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Der getriebene Vater

 
     
 
Nicol Ljubic ist einer der Deutschen mit sogenanntem Migrationshintergrund. Sein Vater Drago wurde in Zagreb geboren, wie der 1971 geborene Sohn zufälligerweise auch, doch aufgewachsen ist Nicol hauptsächlich in Deutschland beziehungsweise in den vielen Orten, in denen sein Vater für die Lufthansa tätig war. Nicols Muttersprache ist Deutsch, seine Mutter ist Deutsche und sein Lebensumfeld ist auch deutsch. Doch es vereinen sich eben zwei Nationen in Nicol und dieser einen unbekannten ging er mit Hilfe seines inzwischen berufs
unfähigen Vaters nach. Auch war der Sohn neugierig, ob die vielen scheinbar phantastischen Geschichten, die sein Vater ihm über seine Jugendjahre in Jugoslawien und den Weggang aus dem Vielvölkerstaat erzählt hat, der Realität entsprechen.

In "Heimatroman oder Wie mein Vater ein Deutscher wurde" schildert der Journalist Nicol Ljubic die Suche nach seinen jugoslawischen Wurzeln und dem Menschen, der sein Vater in den 50er und 60er Jahren war. Nicol findet Verwandte und Menschen, die vollkommen anders sind als sein deutsches Ich.

Gleichzeitig erzählt er aber auch ein Stück deutsche Geschichte, von Migranten, die als Gastarbeiter nach Deutschland kamen und dort mitanpackten, um nachher deutscher zu werden als die Deutschen selbst. Plötzlich hört der Sohn Geschichten von einem draufgängerischen, jungen Drago, die überhaupt nicht zu seinem Bild von seinem Vater passen. Auch erlebt Nicol, wie sein Vater seine bisher ungekannte jugoslawische Seite auslebt und dabei offen über die Fehler seiner Wahlheimat redet. "Deutschland ist zu sozial", so der alte Drago.

Aber der Autor erzählt nicht nur von der Reise mit seinem Vater und dem Besuch bei dessen Familie, sondern er vergleicht diese auch mit der Familie seiner Mutter. Besonders seine schlesische Oma gibt ihm ein Rätsel auf, das der Journalist jedoch selber entschlüsselt. "Meine Großmutter ist jeden Freitag zum Schlesiertreffen gegangen ... Diese Sehnsucht konnte ich mir nie erklären. Vielleicht konnte ich es mir auch deswegen nicht vorstellen, weil mein Vater so ganz anders mit seiner Flucht umgegangen war, Sehnsucht nach seiner Heimat schien er nicht zu verspüren, und an die Emigration erinnerte er sich nicht mit Tränen; sie war zur Abenteuergeschichte geworden, ein Held zog aus, um die Welt zu erobern. Aber vielleicht ist es dieses kleine Präfix, das den Unterschied macht: er, der Getriebene, sie, die Vertriebene." Fritz Hegelmann

Nicol Ljubic: "Heimatroman oder Wie mein Vater ein Deutscher wurde", DVA, München 2006, geb., 212 Seiten, 17,90 Euro 5934
 
     
     
 
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