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Das Grundgestz und der Westfälische Frieden

 
     
 
Das Grundgesetz der Bundesrepublik, so schrieb dieser Tage die "Welt", habe wenig gemein mit dem Westfälischen Frieden von 1648. Jedenfalls glaubte man das, bis die Zeitung den Historiker Konrad Repgens zitierte: "Ähnlich wie 1949 setzten, aufs Ganze gesehen, die ausländischen Mächte mit dem Westfälischen Frieden das durch, was die politische Führungsschicht
Deutschlands bejahte und wollte. Die Verfassung von 1648 war, wie die von 1948, keineswegs ein Diktat der Siegermächte". Repgens, Emeritus für Mittlere und Neuere Geschichte in Bonn, schrieb dies anläßlich des 40. Jubiläums der Bundesrepublik.

Eine schlimme Feststellung, schlimmer aber, daß er, was die Zeit nach 1945 angeht, vermutlich weder politischen noch wissenschaftlichen Widerspruch gefunden hat: Die Bundesrepublik scheint gegenwärtig in ihren außenpolitischen Anschauungen allein und ausschließlich von der Achse Bonn – Paris oder Bonn – Washington getragen zu werden – eine Ideenverkürzung, die auf Dauer die werdende Berliner Republik nicht zu tragen vermag.

Standen wie selbstverständlich früher die Erfahrungen von Kriegen, Pate, um die Maximen der späteren Außenpolitik zu formulieren, so gibt es heute nur noch unwilliges Kopfschütteln, wenn es um die Anerkennung politischer Prinzipien geht. Bekanntlich erkennt man an den Forderungen von Siegermächten zumeist mühelos die Ursachen, um derentwillen ein Krieg geführt worden ist, doch werden solche Erfahrungen leichthin abgetan: Wir leben in modernen Zeiten.

Als 1648 der Westfälische Friede geschlossen wurde, gab es mit der Besitznahme der Brückenköpfe Breisach und Philippsburg am Oberrhein für Paris Schlüsselstellungen, mit denen es seine spätere Ostverschiebung einleiten konnte. Durch diese Erfahrungen und durch die der napoleonischen Kriegszüge entwickelte sich schließlich ein politisches Fundament, um das Reich vor den ständig auf die Mitte des Kontinents zudrängenden Kräften zu schützen. Also suchte man in Berlin ein östliches Gegengewicht, das in der Konvention von Tauroggen von 1812 und später unter Bismarck mit dem Rückversicherungsvertrag seinen Ausdruck fand. Ähnliche Gedankenspiele zu Bündniskonstellationen wurden mit England unterhalten.

Von ganz anderer Konstellation wiederum war der Plan von Friedrich Naumann, der während des Ersten Weltkrieges eine "Mitteleuropa-Konzeption" entwarf, die sowohl großdeutsche Interessen als auch die Nationalitätenprobleme aus der Erbmasse der k. u. k. Monarchie im Blick behielt. Daß solche politischen Entwürfe geradezu als schicksalhaft empfunden wurden, zeigt die Auflagenhöhe solcher Bücher. So schrieb der sudetendeutsche sozialdemokratische Vertriebenenpolitiker Wenzel Jaksch 1967 in einer nachträglichen Würdigung: "Seit Bismarcks ‘Gedanken und Erinnerungen’ war auf dem deutschen Büchermarkt kein größerer Erfolg zu verzeichnen, wie ihn dieser Schwanengesang auf ‘Mitteleuropa’ erzielte".

Es verbleiben aber für das geteilte Nachkriegsdeutschland keine nationalpolitischen Sicherungssysteme für Innen oder Außen erkennbar, soweit sie nicht über die Westbindung der alten Bundesrepublik hinausgehen. Nur umgekehrt in der Richtung verhielt sich die SED (die noch als KPD auf sowjetischen Druck in der Oder-Neiße-Frage einknickte), und unter Honecker letztlich an der Verdrängung der nationalen Frage scheiterte.

Lediglich der Westpreuße Kurt Schumacher ventilierte ernsthaft kurzzeitig außenpolitische Alternativen im Sinne einer Kritik der Westbindung. Und noch ein Sozialdemokrat wäre zu nennen, Carlo Schmid. Er wurde wegen seiner Hartnäckigkeit bei den Verhandlungen von 1955 in Moskau von Chrustschow mit "Herr Großdeutschland" angesprochen, weil er sich so entschieden für deutsche Belange eingesetzt hatte (was seinen Erfolg in der Rückführung deutscher Kriegsgefangener aber nicht beeinträchtigte).

Bedeutsam bleibt, daß unsere etablierten Parteien nur eine Einbahnstraße in Sachen außenpolitischer Sicherung deutscher Interessen befahren, wo zwölfspurige Autobahnen angebracht wären. Umgekehrt wird jede innenpolitische Polarisierung sofort diffamiert, sobald nur der leiseste Versuch ansteht, zur Westbindung eine Alternative entwickeln zu wollen. Die Neigung, den Euro gegen 70 Prozent des deutschen Volkes durchsetzen zu wollen, signalisiert nur den Grad dieser politischen Ignoranz. Spätestens aber mit dem Magdeburger Ergebnis scheint die westdeutsche Ära der "postnationalen Identität" (Prof. Karl Dietrich Bracher) zu einem Ende gekommen zu sein, ohne daß man den Dr. Frey nun dem nationalen Lager zuzurechnen hätte. Vor dem Neubeginn einer deutschen Außenpolitik muß wie selbstverständlich das "Ende der Bonner Republik" und das Aufkommen alter Traditionslinien stehen, von denen die preußische nur eine einzige im Chorus der politischen Stimmenvielfalt des eigentlichen Deutschland ist.
 
     
     
 
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