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Die Milliarden der SED-PDS

 
     
 
Über die Geldoperationen der mitteldeutschen Kommunisten und ihres Ministeriums für Staatssicherheit / Von Helmut Bärwald

Vor kurzem übergab Bundesinnenminister Manfred Kanther der Bundestagspräsidentin den Abschlußbericht der "Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen des ehemaligen SED-Staates". Die Kernausagen dieses Berichtes:

1. Bis zum 31.12.1997 wurden 2,64 Milliarden
DM an Vermögen von fünf DDR-Parteien und 18 sogenannter Massenorganisationen sichergestellt, darunter 2,014 Milliarden der SED/PDS, 423,52 Millionen des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes, 64,27 Millionen der Freien Deutschen Jugend und 34,29 Millionen der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft.

2. Sichergestellt wurden auch 6129 Gebäude und Grundstücke, die der SED und anderen Parteien und Organisationen im SED-Staat gehörten.

3. Am 01.10.1989 verfügte die SED im Inland über ein Geldvermögen von 6,2 Milliarden DDR-Mark. Festgestellt wurde ein Vermögen im Ausland in Höhe von 325 Millionen DDR-Mark - aber: Vor allem im Bereich des Auslandsvermögens der SED/ PDS sind noch langwierige, durch massive Verschleierungen und Vermögensverschiebungen erschwerte und gewiß nicht immer zum Erfolg führende Ermittlungen erforderlich. Innenminister Kanther: Das Sekretariat der Kommission wird fortbestehen und weiterarbeiteten. Christian von Hammerstein, der Vorsitzende der Kommission, machte deutlich: "Die PDS hat an der Offenlegung ihres Vermögens kein Interesse. Das wirft Licht auf das Demokratieverständnis dieser Partei."

Im Mai 1992 hatte die PDS in einem notariellen Verzichtsvertrag auf ihr gesamtes, noch zu findendes Auslandsvermögen verzichtet. Offen bleibt allerdings, ob von dem bis jetzt unbekannten Auslandsvermögen der SED/PDS oder auch des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) etwas aufzufinden ist. Da sind erhebliche Zweifel angebracht.

Vor kurzem sprach das Berliner Landgericht einen ehemaligen Obristen des MfS vom Vorwurf der Veruntreuung von 17 Millionen (!) DDR-Mark frei. Dem Angeklagten könne nicht nachgewiesen werden, daß er Anfang 1990 rechtswidrig über das auf einem Geheimkonto des MfS "geparkte" Geld verfügt habe. Die Aussage des Angeklagten, er habe das Geld seit 1981 (!) für einen Geschäftspartner (welche "Geschäftspartner" hatte denn die Stasi?) in Österreich verwaltet und ihm die Summe 1990 zurückgegeben, wurde vom Gericht nicht widerlegt. Fazit: Mit Stasi-Märchen werden Millionen sicher versteckt.

Nach fast dreijähriger Tätigkeit hat der 2. Untersuchungsausschuß des Bundestages "DDR-Vermögen" im Juni seinen mit zahlreichen Dokumenten ergänzten Abschlußbericht vorgelegt. Dieser Bericht liest sich streckenweise wie ein "aus dem Leben gegriffener" Kriminalroman über die Mafia.

Der Bericht enthält zum Beispiel ausführliche Darstellungen über dunkle Geschäfte des MfS, vor allem der für die Auslandsspionage zuständigen Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) und deren enge Verknüpfung mit der vom MfS-Offizier im besonderen Einsatz, Alexander Schalck-Golodkowski, geleiteten "Kommerziellen Koordinierung" (KoKo) im Ministerium für Außenhandel. Die Untersuchungen ergaben zweifelsfrei: Das MfS und der Bereich KoKo waren finanziell, personell und operativ eng verflochten. Einerseits deponierte das MfS zur Zinserwirtschaftung im Bereich KoKo, andererseits wurden dem MfS vom Bereich KoKo Finanzmittel zur Verfügung gestellt.

Schalck berichtete zum Beispiel am 28.01.1986 dem lieben Genossen Honecker schriftlich, daß uns (von der KoKo) "aus der operativen Tätigkeit des Ministeriums für Staatssicherheit" 20 Millionen DM (!) überwiesen wurden. Mit "kommunistischem Gruß" bittet der Genosse Schalck um Kenntnisnahme. Aus einem internen Vermerk der Abteilung Finanzen des MfS vom 10.02.1986 geht hervor, daß am selben Tag zwischen dem Leiter dieser Abteilung und einem Abteilungsleiter aus der KoKo eine Abstimmung über die dort deponierten Valuten des MfS erfolgte. Dabei ging es offensichtlich um die genannten 20 Millionen DM, die sich zusammensetzten aus rund 12,8 Millionen DM und um in ca. 7,2 Millionen DM umgetauschte 3,050 Millionen US-Dollar.

