf den ersten Blick

 
     
 
Suche humorvollen netten Mann. Meine Augen spähten bisher vergeblich. Meine Gedanken sehnen sich nach Zweisamkeit. Auch ich möchte wieder Licht in deine Seele bringen. Ich mache meine Fenster und mein Herz weit auf, damit du hineinschweben kannst. Zögere nicht länger! Eine üppige Blondine mit guten Umgangsformen erwartet Dich."

Kurt Pieleblau las die Annonce mehrere Male und trank zwi-schendurch immer wieder ein Schlubberchen Kaffee
. Er las es sich sogar laut vor. Das hörte sich gar nicht mal schlecht an. Er tat sich etwas schwer mit Frauen. Diese schien ja eine besonders romantische Seele zu haben. Eigentlich kam das ja seiner diesbezüglichen Schüchternheit entgegen. Er konnte sich da manches ganz gut vorstellen. Allerdings hatte das Ganze ein Hindernis, dieses mit dem Durch-das-Fenster-Schweben. Wenn es auch nur Phantasie war, sie hatte dabei an einen schlanken Mann gedacht. Und hier war der Haken. Er schleppte nämlich stolze 110 Kilo mit sich herum. B.m.B. stand dann da noch vor der Chiffre-Nummer. Was das wohl heißen sollte? Zuerst hatte er es abgekürzt als Bombe übersetzt, jedoch noch mit so einem kleinen Wörtchen davor. Konntst wissen? Nach weiteren Studien in anderen Anzeigen erkannte er aber, daß dies "Bitte mit Bild" hieß. Schade. Erbarmung, er besaß doch gar kein Bild mehr. Na ja, er könnte das aus dem alten Ausweis nehmen. Da sah er auch noch ganz passabel aus, war ja so n bißchen seitlich im Profil ...

So zögerte er nicht lange, ehe sein Selbstvertrauen womöglich wieder flöten ging. Er kannte sich viel zu gut. Er fand einen einigermaßen guten Bogen Papier und begann zu schreiben:

Mein sehr verehrtes Fräulein! Beim Lesen Ihrer Annonce hatte ich sofort das unabdingbare Gefühl, daß Sie beim Schreiben derselben an mich gedacht haben müssen. Schon bei den Gedanken Ihres Wunsches muß die Telepathie uns vereint haben. Auch ich möchte Tor und Tür zu meinem Herzen öffnen, um Sie als schwebende Jungfrau durch mein weit geöffnetes Fenster in meinen Armen aufzufangen.

So ungefähr schwafelte er noch einige Zeilen weiter und war mit seinem Werk ganz zufrieden.

Nach vier Wochen sah Kurt Pieleblau diesen Weg als gescheitert an. Die Dame schrieb nicht zurück. Dann jedoch kam eines Tages ein Brief von einer Albertine Eisenblätter, was ihn sehr verwunderte.

"Sehr geehrter Herr Pieleblau", stand in dem Brief. "Sollten Sie immer noch Wert auf eine gute Putzfrau legen, dann sollten Sie sich noch einmal bei mir melden. Leider konnte ich nicht früher antworten, weil ich zu viele Angebote bekommen habe. Jetzt ist die schlimmste Zeit des Saubermachens vorbei und ich könnte mich auch um Sie kümmern. Ein Bild wäre aber nicht nötig gewesen, ich wäre trotzdem gekommen. Ich muß Ihnen aber sagen, daß ich Sie noch ganz attraktiv finde. B.m.B. sollte übrigens heißen: ,Bin mit Bus und kostet extra."

O nein, o nein, das war ja nun für Kurtchen entsetzlich niederschmetternd, wie war das nur möglich gewesen, wie hatte das passieren können? War er einfach in die falsche Spalte gerutscht oder war es ein Versehen der Zeitung? Alles könnte aber auch ein Wink des Schicksals sein. Auch Putzfrauen haben Herzen und Seelen. Vielleicht könnte er hier sogar zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ein Großputz aus weiblicher Hand könnte seiner Wohnung doch auch nicht schaden! Pfeifend ging er den Staubsauger holen und schwebte mit ihm auf Zehenspitzen, so wie übend, zum weit geöffneten Fenste
 
     
     
 
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