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Das hier ist serbisches Land

 
     
 
Das multikulturelle, multikonfessionelle und multinationale "Zusammenleben" verschiedener Volks- und Religionsgruppen ist in der westlichen Politik gegenübe Südosteuropa und dem Balkan zu einer Art Dogma hochstilisiert worden.

Auch im Kosovo scheint sich der Westen auf ein solches Modell festzulegen – wobe die wirklichen Tatsachen nur zu gern unter den Teppich gekehrt werden, weil sie nicht in politisch korrekte
Weltbild passen. Dabei scheinen nicht nur zwischen Albanern und Serbe schwere ethnische Konflikte auch in Zukunft unvermeidlich. Bestenfalls wird die Nato-Truppe solche Zusammenstöße dämpfen, keinesfalls aber verhindern können.

Lehrreich und nicht gerade ermutigend ist in dieser Hinsicht die Entwicklung in Kroatien. Hier mußte die Zagreber Regierung unter dem Druck der "internationale Staatengemeinschaft" eine großzügige Politik der Rückkehr serbische "Flüchtlinge" einleiten, die 1995, gemeinsam mit den geschlagene serbisch-jugoslawischen Truppen, Kroatien verlassen hatten.

Erinnern wir uns: Nach der Unabhängigkeitserklärung Kroatiens 1990 brach in de Gebieten mit serbischer Bevölkerung – in insgesamt elf kroatischen Gemeinden gab e eine Mehrheit ortsansässiger Serben – ein bewaffneter Aufstand aus. Die örtliche Serben in Knin und in Westslawonien waren von der titoistischen Jugoslawischen Volksarme bewaffnet und von Belgrad zum Aufstand ermuntert worden. In Ostslawonien rückte von Oste her jugoslawisches Militär ein. Die Stadt Vukovar wurde nach monatelanger Belagerun völlig vernichtet und dann erobert. Die kroatische Bevölkerung wurde vertrieben ode umgebracht.

In Knin – auf dem Wege zwischen Zagreb und Split – etablierte sich die "Serbische Republik Krajina". Versuche des kroatischen Staates, sein hoheitlichen Befugnisse auf diesem Gebiet wiederherzustellen, wurden gewaltsam vereitelt Fast ein Drittel Kroatiens befand sich zeitweise unter serbischer Okkupation.

Erst im Sommer 1995 eroberte die kroatische Armee in der "Operatio Gewittersturm" Knin und die sogenannte "Krajina" zurück und befreite die mehrheitlich moslemische Stadt Bihac im benachbarten Bosnien von monatelanger Belagerun durch die serbischen Truppen. Die Kroaten marschierten damals bereits zügig in Richtun Banja Luka, der "Hauptstadt" der "Republika Srpska". Hätte der Weste nicht durch massiven Druck (Androhung einer Ölblockade) die Einstellung der Offensiv erzwungen, gäbe es heute keine "Republika Srpska" mehr und auch nicht die meisten Probleme, die in Bosnien mit ihr zusammenhängen.

Trotz mehrfacher Appelle der kroatischen Regierung und des Staatspräsidenten Franj Tudjman, im Lande zu bleiben, zogen es die meisten Knin- und Krajina-Serben damals vor mit den serbischen Truppen zu flüchten.

Jetzt allerdings ist seit einiger Zeit eine Gegenbewegung im Gange: Allein in die Stad Knin, die noch vor wenigen Jahren fast keine Serben mehr beherbergte, sind etwa 18 00 Serben zurückgekehrt und sind dabei, die "Stadt des kroatischen König Zvonimir" in eine serbische Metropole zu verwandeln. Täglich kehren über ei Dutzend Serben zurück; während der NATO-Luftangriffe auf Jugoslawien hat sich diese Zah weiter erhöht.

Die Rückkehrer kommen mit dem Linienbus aus Zagreb und gehen vom Autobusbahnho schnurstracks in die Büros einiger Rechtsanwälte, welche die Formalitäten ihre Rückkehr, die Aufenthaltsgenehmigung und die Rückgabe der seinerzeit verlassenen Häuse in die Wege leiten. In vielen dieser Häuser und Wohnungen aber haben sich Kroate niedergelassen, die aus dem Gebiet der "Republika Srpska" oder aus andere Teilen Bosniens vertrieben wurden.

