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Berliner Appell

 
     
 
Die Vertreibung von fast 15 Millionen Deutschen aus ihrer angestammten Heimat war schwerste Menschenrechtsverletzung, die in einigen Vertreiberstaaten bis heute ungeheilt geblieben ist.

Wir wissen, daß die Staaten Europas unter der nationalsozialistischen Diktatur und Besatzung sehr gelitten haben, insbesondere Polen. Deutschland als Nation hat dafür bitter gebüßt. Aber fast 15 Millionen Deutsche, mehr Menschen, als Schweden und Norweger zusammen Einwohner haben, wurden darüber hinaus schuldlose Opfer schwerster Menschen- und Völkerrechtsverletzungen durch Vertreibung aus der Heimat, Deportation, Zwangsarbeit, Vergewaltigung, Enteignung und Mißhandlung noch lange nach Kriegsende. Über zwei Millionen Deutsche, vor allem Frauen und Kinder, haben diesen Leidensweg nicht überlebt.

Staaten wie Ungarn, Estland, Lettland, Litauen und Rumänien haben die verletzten Menschenrechte
der Heimatvertriebenen, der Um- und Aussiedler durch Entschädigungsregelungen oder Rückkehrangebote aus eigener Einsicht und Erkenntnis aufgearbeitet. Zum Teil sogar mehr als symbolisch.

Polen und die Tschechische Republik sind fast die einzigen beitrittswilligen Länder zur Europäischen Gemeinschaft, die sich noch jeglicher Aufarbeitung dieser schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen versperren. Dabei ist die Vertreibung der allermeisten Deutschen von ihnen zu verantworten.

Wir appellieren an alle Polen und alle Tschechen, sich als Demokraten in ihren freien Staaten mit diesem Teil der eigenen Geschichte verantwortungsvoll auseinanderzusetzen. Sie haben die Chance und die Möglichkeit, heute das Vertreibungsunrecht zu heilen. Und sie haben auch die Fähigkeit dazu, wenn der Wille vorhanden ist. Menschenrechte, Minderheitenrechte und Völkerrecht können jetzt fest Wurzeln schlagen.

Die Europäische Union ist bereit, sie als Reformstaaten Schritt um Schritt aufzunehmen. Deutschland und mit ihm auch wir Heimatvertriebenen unterstützen diesen Weg. Aber :

• Wir erwarten dazu von der polnischen und tschechischen Regierung, daß sie sich ihrer Verantwortung für die Vertreibung und ihre Folgen stellen und sich konstruktiv und offen mit den noch ungelösten Fragen der deutschen Heimatvertriebenen auseinandersetzen und im Zusammenwirken mit uns zu einer für beide Seiten tragbaren Lösung der Vertreibungsfolgen kommen. Basis dafür muß die Erklärung der UN-Menschenrechtskommission sein.

• Wir erwarten, daß ein wahres Bild der deutsch-polnischen Nachkriegsgeschichte gezeichnet wird und daß die Vertreibung der Deutschen nicht länger fälschlich als unabwendbare Notwendigkeit entschuldigt wird. Dazu gehört auch, daß die polnische Geschichtsschreibung die vielhundertjährige Tradition deutscher Städte nicht auslöscht.

• Wir erwarten, daß in der Tschechischen Republik die Vertreibung der Sudetendeutschen nicht länger als richtiger und notwendiger Akt betrachtet wird, sondern als das, was sie war, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Benesch-Dekret dürfen keine Gültigkeit behalten.

• Wir erwarten, daß heimkehrwillige Vertriebene und ihre Nachkommen in Würde in ihre Heimatorte zurückkehren können.

• Wir erwarten, daß Polen und die Tschechische Republik Entschädigungsregelungen für die Heimatvertriebenen treffen.

• Wir erwarten, daß Polen und die Tschechische Republik Mordtaten an Deutschen mit der gerechten Strafe belegen.

Es gibt inzwischen viele Freundschaften von Mensch zu Mensch zwischen Deutschen und Polen, zwischen Deutschen und Tschechen. Über die Gräben der Vergangenheit hinweg sind menschliche Kontakte gewachsen, die weiter reichen als die politischen Gemeinsamkeiten. Die Begegnungen von Mensch zu Mensch, die grenzüberschreitende Kulturarbeit, die Wiederaufbau- und Renovierungshilfen haben mittlerweile ein größeres Ausmaß erreicht und funktionieren problemloser als die offizielle politische Zusammenarbeit.

Wir Heimatvertriebenen lieben unsere Heimatgebiete, aber wir respektieren auch die Würde der Menschen, die heute dort leben. Und wir wollen nicht, daß andere Menschen vertrieben werden.

Von hier aus, aus Berlin, in der Nachbarschaft von Potsdam, richte ich einen Appell an das polnische und das tschechische Volk und ihre Regierungen:

Die freiwillige und nicht die erzwungene Auseinandersetzung mit unserem Vertreibungsschicksal und die Heilung dieser großen europäischen Wunde wird Polen und die Tschechische Republik freimachen für die eigene demokratische Zukunft, sie wird ganz Europa bereichern.

Bewegen Sie Menschenrechte, Völkerrechte und Minderheitenrechte für uns in Kopf und Herzen und setzen Sie sie um. Lassen Sie uns gemeinsam die Wunden reinigen, die dieses Jahrhundert Millionen unschuldiger Menschen zugefügt hat.

Dann werden wir gemeinsam in ein neues Jahrtausend des Friedens gehen.

 

 
     
     
 
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