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Der deutsche Agrarwissenschaftler Johann Heinrich von Thünen

 
     
 
Er war einer der bedeutenden deutschen Wirtschaftstheoretiker und Agrarwissenschaftle des 19. Jahrhunderts. Bekannt wurde er als Mitbegründer der landwirtschaftliche Betriebslehre. Durch praktische Studien versuchte er seine Thesen über Renten, Erträg und Standort der Landwirtschaft zu untermauern. Er entwickelte in einem Modell sein grundlegende und noch heute gültige Lehre vom Standort der Landwirtschaft: Johan Heinrich v. Thünen. Er wies nämlich nach, daß sich die Anbausysteme mit wachsende Entfernung zur Stadt ändern müssen. Die Höhe der Marktpreise und die Transportkoste bestimmen die Art und Intensität der Bodennutzung (Thünensche Kreise).

In engem Zusammenhang damit stehen Thünens Theorie der Grundrente sowie seine Lohn und Zinstheorie. Der neoklassische Gedanke der "wirtschaftlichen Ritterlichkeit" trifft das Wesen des Thünenschen Schaffens, das auch unter das Leitwort "Da sei für andere" gestellt werden könnte. Thünen als Sozialökonom – allein da wäre Grund genug, sich seiner aus Anlaß des 150. Todestages zu erinnern. Thünen wissenschaftliche Leistungen erstrecken sich aber auch auf die Bodenfruchtbarkeit seinerzeit als "Bodenstatik" bezeichnet, und schließlich erwarb er seine weltweiten wissenschaftlichen Ruf als National
ökonom. In der Nationalökonomie war Ada Smith und in der wissenschaftlichen Landwirtschaft war Thaer Thünens Lehrer.

Die Rostocker Landesuniversität erteilte Thünen 1830 honoris causa die Würde eine Doctor philosophiae. Die wissenschaftliche Welt erfüllte eine moralisc selbstverständliche Pflicht, als sie Thünen am 22. September 2000 angemessen ehrte. Die geschah auf einer internationalen Konferenz unter dem Motto "Thünensches Gedankengu in Theorie und Praxis". Sie begann am 21. September in Rostock und wurde nac Ortswechsel am 24. September in Tellow abgeschlossen.

Um die Erhaltung und Pflege des wissenschaftlichen Erbes mühen sich erfolgreich die seit 1990 bestehende Thünengesellschaft und das schon seit 1969 im Aufbau befindlich heutige Thünen-Museum in Tellow.

Thünen wurde am 24. Juni 1783 in Canarienhausen (Kreis Jever, damals Großherzogtu Oldenburg) geboren. Seine eigentliche landwirtschftliche Ausbildung begann er 1802 in de erst 1798 eingerichteten Landwirtschaftlichen Lehranstalt in Groß-Flottbek bei Hambur unter Lucas Andreas Staudinger. Er setzte sie in Celle bei Albrecht Daniel Thae (1752–1828) fort und schloß seine akademische Laufbahn in Göttingen 1804 ab. Hie hörte er unter anderem auch Vorlesungen über Kant. Der Einfluß der Kantsche Philosophie sollte für seine spätere geistige Grundhaltung von entscheidender Bedeutun sein.

Auf Grund des im Jeverland herrschenden Jüngstenerbrechts konnte Thünen als Erstgeborener das väterliche Gut nicht erben. Nachdem er 1806 geheiratet hatte, fand e seine Existenz zunächst als Pächter des vorpommerschen Gutes in Rubkow. Widrig Umstände veranlassen ihn nach zwei Jahren, Rubkow aufzugeben. Die Zeit der Gutssuche, bi er 1810 das mecklenburgische Gut Tellow pachtet, verbringt die Familie in Liepen be Friedland auf dem Gut des Schwagers Otto Berlin. Hier ist Thünen im Herbst 1809 Gastgebe seines Lehrers Albrecht Daniel Thaer und dessen damaligen Schülers Graf Lehndorff au Ostdeutschland. Lehndorff wird als ein "Mann von ausgezeichnetem Verstande un außerordentlicher Feinheit des Benehmens" beschrieben.

