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Der Laubmann geht um

 
     
 
Pfingsten war seit alters her in Ostdeutschland nicht nur ein Fest der Kirche, sondern auch ein letztes Fest des Frühlings. Blumen, Eier und grüne Zweige spielten dabei eine besondere Rolle. Zwar liegt das Pfingstfest meist gegen Ende Mai oder Anfang Juni, doch hatte das früher, als man noch nicht so streng zwischen Sommer und Frühling unterschied, keinen Einfluß auf das Brauchtum. Mancherorts in Ostdeutschland wurde schon im März "Sommertag
" gefeiert, woanders erst im Mai der Frühling "gefangen".

In früheren Zeiten zog in Ostdeutschland der "wandelnde Frühling" in Gestalt eines in frisches Grün gehüllten Burschen noch höchst persönlich – gefolgt von Gaben heischenden Kindern und Jugendlichen – durch die Ortschaften. Auf dem Lande war es häufig das Rind – als heiliges Opfertier. Aus dem Grunde wurden festlich geschmückte Ochsen durch die Gemarkung getrieben. Sie sollten den Winter endgültig vertreiben. Der Laubmännchen-Brauch hatte in vielen Gemeinden des Landes eine lange Tradition, wurde aber Anfang des 19. Jahrhunderts nur noch in wenigen Landesteilen ausgeübt. Später hatten die Kinder die Aufgabe übernommen und zogen mit einem laub- und bändergeschmückten Handwagen durch die Straßen.

Ihr bunter Zug hielt unter Gekicher vor den einzelnen Häusern an, um von den Frauen – ganz der damaligen Tradition entsprechend – Eier und Speck zu fordern. Die Pfingstkinder – wie sie genannt wurden – riefen altüberlieferte Sprüche: "Gockel de Gockel die Geier, die Hinkel leje Eier, de Kuckuck säuft die Dotter aus, drum gebt uns Speck und Eier raus. Alle Eier raus, de Korb ist längst noch nit voll!" Nach Beendigung des Umzugs wurden die Gaben untereinander verteilt und dann verzehrt. Der Namensgeber dieses alten Brauches, das "Laubmännchen", nahm die Strapazen eines mehrstündigen Heischgesanges auf sich. Dabei mußte er sich in guter Gesellschaft befinden.

In Masuren zog noch ein naher Verwandter, der "Pfingstquack" mit seinem Gefolge durch die Dörfer. Anno 1609 wurde in einer Kirchenchronik erstmals über ihn berichtet: Schon am frühen Morgen sei die Jugend mit den Pferden und unter großem Geschrei ins Dorf gekommen und mit einem verkleideten Lorbaß dreimal um die Linde am Dorfplatz geritten, eine Gestalt aus Ginster, frischem Grün und Blüten, die den Sommer darstellen sollte. Anderorts war es der Wilde Mann, der Maimann, der Lettich- oder Graskönig. Sie alle wurden von der Bevölkerung überall freudig begrüßt.

Auch in Westpreußen und der Grenzmark wurde gelegentlich noch um die Jahrhundertwende ein kräftiger Lorbaß mit frischgeschlagenen Buchenreisern, "dem Mai", in einen stattlichen Maimann verwandelt. Er zog mit seinem Maimannstrauß aus Wiesenblumen und in Begleitung einiger zu "Pfingstbräutchen" aufgeputzten Marjellken durch die Ortschaften. So beschwerlich der Umgang für den Laubmann auch war, den Grenzmark-Pfingstmännern ging es dabei noch vergleichsweise gut. Der in Masuren beheimatete "Maimann" war außer mit Grünzeug auch noch mit Glocken und Schellen behangen. Er wurde durch die Ortschaften gejagt, während sein Begleiter, ein "grüner Wasservogel", noch dazu gerupft und zuletzt noch zu einem mehr oder minder unfreiwilligen Bad in den Dorfteich oder einen Wassertrog geworfen wurde.

Ähnlich erging es auch dem Laubmann am Kurischen Haff. Mancherorts trug dieser ein prachtvolles Fischergewand aus Goldpapier, das ihm nach und nach vom Leib gerissen wurde. Seine Begleiter versuchten dabei, die Verfolgungsjagd möglichst lange hinauszuziehen.

 
     
     
 
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