|  | Diese Begebenheit, die ich euch erzählen will, liegt nun schon sehr lange zurück. Es     geschah damals, als mein Großvater ein Junge war und mit seinen Eltern auf einem     Bauernhof in Gartenberg, Kreis Treuburg, lebte. "Jedes Jahr kam er zwei- oder     dreimal", so erzählte mein Großvater. Großvater meinte den Moses, der mit seinem     Wagen und seinem alten Schimmel auf den Hof kam, um zu handeln und zu verkaufen.
 ",Na, Moses, was hast du Schönes gebracht? fragte mein Vater. Und der Moses     hatte erstaunlich viel. Für den Haushalt Töpfe und Pfannen, für die Wirtschaft Spaten,     Forken und Nägel, und sogar schöne Tücher und Spitzen für die jungen Frauen und     Mädchen hatte der Moses. Uns Jungen interessierten aber andere Sachen, die wir kaum     anderweitig bekommen konnten. Der Moses hatte billige Messer. Dittchen-Messer, sagten wir.     Er hatte aber auch Angelhaken
   und Käscher, Nadeln und Zwirn, blanke Knöpfe und alles,     was so ein Jungenherz erfreut. Die Schwierigkeit war nur das Bezahlen, denn Geld hatten     wir nicht, auch unsere Eltern waren immer knapp bei Kasse. Der Moses kannte unsere Not und     kaufte alles, was er wieder weiterverkaufen konnte. Pferdehaare, Schaffelle und überhaupt     alle Felle. Bei mir waren es die Kaninchenfelle und ab und zu auch mal ein Iltis- oder gar     ein Marderfell. Fallen stellen an den Gebäuden war ja nicht verboten. Manchmal gab es     Streit mit den Nachbarn, wer wo seine Fallen aufstellen durfte. 
 Aber zurück zum Moses! Es war jedes Mal ein Fest, wenn der Moses kam, jedenfalls für     uns Jungen. So arm wie der Moses mit seinem Gespann aussah, war er gar nicht, denn er     verdiente gut, weil er ja den Preis für die Ware bestimmte, und Konkurrenz hatte er     nicht. Seine ärmliche Aufmachung gehörte zum Geschäft, hatte er mal einem im Vertrauten     gesagt.
 
 Jeder, auch der beste Geschäftsmann, hat mal Pech, der Geschäftsmann nennt das     Unternehmerrisiko. Von diesem Pech will ich euch nun noch berichten. So unerschöpflich,     wie uns der Wagen von Moses schien, konnte er ja nicht sein. Irgendwo in Treuburg hatte er     ein Lager, aus welchem er seinen Wagen wieder auffüllte. Dann war es wieder soweit: Der     Moses mußte nach Treuburg. Ihr kennt doch die Straße zwischen Treuburg und Goldap? Aus     Stoßnen kommend, befuhr der Moses die Goldaper Chaussee. Immer Schritt für Schritt, denn     laufen konnte der alte Schimmel nicht.
 
 Als sie dann so vor den Sedranker Krähenberg kamen, da passierte es. Der Schimmel war     ja schon alt, und wer weiß schon, welche Umstände da noch mitgespielt haben. Als das     Fuhrwerk in der Kurve war, wo oben rechts die Krähen lärmten und links am Hang die     Schmiede steht, da stolperte der Schimmel und fiel um. Der Moses stieg ab, machte die     Stränge und die Leine los, redete dem Schimmel gut zu und beklopfte ihn, aber der     Schimmel lag wie tot.
 
 Als dann auch die Peitsche nicht half und der Schimmel sich ausstreckte, überlegte der     Moses, was nun das Vorteilhafteste wäre. Die Abdeckerei war nicht weit, aber die wollten     ja nichts bezahlen. Moses war Geschäftsmann und sagte sich: Ich will doch wenigstens das     Fell retten. Er hatte ja alles Werkzeug auf dem Wagen und begann das Fell abzuziehen. Als     er nun so bei der Arbeit war, stöhnte der Schimmel plötzlich, sprang auf und stand auf     den Beinen. Der Moses in seiner Not holte schnell Nadel und Faden, das er ja auch auf dem     Wagen hatte und nähte das Fell wieder an."
 
 Der Großvater unterbrach seine Erzählung und sah in die Runde. "Grinst nicht,     ihr Bengels, ist alles wahr, was ich euch erzähle! Ihr braucht nur den Schmied am     Sedranker Berg zu fragen, der hat alles gesehen. Ihr denkt womöglich, ich will euch     belügen."
 
 Als wir Jungen wieder ernst wurden, setzte der Großvater seine Erzählung fort.
 
 "Als alles so einigermaßen gelungen war, spannte er seinen Schimmel wieder an und     fuhr gut gelaunt und recht stolz auf seine Tüchtigkeit weiter. Moses überlegte gerade,     ob er sich nicht zum Tierarzt geeignet hätte, da wurden seine Gedanken durch neue     Ereignisse gestört.
 
 Unterdessen war das Gefährt den langen Berg heruntergekommen, bis zu der bekannten     Pferdetränke am Treuburger See, der ja in Sedranken anfängt. Die Straße führte damals     dichter am See vorbei. Der Schimmel hatte nach der überstandenen Operation mächtigen     Durst bekommen. Als er nun das Wasser sah, zog er gleich hinein. Anfangs dachte der Moses:     Ist ja normal, daß das Tier Durst hat nach der überstandenen Operation. Als der Schimmel     immer tiefer ging, hielt der Moses die Leine so fest er konnte, doch die alte Kodderleine     zerriß.
 
 In seiner Not packte der Moses den Schimmel am Schwanz und hielt mit allen Kräften. Da     rissen die Nähte im Fell. Der Schimmel zog sich selbst das Fell über den Kopf und     verschwand splitternackt in den Fluten. Der Moses aber hielt mit aller Kraft den Schwanz     fest, und am Schwanz hing das Fell.
 
 Als er den größten Schreck überstanden hatte, stellte sich wieder sein     Geschäftssinn ein: Nun habe ich doch noch das Fell gerettet.
 
 Ja, so war das damals", fuhr der Großvater fort. "Aber ich sagte schon, daß     der Moses nicht arm war. Es dauerte nicht lange, und der Moses erschien wieder auf unserem     Hof mit genau so einem Schimmel und demselben Wagen, darauf die von uns so begehrten     Gegenstände."
 
 
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