Thünens Gutssuche zog sich in die Länge. Er suchte ein kleines Gut, und er fand e schließlich 1810 in dem 465 Hektar großen Gut Tellow (zehn Kilometer nördlich vo Teterow an der B 108 Richtung Rostock). Hier arbeitete, wirkte und forschte Thünen 4 Jahre bis zu seinem Tode am 22. September 1850. Als Hörer von Vorlesungen über Kan während seiner Göttinger Studienzeit ist sein Wirken und Tun von diesem Geist geprägt Auf der Suche nach der Wahrheit über die Bestimmung des Menschen und das Geschehen in de Natur findet er keine Ruhe. Vor allem aber war Thünen praktischer Landwirt, der er auc als Theoretiker stets geblieben ist. Um diese Seite recht zu würdigen, ist es wichtig darauf hinzuweisen, daß es noch keinen Mineraldünger, keine Pflanzenschutzmittel gab un der Ökologiebegriff erst 1866 durch Ernst Haeckel definiert wurde. Die von Thüne erzielten Ertragssteigerungen kamen also ohne Einsatz von Fremdenergie zustande. Worau das Geheimnis einer Ertragsverdoppelung im Vergleich zum Reichsdurchschnitt in Tello beruhte, soll an einigen Beispielen nachgewiesen werden:

• In der Zeit von 1810 bis 1824 wurden 80 Prozent des Ackerlande "durchgemergelt", dabei aber gleichzeitig auch die Erkenntnis gewonnen, da Mergel die "Dungkraft" nicht erhöht.

• Aushub aus Söllen, Teichen und Gräben (Modde) wurde zur Bodenmelioratio eingesetzt. Die ertragssteigernde Wirkung einer Kombination von Mergelung-Moddung wurd auf 2,5 Zentner Roggen pro Morgen berechnet.

• Mit dem "Besanden" von Niedermoor wurde nicht nur die Nutzbarkeit de Standortes hergestellt und seine Leistungsfähigkeit erhöht, sondern die Torfsubstan zugleich dauerhaft konserviert.

• Über die verbesserte Bodenbearbeitung und die Vertiefung der Ackerkrume mi Hilfe des Tellower Hakenpfluges von 12 auf 18 Zentimeter errechnete Thünen ein Ertragssteigerung von 59 Prozent.

• Nicht ackerfähige Standorte wurden aufgeforstet.

Die Einführung neuer Kulturpflanzen (Klee, Kartoffeln, Raps) und eine klug Fruchtfolgegestaltung runden das erfolgreiche praktische Wirken ab.

Aus heutiger Sicht liegt der ökologische Inhalt dieser Maßnahmen zweifelsfrei auf de Hand. Äußerungen Thünens über die Natur könnten sogar dazu verleiten, in ihm de Ahnherrn des ökologischen Landbaus zu sehen: "Leicht kann die Natur sich an de Leichtsinn der Menschen und Regierungen für die Nichtachtung aller früheren Erfahrunge auf eine furchtbare Weise rächen."

Dem landwirtschaftlichen Fortschritt aus innerem Antrieb verpflichtet, war Thüne unentwegt bestrebt, auch dem Wesen der Dinge auf die Spur zu kommen, "die Einheit de Zwecks in den Gesetzen der Natur zu erkennen …" Thünens Wirtschaft war etwa ei halbes Jahrhundert lang die großartigste Versuchsanstalt im Dienste wissenschaftliche Betriebsmodelle für die Praxis. Für ein erfolgreiches Wirtschaften ist der Reinertra letztlich die entscheidende betriebswirtschaftliche Größe. Mit Hilfe ausgedehnte Rechnungen gelang es ihm, die Boden-fruchtbarkeit (nach Thünen Reichtum de Bodens), die Preise des Produktes und die Entfernung des Gutes zum Absatzort als bestimmende Größen des Reinertrages mathematisch zu analysieren und nachzuweisen daß ihr Einfluß folglich entscheidend ist für die Wahl des Wirtschaftssystems. Die Berechnungen führten im Modellfall zur Festlegung von Grenzen für die einzelne Wirtschaftssysteme. In der Fachwelt verbindet man damit sofort die bildliche Vorstellun von den konzentrischen Kreisen, allgemein nur als "Thünensche Kreise" bekannt.

Der 1826 erschienene Erste Teil seines Werkes "Der isolierte Staat in Beziehun auf Landwirtschaft und Ökonomie" enthält eine tiefgründige Untersuchung über de Einfluß des Weltmarktes auf die Gestaltung des landwirtschaftlichen Produktionsprozesses der zu damaliger Zeit im Mittelpunkt jeglicher wirtschaftlicher Tätigkeit stand. Im 185 herausgegebenen Zweiten Teil des "Isolierten Staates …" geht es unte anderem um die Klärung der Grund- bzw. Landrente. Der klassischen Theori ("Bonitätsrente") von Adam Smith und David Ricardo fügt Thünen die Lage- un Intensitätsrente hinzu.

