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Das Ende einer Vision

 
     
 
Als die CDU-Politikerin Erika Steinbach, von Beruf Musikerin, im Jahre 1998 antrat, um beim BdV die "erste Geige" zu spielen, brachte sie viel frischen Wind in die deutsche Vertriebenenpolitik (soweit es eine solche überhaupt noch gab). Die attraktive Frankfurterin unterschied sich in Erscheinung und Auftreten von allem, was man sich bis dahin unter Verbands-funktionsträgern vorzustellen hatte: Elegant und eloquent sammelte sie im öffentlichen Meinungsbild Pluspunkte für die Vertriebenenorganisationen.

Und sie hatte eine Vision: Sie wollte nicht nur das Schicksal von 15 Millionen ihrer Heimat beraubten Deutschen "verwalten", sie wollte eine Stätte des ständigen Erinnerns an dieses Schicksal schaffen. Eine Stätte des Trauerns, des Bewahrens jahrhundertealter kultureller und geistesgeschichtlicher
Traditionen, der wahrheitsgemäßen Aufarbeitung der Geschichte - und der Mahnung, alles zu tun, um Menschen künftig ein solches Schicksal zu ersparen.

Was ist von dieser Vision geblieben? Sowie der leiseste Verdacht auftauchte, da könnten deutsche Heimatvertriebene sich erdreisten, das eigene Schicksal in den Vordergrund ihres Trauerns und Erinnerns stellen zu wollen, setzte heftige Gegenwehr ein. Das meinungsbildende politisch korrekte Lager in diesem Lande mag es nun einmal nicht, wenn Deutsche auch als Opfer und nicht ausschließlich als Täter gesehen werden.

Natürlich wußte Frau Steinbach genau, worauf sie sich da einließ, als sie zum erstenmal mit ihrer Vision an die Öffentlichkeit trat. Vorsichtshalber nannte sie die geplante Gedenkstätte daher auch "Zentrum gegen Vertreibungen", wies immer wieder darauf hin, es gehe ihr vorrangig um das "Vertreibungsschicksal an sich", nicht um Aufrechnung, Geschichtsrevision, Schuldzuweisungen. Zeitweise saß sie damit sprichwörtlich zwischen allen Stühlen: Politikern, vorzugsweise im linken Spektrum, war das Steinbach-Projekt immer noch viel zu "deutsch", vielen Mitgliedern der im BdV zusammengeschlossenen Freundeskreisen hingegen war es zu sehr in einen allgemeinen europäischen Kontext eingebunden, damit sozusagen "verwässert" und an den Gefühlen deutscher Vertriebener "vorbeikonzipiert".

Immerhin gelang es der BdV-Präsidentin, den hochrangigen SPD-Politiker Peter Glotz (selber aus dem Sudetenland vertrieben) als Mitstreiter zu gewinnen. Gemeinsam stellten sie das Projekt auf eine zunehmend breitere Basis der öffentlichen Zustimmung und Unterstützung. Zugleich forderten sie damit aber auch die Gegner heraus. Flankiert vom üblichen "antifaschistischen" Säbelrasseln gab der SPD-Politiker Meckel eine Steilvorlage nach Warschau. Dort griff man - parteiübergreifend - die Gelegenheit gern auf, sich wieder einmal um eine wahrheitsgemäße Auseinandersetzung mit den dunklen Kapiteln der eigenen Geschichte drücken zu können.

In diesen Tagen nun folgte der vernichtende Schlag: Berlins Kultur-Staatsministerin Christina Weiss vereinbarte mit ihren Kollegen aus Warschau, Prag, Preßburg, Budapest und Wien den Aufbau eines europäischen Netzwerks zur "Dokumentation und wissenschaftlichen Aufarbeitung von Zwangs-emigration und Vertreibung im 20. Jahrhundert". Das Sekretariat soll in der polnischen Hauptstadt eingerichtet, die Konzeption an das dortige Institut für nationales Gedenken angebunden werden.

Man braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, welchen Raum das Erinnern an die Vertreibung von 15 Millionen Deutschen in einer solchen Konzeption noch finden wird. Am Ende wird wohl nur die flüchtige Erinnerung an eine gutgemeinte Vision bleiben - und die bittere Erkenntnis, das wieder einmal die Täter über die Opfer gesiegt haben.

 
     
     
 
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