Auf Weisung des DDR-Ministers für Staatssicherheit, Erich Mielke, wurden "außerplanmäßige DM-Einnahmen operativen Diensteinheiten" an die KoKo mit dem Ziel überwiesen, daß mit diesen Mitteln "gearbeitet und Zinsen erwirtschaftet" werden sollten. Bei Bedarf wurden dann wiederum DM-Beträge "auf Weisung des Ministers" zur Finanzierung bestimmter Maßnahmen abgerufen. Gleichfalls auf Weisung des Ministers wurden Bargeldbeträge in Deutscher Mark, die aus "operativen Vorgängen von Diensteinheiten" stammten, als sogenannte DM-Reserve beim "Sonderbereich" der MfS-Finanzverwaltung in bar verwahrt. Diese Mittel wurden zur Finanzierung zusätzlicher Aufgaben außerhalb des bestätigten Valutadienstleistungsplanes eingesetzt.

Bei der sicherlich immer lückenhaft bleibenden Antwort auf die Frage, auf welche Weise das MfS in den Besitz derartig großer Mengen Valuta gekommen ist, ist ein Hinweis auf Feststellung des Bundestags-Untersuchungsausschusses zum "Sonderkonto 528", dem sogenannten Mielke-Konto, bei der KoKo angebracht, über das der Großteil der finanziellen Transaktionen mit Devisen aus dem Bereich MfS abgewickelt wurden. Dieses Konto wurde vor allem mit Mitteln aus Geschäften des Bereiches KoKo in der "DDR" und im westlichen Ausland bedient. Zu den Geldquellen zählten auch Zahlungen westdeutscher Unternehmen , die angeblich gegen "DDR"-Gesetze verstoßen hatten und vom MfS zu "Wiedergutmachungszahlungen" erpreßt wurden. Auch Gewinnabführungen von Unternehmen im SED-Staat und im westlichen Ausland wurden auf dieses Konto eingezahlt.

Über das tatsächliche Vermögen des MfS konnten die außerordentlich schwierigen Ermittlungen keine Klarheit bringen. Gewisse Rückschlüsse lassen sich vielleicht aus den festgestellten umfangreichen Geldverschiebungen ziehen, wie zum Beispiel aus der Tatsache, daß in der Zeit vom 01.10.1989 bis zum 30.04.1990 von den Konten des MfS bzw. deren Fortsetzungsbehörde Amt für Nationale Sicherheit (AfNS) bei der "Staatsbank der DDR" mehr als 700 Millionen DDR-Mark abgehoben worden sind. Vielsagend ist auch der Hinweis, daß zwischen November 1989 und März 1990 450 kg Schmuck und Wertgegenstände sichergestellt bzw. beschlagnahmt wurden. Aufgefunden und sichergestellt wurden außerdem 83 kg Gold und ca. 100 Brillanten mit einem Durchschnittsgewicht von über einem Karat.

Der SED-Staat hat in der Bundesrepublik Deutschland zahlreiche Firmen - mindestens zwei Dutzend - unterhalten. Diese SED/DKP-Wirtschaftsunternehmen (Handelsfirmen verschiedener Branchen, Speditionen, Reise- und Werbeagenturen, Verlage und Druckereien) wurden von Strohmännern in der Bundesrepublik Deutschland, teilweise mit ausländischen "Gesellschaftern", gegründet oder erworben. Diese Firmen waren zum Teil untereinander durch Beteiligungen und in der Geschäftsführung mit Firmen, die der SED-Staat im westlichen Ausland unterhielt, eng verflochten.

Bei den "Gesellschaftern", Prokuristen und Geschäftsführern handelte es sich fast durchweg um zuverlässige Genossen. Zahlreiche Berufsfunktionäre der DKP waren bei diesen Firmen zum Schein angestellt. Über diese Firmen wurden teilweise auch der DKP-Apparat sowie zahlreiche operative politische Aktionen, zum Beispiel der sogenannten "Friedensbewegung", finanziert. Es kann wohl als sicher gelten, daß vor allem bei diesen Unternehmens-"Tätigkeiten" auch das MfS seine Finger im Spiel hatte.

