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Bald Funksalat bei der Hauptstadt-Polizei?

 
     
 
Der Raser wird in Berlin-Zehlendorf von der Polizei verfolgt. Er entkommt nach Kleinmachnow im Land Brandenburg. Die Berliner Polizisten möchten ihre Brandenburger Kollegen um Amtshilfe bitten. Dazu müssen sie jedoch erst ihre Leitstelle in Berlin anfunken, die wiederum telefonisch Kontakt mit der Brandenburger Leitstelle aufnimmt. Denn weil die Brandenburger Polizei einen anderen Funkstandard nutzt als die Berliner, ist direkter Kontakt der Beamte
n unmöglich. Die Brandenburger Stelle informiert also die Kollegen vor Ort. Auch alle weiteren Absprachen laufen auf dem komplizierten Umweg. Wenn alles "durch" ist, könnte der Raser schon in Sachsen-Anhalt, angekommen sein.

Dies ist bislang nur ein Schreckens-szenario, das jedoch in nicht allzu ferner Zukunft Wirklichkeit werden könnte. Anschaulich geschildert von einem Berliner Mobilfunkhändler. Tatsache ist, daß die polizeiinterne Kommunikation in der Hauptstadt vom Zusammenbruch bedroht ist. Der Grund: Amtsschimmel. Das Problem hat sich nach und nach eingeschlichen. Vor rund zehn Jahren haben die einzelnen Dienststellen die ersten Diensthandys angeschafft. Technisch gesehen war der herkömmliche Polizeifunk - der obendrein nicht abhörsicher ist - den Anforderungen nicht mehr gewachsen. "Wir sind kommunikationstechnisch auf dem Stand von 1971. In Europa nutzt nur Albanien noch so alte Technik", so ein Polizei-Insider.

Die Lösung liegt eigentlich auf der Hand: Digitaler Bündelfunk. Diese neue Technik wird in den meisten Staaten längst angewandt und ist abhörsicher. Zudem funktioniert sie wie ein Telefonnetz. Die Polizisten könnten auch untereinander kommunizieren statt nur über die Leitstelle. Doch der Teufel liegt im Detail. Erstens gibt es zwei unterschiedliche Standards, "Tetrapol" und "Tetra 25". Untereinander könnten diese beiden Standards nicht ohne weiteres kommunizieren. Die Entscheidung, welches System eingeführt wird, obliegt den Bundesländern, denn Polizei ist "Ländersache". Führt Brandenburg "Tetrapol" ein und Berlin "Tetra 25", dann scheitert die Amtshilfe über die Ländergrenze am Funkstandard.

Bis der neue Standard eingeführt ist, werden ohnehin Jahre vergehen. So spekuliert ein Mobilfunkhändler, der mit der Berliner Polizei gerade über die Anschaffung der Geräte verhandelt, daß dies bis zur Fußball-WM 2006 nicht zu bewerkstelligen sei. "Obwohl eine Berliner Polizeidirektion testweise mit dem neuen digitalen Bündelfunk ausgestattet ist, wird das flächendeckend wahrscheinlich erst 2008 der Fall sein", sagt er im vertraulichen Gespräch.

Um die Zeit bis dahin zu überbrücken, wurden Diensthandys angeschafft. Das ist teuer: Für jeden Handyvertrag fällt eine monatliche Grundgebühr an - in der Regel etwa zehn Euro. Außerdem sind die Gesprächsgebühren enorm. Gerade bei älteren Verträgen schlägt eine Minute tagsüber schon mal mit einem Euro zu Buche. Die Direktion, mit der gerade über Bündelfunk verhandelt wird, hat mittlerweile rund 900 Verträge mit Mobilfunknetzbetreibern. Richtig Steuergeld kostet, daß im Laufe der Jahre unterschiedliche Anbieter gewählt wurden. Das läßt insbesondere die Kosten für Gespräche der Polizisten untereinander explodieren. Deren Jahresetat 2004 war so bereits im April ausgeschöpft.

Am besten wäre es, wenn eine Direktion alle Verträge bei einem Anbieter hätte. Denn untereinander telefonieren etwa E-plus-Kunden für weniger als vier Cent pro Minute. Die laufenden Kosten hätten dadurch um schätzungsweise 80 Prozent gesenkt werden können. "Halt!" rief da jedoch das Landespolizeiverwaltungsamt (LPVA), als mehrere Direktionen kostenbewußt zu einem einzigen Anbieter wechseln wollten. Diese Investition übersteige den Rahmen von 2.500 Euro, so die leitende Behörde. Damit könne die Direktion dies nicht mehr eigenständig entscheiden, sagten die LPVA-Bürokraten. Vielmehr müsse eine europaweite Ausschreibung erfolgen. Und die dauert. Da waren allerdings einige Verträge bei anderen Anbietern bereits gekündigt. Das LPVA hat den Dienststellen jetzt untersagt, neue Verträge abzuschließen. Laufen nun die gekündigten Verträge aus, so stehen Polizisten selbst ohne Handy da. Und ohne den neuen Bündelfunk.

Es gibt noch einen weiteren Grund, warum die Behörde keine Alleingänge der Direktionen wünscht: Angeblich hat das LPVA ohne Wissen der Direktionen teilweise bestehende Handyverträge verlängert. Dafür spendiert der Netzbetreiber alle zwei Jahre ein neues Gerät. Diese wurden dann aber anderen Direktionen zur Verfügung gestellt, die neue Geräte noch nötiger hatten. "Die wissen nicht, was sie wollen", lautet das Fazit des Geschäftsmanns, der monatelang mit der Polizeidirektion über die Anschaffung neuester Technik verhandelt hat.

 
     
     
 
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