Thünens theoretisches Betätigungsfeld erstreckt sich aber nicht nur auf den Ertra selbst, sondern ebenso auf die gerechte Verteilung des erarbeiteten Produktes. Sei soziales Engagement umfaßt die Arbeiten zum naturgemäßen Arbeitslohn un Gewinnbeteiligungsmodell. Der naturgemäße Arbeitslohn fand schließlich den in de Fachwelt bekannten mathematischen Ausdruck, die berühmt gewordene Thünensche Lohnformel Ihr wesentlicher Inhalt besteht darin, daß der Arbeiter nicht nur den Mindestlohn zu Reproduktion seiner Arbeitskraft erhält, sondern einen weiteren Teil aus dem erarbeitete Produkt. Lange Zeit beschäftigt sich Thünen mit dem Gedanken eine Gewinnbeteiligungsmodells. Sein Grundgedanke dabei ist, daß ein zufriedener Arbeiter meh leistet, als der, der nur sein Leben fristet. Angesichts der wirtschaftlichen Erfolge, de seit 1846 abgetragenen Schuldenlast, die auf Tellow ruhte, und nicht zuletzt auch in Anbetracht der politischen Situation verfügte er im April 1848, die Gewinnbeteiligun rückwirkend ab 1. Juli 1847 einzuführen. Die Gültigkeitsdauer wird bis 189 festgeschrieben. Jährliche Gewinnanteile verbessern die soziale Situation der Arbeite spürbar. Der Zinsbetrag wird alljährlich ausgezahlt. Das Kapital ist ab dem 60 Lebensjahr zum Zwecke der Altersversorgung verfügbar. Bevor sich Thünens Leben seine Ende zuneigte, errichtete er – auch angesichts scheiternder 48er Hoffnungen – seinen "isolierten Tellower Sozialstaat", der nach seinem Tode noch bis zum End des Jahrhunderts real existierte.

Zu den Gutsbesitzern, die Thünens Beispiel folgten, gehörte vor allem der im Jahr 1886 verstorbene Johann Neumann auf Posegnick bei Gerdauen in Ostdeutschland. Durch die Lektüre des "Isolierten Staates …" angeregt, führte er ein Gewinnbeteiligung auch für seine Arbeiter ein, die er bis an sein Lebensende beibehielt Neumann versicherte gegenüber Theodor v. der Goltz, die Gewinnbeteiligung habe sich mi der Zeit so günstig ausgewirkt, daß der höhere finanzielle Aufwand durch den größere Fleiß der Arbeiter ersetzt worden sei. (Goltz war während seines Ostdeutschlandaufenthalte von 1862 bis 1886 unter anderem Ordinarius für Landwirtschaft und Prorektor an de Albertina.)

Mit der Lohnformel, die sich als Inschrift auf Thünens Grabstein in Belitz findet wies er den Weg, die Lage der Arbeiter unter Berücksichtigung der im kapitalistische Wettbewerb notwendigen Kapitalbildung dennoch zu verbessern. Mit den Arbeiten zu Lohntheorie erwies er sich als Mitbegründer der Grenzproduktivitätstheorie.

Thünens umfassendes Wirken ist ohne eine gefestigte solide weltanschauliche Bindun nicht denkbar. Er erarbeitet sie sich selbst und empfängt sie zum anderen Teil aus de überlieferten christlichen Tradition. Sein tätiges Christentum praktiziert er abe abseits von kirchlicher Frömmigkeit. In dem Satz "Tue, was Dir, wenn alle ander ebenso handeln, zum Heil gereichen würde, und bringe willig die Opfer, die dieses Prinzi fordert, wenn andere dasselbe nicht befolgen" ist der abgewandelte Kantsche Imperati erkennbar.

In Thünens geistiger Grundhaltung finden sich christliche Gesinnung und philosophisch Bildung übergreifend vereint. Das in einer 40jährigen Schaffensperiode in Tello entstandene Gesamtwerk verdient uneingeschränkte wissenschaftliche und auch allgemein öffentliche Beachtung. In der wissenschaftlichen Welt zeigt es bis heute eine bedeutend Nachwirkung. Eine angemessene Ehrung zum 150. Todestag wird deshalb zur moralische Pflicht. Die im Bundesgebiet und darüber hinaus in der ganzen Welt verstreut lebende Menschen aus der verlorenen Provinz Ostdeutschland ehren Thünen mit zwei inzwische mannshohen Kastanien auf dem heutigen Museumsgelände in Tellow. Es handelt sich u Exemplare aus den Früchten wuchtiger Kastanienbäume vom Roßgärter Tor in Königsberg die der Verfasser im September 1994 mit nach Mecklenburg brachte
 
     
     
 
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