Die Berichte des Untersuchungsausschusses und der Kommission lassen den Schluß zu, daß 220 Unternehmen dem Bereich KoKo zuzurechnen sind - und davon 160 Firmen im Ausland einschließlich Umgründungen als mit der SED/PDS verbundene juristische Personen anzusehen sind. Da gab (oder gibt?) es SED/PDS-Firmen in der Schweiz, in Liechtenstein, Österreich, in den Niederlanden, England, Panama, in Skandinavien und auf der Insel Curacao.

Unter den vom Untersuchungsausschuß sichergestellten Dokumenten befinden sich auch Briefe des PDS-Bundesvorsitzenden Gregor Gysi vom 5. April 1990 an zwei Parteifirmen in der Schweiz. Diese Schreiben beweisen eindeutig sowohl die Eigentumsverhältnisse als auch die Tatsache, daß die PDS eine Fortsetzungs- und nicht "nur" eine Nachfolgepartei der SED ist. In beiden Briefen stellt Gysi als damaliger Parteivorsitzender klipp und klar fest:

"Nachdem eindeutig nachweisbar ist, daß die Orvag AG Baar/Zürich (bzw. Corefina Anstalt, in Balzers FL) vordem ausschließlich der SED gehörte, weisen wir Sie darauf hin, daß deren Rechte uneingeschränkt bei der Partei des Demokratischen Sozialismus weiterbestehen, weil die Partei im Zusammenhang mit ihrer Politik lediglich ihren Namen geändert hat. Sämtliche Rechte an der Orvag AG (bzw. Corefina) sind somit an uns übergegangen."

Die Orvag AG fungierte als Dachgesellschaft für ein ganzes Geflecht von verdeckten SED-Parteifirmen, die bereits in den 60er und 70er Jahren gegründet worden waren.

In der Bundestagsdebatte über den Bericht des Untersuchungsausschusses am 18.06.1998 prangert der FDP-Abgeordnete Dr.  Klaus Röhl hochchargierte Vertreter des ehemaligen MfS, Mitglieder der vergangenen "DDR"-Regierung sowie der SED und nunmehrigen PDS an. Die meisten von ihnen hätten bei ihren Vernehmungen und Befragungen nicht nur ein völliges Unverständnis für rechtsstaatliche Verhältnisse und Verhaltensweisen, sondern auch deren völlige Ablehnung gezeigt. Die Grenzen zwischen moralischen und unmoralischen, rechtsstaatlichen und kriminellen Verhalten wurden teils überhaupt nicht erkannt, teils bewußt und absichtlich überschritten, bis hin zum skrupellosem Handeln.

So versuchten denn die SED-Fortsetzer beträchtliche Geldsummen zu verschieben und somit "verschwinden" zu lassen, nicht gänzlich ohne Erfolge: Zum Beispiel durch dubiose "Darlehens"-Vergaben im Wert von rund 340 Millionen DM; durch beträchtliche Spenden unter anderem an eine "Islamische Religionsgemeinschaft" eines im Waffenhandel verstrickten Abdul Majid Younses in Höhe von mindestens 69 Millionen DM; durch " Verschiebungen" von 107 Millionen DM ins Ausland mit Hilfe der KPdSU (sogen. "Putnik-Deal"); und durch "Verschiebung" von 14,2 Millionen DM auf Luxemburger Konten ("Fall Girke"); durch Neugründung von Firmen - teilweise mit schier undurchschaubaren Verschachtelungen und Vertuschung der Kapitalanteile. Ein großer Teil der "Spenden" und "Transfers" konnte aufgespürt, erhebliche Beträge konnten zurückgeholt werden.

Weder der Untersuchungsausschuß des Bundestages noch die "Unabhängige Kommission" konnten alle Bereiche und alle Facetten des Systems der DDR im Bereich des beiden Gremien gestellten Untersuchungsauftrages aufdecken. Das trifft insbesondere für den Bereich der Vermögensverschiebungen durch die SED/PDS und für den Bereich MfS-Vermögen zu. So bleibt ein kaum zu erhellendes Dunkel, in dem sich Dunkelmänner mit Vermögen aus dem ehemaligen SED-Staat tummeln und als "ehrenwerte" Unternehmen im In- und Ausland legale und dunkle Geschäfte tätigen... und vielleicht gar in der Politik mitmischen.

 

 
     
     
 
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