Diese Kroaten sind nun gezwungen, die Wohnungen zu verlassen – und wissen nicht wohin sie gehen sollen, denn eine Rückkehr in ihre Heimatgemeinden im serbischen Tei Bosniens ist faktisch nicht möglich: Die internationale Gemeinschaft und alle westliche Institutionen in Bosnien waren bisher nicht in der Lage, ihnen die Rückgabe des Eigentum zu garantieren.

Während in der westlichen Öffentlichkeit ständig von der Notwendigkeit gesproche wird, den Serben in Kroatien alle Rechte zu geben, redet von den vertriebenen bosnische Kroaten und deren Schicksal kein Mensch mehr.

In Knin, wo die kroatische Armee vor vier Jahren siegreich einrückte und das feierlic wieder in den kroatischen Staatsverband zurückgeholt worden war, herrscht heute unter de 20 000 Kroaten eine gedrückte Stimmung. Viele von ihnen haben Angst, fremden Persone – und erst recht Journalisten – ihre Namen zu nennen. Sie berichten, daß die serbischen Rückkehrer sich häufig provokant und herausfordernd benehmen. Eines Tage habe man den eigenen Augen nicht getraut: da sei ein Serbe in der Uniform de berüchtigten Tschetnik-Freischärler am hellichten Tag auf der Straße spaziert. Die Polizei habe ihn festgenommen – ihn aber am nächsten Morgen laufenlassen, weil sons nichts gegen ihn vorlag.

Die Kroaten in Knin hegen tiefes Mißtrauen gegen alle internationalen Organisationen Sie sind überzeugt, daß die dortigen westlichen Funktionäre den Serben helfen Besonders schwer ist das Schicksal der aus Bosnien vertriebenen Familien. Da die Elter arbeitslos seien, so sagen sie, und niemand ihnen helfe – die "humanitär Hilfe" hat sich längst anderen, spektakulären Opfern (etwa den Kosovo-Albanern zugewandt –, fielen die Kinder während des Schulunterrichts oft vor Hunger in Ohnmacht.

Die Rückkehr der Serben vollzieht sich in Etappen: Erst kommen die Alten – als die Großelterngeneration, gegen die auf kroatischer Seite nichts vorliegt. Sie bereite den Jüngeren den Boden vor. "Es ist nichts Außergewöhnliches, heute in Kni lauthals den Ausruf ‚Das hier ist Serbien!‘ zu hören", sagt ei kroatischer Bewohner.

Ein anderer berichtet über sein Erlebnis bei einer Autofahrt durch die Stadt: Als vo ihnen ein Passant auf der Fahrbahn gegangen sei und der Sohn diesen durchs offen Wagenfenster bat, er möge doch bitte zur Seite treten, damit das Auto passieren könne drehte sich der Unbekannte um und rief, er denke nicht daran, den "Ustascha" Platz zu machen. Denn, so der Kroate, "wir Kroaten befänden uns auf seine serbischen Boden".

Die Serben bezeichnen die Kroaten in Knin als "Ustascha". Die Kroate wiederum sprechen von "Tschetniks", wenn sie ihre serbischen Nachbarn meinen Ein Beobachter stellt fest: "Die gegenseitige Abneigung verwandelt sich in Haß." Viele Kroaten fürchten, daß sich die Provokationen und Beschimpfungen in offene Gewalt verwandeln könnten.

Der kroatische Bürgermeister des Krajina-Städtchens Donji Lapac, Milan Ledenko berichtet, daß durch die Rückwanderung der seinerzeit geflüchteten Serben in seine Gemeinde bereits 72 Prozent der Einwohner Serben seien. Als die Nato-Bombardierung begann kehrten in einem Schub 300 Serben aus Rest-Jugoslawien zurück. "Unser Leben wir immer schwieriger", sagen ortsansässige Kroaten. "Es gibt keine Arbeit, kei Geld, und die Probleme mit den serbischen Rückkehrern werden immer größer." Un der Bürgermeister meint resignierend: "Wenn sich hier nicht bald etwas ändert werden die Kroaten Donji Lapac verlassen. Dann aber war die Operatio ‚Gewitterstrum‘ vergebens..."

Was das vielbeschworene "multikulturelle Zusammenleben" betrifft, so kann ma nur immer wieder betonen, daß sich die Theorie oft fundamental von der Praxis und de Wirklichkeit unterscheidet.

Ein langjähriger Ost- und Südosteuropa-Korrespondent de "Welt", ist zur Zeit politischer Kommentator und Leiter der Europa-Redaktion des Kroatischen Fernsehens HRT mit Sitz in Zagreb

 
     
     
 
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