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Claire Wolfe: The Freedom Outlaw´s Handbook - 179 Dinge die man vor der Revolution tun kann

 
     
 
Die meisten, die auch nur einen flüchtigen Blick hinter die Illusionen unserer Zeit gewagt haben, verspüren eine bedrohliche Ungeduld: Was tun?! – Die Schwierigkeit, diese nahe liegende Frage zu beantworten, lässt viele sofort wieder die Augen schließen und die Realität flüchten. Wenn wesentliche Institutionen unserer Gesellschaft tatsächlich bloß auf Illusionen basieren, wenn das Gesetz in weiten Teilen Unrecht ist, wenn „Systeme“ Unbildung und Krankheit erzeugen, und die Lüge so verbreitet ist, stünde der Einzelne bei seiner Suche nach Freiheit dann nicht vor unüberwindbaren Hindernissen? Wenn Unrecht zum Gesetz wird, wird Widerstand zu Pflicht – doch kann Übermenschliches überhaupt Pflicht sein? Die US-amerikanische Autorin Claire Wolfe versucht sich an dieser Problematik mit bitterernstem Humor – und schafft tatsächlich etwas fast Unmögliches: eine extrem pessimistische Lagebeurteilung mit einer optimistischen, Mut machenden Perspektive zu vereinen. Wolfe schreibt über die USA und für das dortige Publikum, doch der Unterschied zur europäischen Lage unterscheidet sich bloß in Nuancen. Für Wolfe sind die USA bereits am besten Wege zu einem „Faschismus“ – um das in den USA beliebte, aber etwas irreführende Etikett
für einen militaristischautoritären Überwachungsstaat zu übernehmen. Bereits fast sprichwörtlich ist Wolfes originelle Lagebeurteilung: Amerika befindet sich auf jener ungünstigen Stufe. Es ist zu spät, um innerhalb des Systems zu wirken, aber zu früh, um die Arschlöcher zu erschießen. Eine denkbar blöde Situation für Freiheitsliebende: An eine Revolution ist noch nicht zu denken, doch angehalten werden kann der Zug auch nicht mehr. Claire Wolfe überarbeitete kürzlich ihr wegweisendes Buch „101 Things to Do ’Til the Revolution“ und machte daraus in der neuen Fassung „179 Dinge, die man vor der Revolution tun kann“. Der neue Titel gibt die Losung aus: „The Freedom Outlaw’s Handbook“ – in etwa: Handbuch für die Gesetzlosen der Freiheit. Gesetzlos? Claire Wolfes Gedanke ist folgender: Wenn sich der Staat in Richtung Totalitarismus bewegt, werden Dinge wie Dissens, Eigeninitiative, private Laster und andere vollkommen rechtmäßige Aktivitäten zu gesetzlich verfolgten „Verbrechen“. Je totalitärer der Staat, desto mehr macht einen das Streben nach Freiheit zum Gesetzlosen. Wie bleibt man in einer solchen Situation bei Verstand und am Leben? Jeder auf seine Weise. Claire Wolfe skizziert drei verschiedene Strategien für drei verschiedene Lebensentwürfe, die sie als die drei „DisOrders“ bezeichnet. Erstens der „Agitator“ – jener risikobewusste Pionier, der das System offen kritisiert und herausfordert, Demonstrationen und Aktionismen organisiert und dafür sogar Haft in Kauf nimmt. Zweitens der „Geist“, der im Stillen Ungehorsam übt und Zweifel weckt. Hierbei legt Wolfe das Gewicht auf zwei Taktiken: jene der „aktiven Non-Kooperation“ und jene des „Monkey- Wrenching“, zu Deutsch: Sand ins Getriebe streuen. Drittens schließlich der „Maulwurf“, der innerhalb der konventionellen Strukturen agiert und diese Lage nützt, um jene außerhalb der Strukturen zu unterstützen oder gar Sabotage zu betreiben. Letzterer Lebensentwurf sei aufgrund der korrumpierenden Anreize des Systems allerdings etwas unwahrscheinlicher. Das Buch bietet also 179 knapp und humorvoll beschriebene Aktivitäten, bei denen stets vermerkt ist, ob sie für Agitatoren, Geister oder Maulwürfe gedacht sind. Das Buch ist wie folgt strukturiert: 27 Dinge, die bloß Zeitverschwendung sind (z.B. Wählen) – d.h. die ersten 27 Vorschläge sind eigentlich negativer Natur 43 Wege, nicht mit den Tyrannen zu kooperieren 31 Ideen, um die Staatsabhängigkeit zu reduzieren 30 Mittel der Agitation 34 Tipps, Sand ins Getriebe zu streuen 14 Auswege, wenn es wirklich zu offenem Widerstand oder totaler Unterwerfung kommen sollte Die leicht apokalyptische Perspektive und die klaren Worte werden nicht Jedermanns Sache sein, genauso wenig wie die für manche wohl zu romantisierenden Vorstellungen der Autorin zur „Self-reliance“, eines nahezu autarken Lebensstils, der an jene Öko-Aktivisten erinnert, die es wirklich ernst meinen (und nicht Business-Class zu Klimagipfeln jetten). Claire Wolfe widmet sich auf den 216 Seiten ihres ansprechend gestalteten Büchleins einer sehr breiten Themenpalette, von Schusswaffen bis Kryptographie, von Ausweisen bis Steuern, von zivilem Ungehorsam bis Schwarzmärkten etc., bei steter Betonung der praktischen Umsetzung. Wer die Perspektive teilt und knapp vor der Desillusionierung steht, für den verspricht dieses humorvolle „Praxis“-Handbuch großes Lesevergnügen. Freilich ist vieles etwas oberflächlich, doch auch „Fortgeschrittene“ werden ihre Freude an den zahlreichen Zitaten, Anregungen und Links haben. Claire Wolfes strategische Conclusio: Wartet nicht auf „den Plan“, sondern bildet eine praxis- orientierte Gemeinschaft jener Minderheit selbst denkender und eigenverantwortlicher Menschen, um sich auch über geographische Grenzen hinweg auszutauschen und zu unterstützen. Auch wenn unsere Perspektive etwas weniger defensiv und etwas breiter als die ihre ist, dürfen wir uns hier einig wissen: liberty.li wird von genau dieser Intention getragen.
 
     
     
 
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