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See von Ehrbegriffen

 
     
 
„Ein Buch? Hat der Chef von Porsche nicht etwas Besseres zu tun?“ Mit dieser durchaus berechtigten Frage beginnt das Buch von Wendelin Wiedeking. Was der Leser sodann auf 236 Seiten erfährt, könnte man am besten als Erbauungs-Lektüre bezeichnen. Hier hat sich einer von altem Schrot und Korn den Frust von der lauteren Seele geschrieben – könnte man meinen. Einer, der sein Manager-Herz noch an der rechten Stelle trägt. Wiedeking pranger
t an. Schreibt von „getunten Quartalsberichten“, „windschnittigen Managementzöglingen“, „Jüngern des Shareholder-Value“ und sogar von „Sozialrambos“!

Wann hat man dagegen letztmals den Begriff „Vertrauen“ im Zusammenhang mit Managern gelesen? Wann „Verantwortungsbewußtsein“? Dazwischen lesen wir von „Vorbildern“, „Integrität“, „sozialer Kompetenz“, „Fairneß“, „Fleiß“, „Zielstrebigkeit“, „Gemeinwohl“ schließlich sogar von „Glaubwürdigkeit“. Das Ganze gipfelt in dem alten – natürlich westfälischen – Motto: „Ehr is Dwang gnog“. Was soviel bedeutet wie: „Ehre ist Zwang genug“. Ein toller Spruch! Er steht noch heute in großen Lettern auf goldgelben Grund in Münster – natürlich in Westfalen. Und zwar an der Wand des Krameramtshauses der traditionsreichen Kaufmannschaft, wie wir im Kapitel „Zocker und Zyniker“ erfahren. Das waren noch Zeiten! Zwischenzeitlich kommt freilich der Eindruck auf, der Autor bade gleichsam in einem See von Ehrbegriffen. Wiedeking genießt jeden Wellenschlag. Ganz zwanglos erfährt man, daß er sogar die Ehre hatte, den „Peter-Stihl-Preis“ verliehen zu bekommen. Den erhalten Personen, die sich „um die Entwicklung der Stadt Stuttgart und ihres Umlandes verdient gemacht haben“. Der gute Westfale Wiedeking. Er hat ja sooo recht. Man ist versucht, an jeden seiner Sätze einen Haken zu machen. Das ganze Geschreibsel hat indes einen weiteren Haken. Ehrendoktor Wiedeking praktiziert exakt das, was er wortreich anprangert.

Die horrenden Gewinne macht er nämlich nicht „im Herzen von Baden-Württemberg, dem Hochlohnland im Hochlohnland Deutschland“. Die stammen aus dem Ausland. Mehr als 20000 Boxter und Cayman laufen bei Valmet in Finnland vom Band. Die Finnen arbeiten – Porsche kassiert. Noch mehr Profit macht Porsche durch Billig-Arbeiter im Osten. Wiedeking verbreitet die Mär, der Cayenne entstehe in Leipzig. Der Wagen läuft indes im Osten vom Band. In der VW-Fabrik in Preßburg. Dort erhalten die Arbeiter 1/6 der deutschen Löhne. Dafür arbeiten sie 42 Stunden pro Woche – mit vier Schichtbesatzungen. Um den Grad der Fertigstellung zu vertuschen, läßt man Räder und Motor weg. Auf Paletten gelangt der Porsche nach Leipzig. So entsteht der Eindruck, der Cayenne werde erst dort zum „Porsche“. Bei VW macht daher der kecke Spruch die Runde: „Vier Schrauben und der Porsche ist fertig.“ Made in Germany – á la Wiedeking! So viel zum Thema „Glaubwürdigkeit“ des ehrbaren Westfalen. Ob das nun „Basar-Ökonomie“ ist, im Sinne Sinns, oder doch eher „Parasit-Ökonomie“, muß sicher noch präzise geprüft werden. Möglich wurde das innovative Porsche-Profit-Modell nämlich erst durch die Hilfe von Porsche-Eigner und VW-Aufsichtsratchef Ferdinand Piech.

Nun wird auch dem Dümmsten klar, was der Westfale mit seinem Einstieg bei VW bezweckte. „Wir wollten einfach nur unser in den vergangenen Jahren so erfolgreiches Geschäftsmodell absichern“, erfahren wir dazu in seinem Buch. Das ist ehrlich! Welcher Parasit läßt sich schon gerne das Wirtstier nehmen? Ob das allerdings „die Orientierung ist, die die Eliten in Wirtschaft und Politik in diesen Umbruchzeiten vermitteln sollten“, ist mehr als fraglich. VW-Aufsichtsrat Wiedeking sollte seinem Kollegen Wulff lieber beim „Ausmisten“ von VW helfen. Statt dessen sollen Bordell-Besuche vormaliger VW-Kollegen von der Versicherung bezahlt werden. Untreue finanziell „legalisiert“!

Wendelin Wiedeking: „Anders ist besser – Ein Versuch über neue Wege in Wirtschaft und Politik“, Piper, München 2006, 240 Seiten, geb., 19,90 Euro, 5930

 
     
     
 
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