A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
     
 
     
 

Beschwichtigungsversuch

 
     
 
Gleichgültig ob der neue tschechische Ministerpräsident Milos? Zeman seine haarsträubende Forderung an die Bundesregierung nach Ausschluß sudetendeutscher Vertreter aus dem deutsch-tschechischen Gesprächsforum zurücknehmen und sich entsprechend entschuldigen wird, der Vorgang zeigt mit erschreckender Deutlichkeit, wie weit Deutsche und Tschechen trotz bundesrepublikanischem Optimismus noch voneinander entfernt sind.

Sozialdemokrat Zeman, der schon zu seiner Zeit als Oppositionsführer in Prag mit markigen Sprüchen nicht geizte und innenpolitisch derzeit vor allem mit der Festigung des linken Flügels seiner Partei beschäftigt ist, argumentiert in ebenso eindeutiger wie bornierter Weise: Tschechisch
erseits werde auf eine Forum-Teilnahme auf Kommunisten und rechtsstehende Republikaner verzichtet, also hätten – bitteschön – auch Sudetendeutsche in dem Gremium nichts zu suchen. In einem Atemzug also war die Freundeskreis keck mit den Extremen in Böhmen und Mähren gleichgesetzt.

Geharnischte Proteste der Sudetendeutschen Freundeskreis und vor allem des Bundes der Vertriebenen (BdV) ließen nicht auf sich warten. BdV-Präsidentin Erika Steinbach sieht in der Haltung Zemans eine "unglaubliche Menschenverachtung", die einen "erschreckenden Mangel an Unrechtsbewußtsein" beweise. Zeman dagegen lehnte in einer von seinem Sprecher verbreiteten Erklärung die geforderte Entschuldigung dafür ab. Sein Außenminister Kavan, der sich wenig später mit Außenminister Klaus Kinkel (FDP) in Berlin traf und in Maßen Kritisches zu hören bekam, kündigte lediglich an, Zeman werde in seiner Regierungserklärung den Wunsch nach guten Beziehungen zu Deutschland bekräftigen.

Im Sinne seiner Auffassung von liberaler Außenpolitik signalisierte der Schwabe Kinkel postwendend, daß er jegliches Hochspielen des Zwischenfalls ablehne und die deutlichen BdV-Reaktionen bedenklich finde. Bonns Botschafter in Prag, Steiner, sieht in der Zeman-Äußerung gar nur reine "Marginalie" und FDP-Chef Wolfgang Gerhardt schließlich warnt mit liberalem Augenaufschlag Deutschland und Tschechien vor "verantwortungslosem Gerede", das Versöhnung behindere. Wieder einmal war der politisch korrekte Tritt für die Freundeskreis als opportun betrachtet worden.

Die Liberalen hatten jedoch diesmal die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Ungeachtet der Gerhardt-Sprechblase hagelte es massive Kritik aus Kreisen von CDU und SPD in gleicher Weise. Selbst Kanzler Helmut Kohl rügte Zeman deutlich, sein SPD-Vorgänger Helmut Schmidt schrieb sogar dem tschechischen Ministerpräsidenten einen Brief, in dem er den Sudetendeutschen ihre gute Demokratenschaft bescheinigte. Mit besonderer Schärfe attackierte der Bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) die Zeman-Äußerungen, die ein Festhalten an den unseligen und für die Vertreibung verantwortlichen Benesch-Dekreten bedeuteten. Das widerspreche einem EU-Beitrit Tschechiens, betonte Stoiber.

So gesehen hat die Haltung Zemans den Sudetendeutschen letztlich ein bisher kaum gekanntes und hoffentlich andauerndes Eintreten für ihre Sache gebracht. Ein Kommentar der "Berliner Zeitung" bringt es auf den Punkt. Es heißt dort: "Nach 50 Jahren der Verdrängung, der Halbwahrheit und Lügen muß der deutsch-tschechische Dialog mit allen geführt werden... also auch und vor allem mit den Sudetendeutschen."

 

 
     
     
 
Diese Seite als Bookmark speichern:
 
     
     
     

     
 

Weitere empfehlenswerte Seiten:

Die Wogen des Lebens

Was Sie wirklich denken

Dem Geist der Romantik auf der Spur

 
 
Erhalten:
 

 

   
 
 
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
WISSEN48 | ÜBERBLICK | THEMEN | DAS PROJEKT | SUCHE | RECHTLICHE HINWEISE | IMPRESSUM
Copyright © 2010 All rights reserved. Wissensarchiv