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Berlins Ansehen unterm Bulldozer

 
     
 
Am Checkpoint Charlie herrscht seit dem 5. Juli eine merkwürdige Stimmung: Mitten in der Stadt befinden sich rechts und links der Friedrichstraße zwei Brachen. Bis zu jenem denkwürdigen Dienstagmorgen waren hier Touristen hergeströmt, um Alexandra Hildebrandts Mauermahnmal zu besichtigen. Jetzt ist das Gelände der BAG-Bank wieder öde Leere wie vor dem Aufbau der Mauerkreuze. Nur, daß jetzt ein Bauzaun drum herum steht.

Doch wie sich langsam herausschält, hat Berlin nicht allein die 1.067 Opferkreuze verloren, sondern auch viel an international
em Ansehen eingebüßt durch die plumpe Räumungsaktion.

Während "alternative" Hausbesetzer jahrelang geduldet wurden, entdeckten SPD und PDS plötzlich ihre heimliche Liebe zum Privateigentum und setzten die Eigentumsrechte eines Bankinstituts in Windeseile durch. Gerade die SED-Nachfolger wirkten hier so glaubwürdig wie ein mazedonischer Hütchenspieler am Alexanderplatz.

Mit ein paar Krokodilstränen geschmückt wollten sie das unbequeme Mahnmal am liebsten unter Ausschluß der Öffentlichkeit plattmachen. Doch daraus wurde nichts. Es fing schon mit dem Frühstücksfernsehen an. In den Nachrichten-Redaktionen bei ARD, Sat1 und Co. herrscht frühmorgens immer eine ziemliche Nachrichtendürre. Welcher Politiker steht schon um 7 Uhr zum Interview bereit? Da kam die Aktion am Checkpoint Charlie - einen Steinwurf vom Regierungsviertel entfernt - gerade recht. Den ganzen Tag über berichtete das Fernsehen dann über den Polizeieinsatz und die an die Kreuze angeketteten früheren SED-Opfer. Am nächsten Tag waren alle Zeitungen voll. Und die Kommentare waren überwiegend auf der Seite der Mahnmal-Befürworter.

Selbst im Ausland wurde das Thema ausführlich behandelt. "Mehrere hundert Berliner schrien und pfiffen lautstark mitten im Regen", als die Arbeiter mit der Demontage begannen, berichtete CNN rund um den Globus. Der US-Nachrichtensender zitiert auch jene Mahnmalbefürworter, welche die Abrißarbeiter als "Vaterlandsverräter" beschimpft haben. Aber, so versichert CNN, die Existenz des nahen Checkpoint-Charlie-Museums sei nicht "in Frage gestellt". Viele US-Bürger kennen das von Rainer Hildebrandt gegründete Museum. Letztes Jahr fanden sich hier immerhin 700.000 Touristen ein, viele davon Amerikaner.

Dagegen hob die britische BBC die Unterstützung von Daimler-Chrysler, "des Fahrzeug-Giganten", hervor. Der Konzern, der auch andere kulturelle Projekte in Berlin wie den Wiederaufbau der Bauakademie fördert, hatte sich auf die Seite Alexandra Hildebrandts gestellt. Wörtlich hieß es bei der BBC nach der Demontage: "Sie (die Mahnmalbefürworter) werfen der Berliner Landesregierung - eine Koalition aus Sozialdemokraten und der vormals kommunistischen PDS - vor, sie wolle nicht an die Verbrechen des SED-Staates erinnert werden."

Der indische Nachrichtendienst "India123" schilderte, wie das Grundstück mit "Bulldozern dem Erdboden gleichgemacht" wurde. Die Inder sprachen ferner über die verzweifelten Versuche Alexandra Hildebrandts, Unterstützung von George W. Bush zu moblisieren.

Dramatisch brachte die Zeitung The Scotsman (Der Schotte) ihren Lesern die Zerstörung des Denkmals nahe: "Die Schlacht zur Rettung des wiederaufgebauten Teils der Berliner Mauer ist gestern geendet." In einer Meldung der US-Nachrichtenagentur AP, die in voller Länge in etlichen Zeitungen rund um den Erdball wiedergegeben wurde, stellt ein gewisser Wilfried Gordan die Frage: "Wo sind die Berliner?" Und läßt einen enttäuschten Mahnmal-Befürworter zu Wort kommen: "Es ist eine Schande. Es sollten 100.000 Menschen hier sein, um zu demonstrieren." Es waren aber nur ein paar hundert.

Kein Zweifel: Die deutsche Hauptstadt hat sich mit der skandalösen Aktion weltweit bis auf die Knochen blamiert. "Völker der Welt, schaut auf diese Stadt!" flehte einst Berlins Bürgermeister Ernst Reuter. Was die Völker nun zu "schauen" bekamen, machte sie schaudern.
 
     
     
 
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