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Ausbildungsplatzabgabe ändert nichts an der geringen Eignung der Bewerber

 
     
 
Was Bundeskanzler Schröder bereits in seiner Regierungserklärung angedroht hatte, soll nun in die Tat umgesetzt werden: Betriebe, die nicht oder nicht ausreichend junge Leute ausbilden, werden mit einer Sondersteuer belegt. Die SPD-Bundestagsfraktion hat mit großer Mehrheit ein Papier beschlossen, in dem die Forderung einer Ausbildungsplatzabgabe enthalten ist, wie vorher die Fraktionsführung ohne Gegenstimme festgelegt hatte. Dagegen konnte sich auch Wirtschafts
minister Clement nicht durchsetzen, der als einsamer Kämpfer zu bedenken gab, daß durch die neue Belastung der Wirtschaft Arbeit in Deutschland noch teurer würde. Vermutlich will Kanzler Schröder den linken Flügel seiner Partei ruhigstellen, dem die Regierung längst nicht genug in die deutsche Wirtschaft eingreift.

Die Einnahmen aus der zusätzlichen Arbeitsplatzsteuer will die Regierung in einen Fonds leiten, der die Aufgabe hat, "vorrangig betriebliche Ausbildungsplätze zu schaffen." Da will offenbar der Staat nun die jungen Frauen und jungen Männer ausbilden, ein Vorhaben, das in dieser Art noch nie funktioniert hat. Es steht auch zu vermuten, daß die Bundesverwaltung wie auch die Länderverwaltungen hier und da Nachholbedarf an Ausbildungsplätzen haben, so daß dann Steuergelder als Strafe fällig würden. Aber man hat s ja ...

Der Öffentlichkeit ist nicht ganz klar, auf welcher Grundlage die Sondersteuer beschlossen worden ist. Durch die Medien geistern unterschiedliche Zahlen von Jugendlichen, die keine Ausbildungsstelle finden: Da liest man von einem Lehrstellendefizit für 24.000 junge Leute, es wird aber auch die Zahl 40.000 in die Debatte geworfen. Die Wirtschaft zweifelt die Zahlen an. Und die Praxis scheint ihr recht zu geben.

Da will die Industrie- und Handelskammer zu Kiel die Probe aufs Exempel machen und fordert von der zuständigen Arbeitsverwaltung die Unterlagen über jene Jugendlichen an, die angeblich einen Ausbildungsplatz suchen, aber nicht finden. Die Arbeitsämter hatten bislang behauptet, es handele sich im IHK-Bezirk um 700 Jugendliche. Als die Wirtschaft die Unterlagen dieser 700 anforderte, waren es nur noch 600. Sie wurden in einer Nachvermittlungsaktion, an der sowohl die Arbeitsämter als auch die Vertreter der Ausbildungsbetriebe teilnahmen, individuell angeschrieben und zu einem Gespräch über eine Lehrstelle eingeladen. Die Ergebnisse waren niederschmetternd. Nur ein Bruchteil der angeschriebenen Jugendlichen erschien. Der Rest ist, wie der Präsident der IHK, Süverkrüp, sagt, "nicht ernsthaft interessiert". In Kiel kamen von 87 Angeschriebenen ganze 16, in Elmshorn nur 14 von 38, in Neumünster waren es von 46 lediglich 29 und in Rendsburg erschienen von den 40 Aufgeforderten gerade einmal 20. Für fast alle der Erschienenen konnten Lehrstellen gefunden werden. Die Beweggründe jener, die die Einladung ignorierten, sind unklar. Offensichtlich sind es zum Teil Scheinbewerber oder junge Leute, die bereits anderswo einen Ausbildungsplatz gefunden haben, was das Arbeitsamt nicht erfuhr, so daß sie in seiner Statistik immer noch als arbeitssuchend registriert waren. So werden die Gesamtzahlen in die Höhe getrieben, was den politisch Verantwortlichen gut in den Kram passen dürfte.

