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Der Beginn der Samtenen Revolution

 
     
 
Am 17. November wurde in Tschechien wie in der Slowakei des 14. Jahrestages des Beginns der "Samtenen Revolution" von 1989 gedacht.

Während in Polen die Danziger Werftarbeiter und in der DDR oppositionelle Kirchengruppen die revolutionäre Initialzündung gaben, war es in der damaligen Tschechoslowakei der akademische Nachwuchs
.

Der Protest von Prager Studenten, die des 50. Jahrestages der Ermordung des an einer Demonstration beteiligten Studenten Jan Opletal durch die deutschen Besatzer gedachten, stand am Anfang einer antikommunistischen Massenbewegung, zu deren Wortführern schon bald bekannte Dissidenten wie Vaclav Havel wurden.

Unter den Festreden, die an die Ereignisse vor 14 Jahren erinnerten, ist eine mit ungewöhnlich kritischen Gegenwartsbezügen gespickte Ansprache des slowakischen Präsidenten Rudolf Schuster hervorzuheben. Am Vorabend des Jubiläums hielt der karpatendeutsche Ex-Kommunist eine Rede für die öffentlich-rechtlichen Medien des Landes, in der er sich auch mit der heutigen wirtschaftlichen Lage in der Slowakei auseinandersetzte.

Das 1999 direkt gewählte Staatsoberhaupt, das voraussichtlich nicht für eine erneute Kandidatur im April nächsten Jahres bereitsteht, beklagte insbesondere das Desinteresse der Bürger an öffentlichen Angelegenheiten. Die euphorische Aufbruchsstimmung von 1989 sei längst verflogen, betonte Schuster. Dies liege nicht zuletzt an der Art und Weise, wie die mit zahllosen Skandalen verbundene Privatisierung der Wirtschaft umgesetzt worden sei.

Das alte verstaatliche Vermögen wurde nicht privatisiert, sondern, so der Präsident, "gestohlen". Viele Menschen fragten sich, was die Wende ihnen eigentlich gebracht habe, da das durchschnittliche Lebensniveau nach wie vor niedriger sei als im Jahr 1989.

Schuster spielt hier auf die fortschreitende Verarmung weiter Teile der slowakischen Bevölkerung an. Zwar ist das kleine mitteleuropäische Land wegen seines vergleichsweise niedrigen Lohnniveaus ein bevorzugtes Ziel westlicher Investoren (etwa deutscher Großkonzerne wie VW), doch zugleich erzeugen die geringen Durchschnittseinkommen in Verbindung mit einer hohen Arbeitslosigkeit und ständig steigenden Lebenshaltungskosten massive gesellschaftliche Probleme.

Wie "Radio Slowakei" am 19. November berichtete, gehörten noch 1996 über 120 000 Haushalte der mittleren Einkommenszone an, sprich der für die gesamtwirtschaftliche und auch die politische Entwicklung besonders wichtigen Mittelschicht. Im Jahr 2002 waren davon ganze 50 000 übriggeblieben.

In der Regel liegt diesen Verschiebungen ein Abrutschen in die niedrigeren Einkommensschichten zugrunde, viel seltener der Aufstieg zu den ebenfalls zahlreicher werdenden Reichen. Wirkliche Armut gibt es in der über umfassende soziale Sicherungen verfügenden Slowakei allerdings nur selten.

Präsident Schuster macht für die nicht immer erfreuliche Entwicklung keine denkbaren Sündenböcke verantwortlich, sondern weist auf die Selbstverantwortung seiner Landsleute hin. Und er tut gut daran, gerade in einer Gedenkrede zur "Samtenen Revolution".

Denn bei allen berechtigten Klagen sollte nicht vergessen werden, daß es den Einwohnern der Slowakei seit Ende 1989 bzw. der Unabhängigkeitserklärung 1992 im großen und ganzen vergönnt ist, wieder in individueller und nationaler Freiheit zu leben. Martin Schmidt
 
     
     
 
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