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Den eigenen Weg finden

 
     
 
Am Montag soll ich Ihnen schon sagen, was am Sonntag in Rußland los ist? Das kann ich nicht, das kann niemand!", so Rußland-Experte Wolfgang Seiffert kürzlich in Hamburg. Kurze Sätze, die mehr sagen über die Lage des östlichen Nachbarn als manch weitschweifiger Vortrag.

1994 gründete der Professor für Völkerrecht das "Zentrum für deutsches Recht" am Institut für Staat und Recht der Russischen Akademie der Wissenschaften. Seither fungiert der 1978 in die Bundesrepublik übergesiedelte einstige Honecker-Berater als "Generalsekretär" des neuen Zentrums.

Seiffert war auf Einladung der "Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum" (ARE) von der Moskwa angereist, um ein wenig Klarheit in das verwirrende Rußlandbild hierzulande zu bringen. Der Eingangssatz indes machte gleich allen deutlich, die sich im Versammlungssaal der Burschenschaft Germania
eingefunden hatten, um mit Seiffert zu diskutieren, wie beinahe unmöglich eine genaue Bestandsaufnahme im größten Land der Erde geworden ist. Dennoch vermochte Wolfgang Seiffert einige zentrale Punkte zu illustrieren, die die russische Misere begreifbarer machen. Angesprochen auf Kriminalität, Korruption und unsichere Rechtslage räumte er ein, daß das Hauptproblem darin bestehe, daß sich kaum jemand an die geltenden Gesetze halte – obschon bei deren Neugestaltung erhebliche Fortschritte zu verzeichnen seien. "Aber was wollen wir von einem Richter erwarten, der drei Monate lang kein Gehalt bezogen hat? Wenn der vor die Wahl gestellt wird, einem armen Kläger oder der finanzstarken Gegenpartei recht zu geben, wird er sich womöglich auch fragen, von wo ihm materielle Vorteile erwachsen könnten."

Fähige junge Juristen, also gerade die, welche das neue Recht am besten anwenden könnten, täten einen Teufel, sich für einen Hungerlohn als Richter oder Staatsanwälte zu verpflichten. Statt dessen lassen sie sich lieber als (im Zweifel weit besser verdiendende) Anwälte nieder.

Der Rubel-Zusammenbruch vom August habe allein in Moskau rund 200 000 Arbeitsplätze gekostet. Die Krise sei, so Seiffert, ganz sicher auch eine Folge unüberlegter Radikalreformen wie die totale Rubelfreigabe. Er verweist auf das Beispiel der D-Mark, die auch erst nach langer Bewährungsphase Ende der 50er Jahre voll dem Markt ausgesetzt wurde.

Die Rezepte der US-Berater, "Chicago-Boys" genannt (oder gescholten), seien gescheitert. Deutsche Hilfe indes sollte sich jetzt vor allem auf "geistige Unterstützung" beziehen. Seinen Weg müsse Rußland selber finden. Dabei sei der Einfluß des "Westens" – ob die immer neuen "Liberalisierungs"-Forderungen von IWF und Weltbank oder die provozierende Nato-Erweiterung mit einhergehender Isolierung Rußlands – in hohem Maße schädlich zu Buche geschlagen.

Wenn Deutschland materiell helfen wolle, dann, wie Seiffert empfiehlt, etwa mittels eines teilweisen Schuldenerlasses, beispielsweise als Gegenleistung für die Rückgabe der "Beutekunst" durch Moskau. Auch sollten die Liegenschaften der UdSSR in Deutschland endlich im Grundbuch auf Rußland überschrieben werden. Das koste die Deutschen keinen Pfennig, brächte den Russen aber dringend benötigte Devisen. Zur Zeit könne Moskau nicht einmal seine alte Botschaft in Bonn verkaufen.          

 
     
     
 
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