Der Handwerkskammerpräsident Philipp ist jedenfalls der Ansicht, daß hinter den vielen offenen Fällen keine ernsthaften Bewerber stehen. Das Handwerk hat bislang 170.000 Jugendliche mit einer Lehrstelle versorgt, und das angesichts der Tatsache, daß in dieser schwierigen Wirtschaftslage die Konkurse von Betrieben zunehmen und damit auch Tausende von Ausbildungsstellen verlorengehen. Gerade manchen mittelständischen Unternehmen fehlt einfach das Geld, um Jugendliche auszubilden, denn es ist eine alte Erfahrung: Der Lehrling kostet im ersten Ausbildungsjahr, und das nicht so knapp; im zweiten Jahr gleichen sich Kosten und Nutzen einigermaßen aus, und erst im dritten Ausbildungsjahr sind die jungen Leute für den Betrieb produktiv tätig. Die im Laufe der Jahrzehnte in vielen Branchen gewaltig gestiegenen Lehrlingsgehälter seien den jungen Leuten gegönnt, doch erweist sich jetzt deren Höhe als Hindernis für die Schaffung von Ausbildungsplätzen.

Es war in der letzten Zeit deutlich geworden, und die Öffentlichkeit hatte von der bitteren Tatsache auch endlich Kenntnis genommen, daß eine erschreckend hohe Zahl von Schulabgängern ausbildungsunfähig ist. Das bleibt bei der verhängten Strafsteuer für Betriebe unberück-sichtigt, ebenso wie das Faktum, daß viele ausländische Jugendliche erhebliche Lücken in der Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift aufweisen und daher schwer in Ausbildungsbetriebe zu vermitteln sind. Kiel war auch Schauplatz einer Veranstaltung, die ein bestürzendes Bild von dem Weltbild junger Leute, die demnächst ins Berufsleben treten werden, vermittelt. Es hatte der "Arbeitskreis berufliche Integration von Jugendlichen in Kiel-Gaarden", einem Stadtteil mit einem hohen Ausländeranteil, Schülerinnen und Schüler eingeladen, sich von nur wenige Jahren Älteren, die bereits in der Berufsausbildung stehen, über die verschiedenen Berufe und ihre Anforderungen informieren zu lassen. Die große Masse der Eingeladenen war nicht interessiert und erschien gar nicht erst. Die Azubis, die bereit waren, über ihre Berufe Auskunft zu geben, waren tief enttäuscht. Sie vermißten bei den wenigen, die gekommen waren, jegliches Interesse, wie die Lokalpresse berichtete. Die Fragen, die gestellt wurden, waren einfältig. So schüttelte die Auszubildende zur Friseurin, Saman Rafiq, den Kopf über absurde Fragen wie etwa die, ob man mit den Kunden auch flirten dürfe. Der Gärtnerlehrling wurde von jenen, die im nächsten Jahr in den Beruf eintreten, mehrmals gefragt, ob sie denn auch Cannabis anbauen. Darüber hinaus ging das Interesse nicht.

Offenbar träumen die jungen Leute, verführt durch idiotische Fernsehsendungen, davon, Superstars zu werden, und das ohne jede Ausbildung und Anstrengung.

Was die Lehrer, die die Aktion begleiteten, dazu zu sagen wußten, zeugt von Hilflosigkeit. Was man tun könne für die antriebslosen Jugendlichen, um ihnen den Weg in den Beruf zu ermöglichen, wurde gefragt. "Wir müssen die Schüler noch mehr an die Hand nehmen", lautete die nichtssagende Antwort.

Angesichts dieser Tristesse bei nicht wenigen jener jungen Leute, die ins Berufsleben eintreten müssen, fragt man sich, welchen Sinn die Arbeitsplatzabgabe haben soll. Was die Wirtschaft nicht schafft, wird der Staat erst recht nicht auf die Reihe bekommen.

Das Lehrstellendefizit ist nicht genau bestimmbar. Jugendliche erkennen nicht den Ernst der Lage
 
     
     
 
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