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Der hilflose Mensch als Thema - Graphiker Charles Girod

 
     
 
Er war erst Quartaner, da wußte er bereits, daß er Maler werden wollte. Seine Schwester Elisabeth erinnerte sich an diese Zeit und daran, daß er sich nur eines wünschte: "Tuben, Tuben" – gemeint waren Ölfarben. Ein erstes Pastell – die vergrößerte Kopie einer Ansicht von Sorent aus dem Geographiebuch – wurde in einem Lycker Rahmengeschäft ausgestellt und fand in einem Bierwagenkutscher gar einen Käufer. Bis allerdings aus dem jungen Charles Girod ein wirklicher Künstler werden würde, sollte noch einige Zeit ins Land gehen ...

Geboren wurde der Masure mit Leib und Seele als Nachfahre hugenottischer Einwanderer vor 100 Jahren am 9. April 1897 in Lyck. Dort war es wohl auch, daß er seine tiefe Liebe zur Natur, zu dem ostdeutschen Land und seinen Menschen entdeckte. – "In seinen dämmerumleuchteten masurischen Landschaften", so Karl Herbert Kühn vor 40 Jahren im , "erfaßte Charles Girod mit Auge und Seele nicht minder unverkennbar in der Art seines Stils das Land seiner Heimat und gab ihm malerisch
en Ausdruck, der so allein aus dem Gefühl eines in dieser Landschaft Geborenen, eines in ihr Aufgewachsenen sich zu bilden vermag."

Die Familie siedelt 1917 von Lyck nach Königsberg über, als der Vater vorzeitig pensioniert wird. 1918 kommt Charles als Feldartillerist an die Westfront. Nicht verwundet, aber doch schwerkrank findet man ihn wenig später in einem Lazarett in Lahr/Baden. Nach der Entlassung aus dem Militärdienst kehrt Girod nach Königsberg zurück und kann sich dort endlich endgültig der Kunst zuwenden. Er studiert an der Kunstakademie und wird Schüler von Professor Artur Degner. Elisabeth Girod erinnert sich: "In der kleinen Witwenwohnung unserer Mutter – der Vater starb 1919 – ging es oft temperamentvoll zu. Nicht nur Studiengenossen und andere Freunde, auch Schriftsteller, Journalisten, Musiker und Schauspieler fanden sich zum Musizieren, zu Lesungen und Diskussionen ein. Als Charles später sein großes Atelier in der Kunstakademie hatte, verlagerten sich die Zusammenkünfte dorthin."

Mitte der zwanziger Jahre zog Girod nach Berlin, wo er unter anderem als Mitarbeiter der "Berliner Illustrierten Zeitung" und des "Uhu" war. Von Berlin aus unternahm er oft Reisen in die Heimat, nach Masuren, aber auch nach Schlesien und nach Sizilien. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete Girod ein zweites Mal und lebte seit 1943 auf dem Gut seines Schwagers in Schlesien. Von dort mußte er im Zweiten Weltkrieg auf die Flucht gehen. Zurück blieben große Mappen mit Zeichnungen, Aquarellen und seinem gesamten Archiv. Am 28. Mai 1945 starb der Zeichner und Maler Charles Girod schwer lungenkrank in Bad Köstritz in Thüringen. Von seinen Arbeiten wird das größte Teil ein Opfer des Krieges geworden sein.

"In den Zeichnungen", so Karl Herbert Kühn, "trat das geistige Gesicht dieses Künstlers am klarsten, am fesselndsten in Erscheinung. Der hilflose Mensch, der armselige, kleine, in die Weite einer Welt, eines Lebens gestellt, die ihn übermächtig, ohne Mitleid und Erbarmen umgeben: das ist das Thema Girods, das er unablässig in einer Fülle von Varianten behandelte, ernst und mit Anklage, ironisch und mit Witz, dunkel und aufgehellt [...] Es ist nicht die Sicherheit des Striches allein, die uns bei Girod überzeugt, es ist darüber hinaus die bewundernswerte Kraft, eine innere Vision, ein Gefühl, einen Gedanken mit den Mitteln einer Zeichnung genau so wiederzugeben, wie sie entstanden und nach künstlerischer Darstellung verlangten ..."

Charles Girod – ein Künstler aus Ostdeutschland, der wie viele in unserer heute so schnellebigen Zeit in Vergessenheit geraten sein dürfte. Ein Künstler, dessen Schaffen jedoch wie ein kleines, buntes Mosaiksteinchen im großen Bild ostdeutscher Kulturleistungen wirkt. Ohne diese Mosaiksteinchen wäre eben dieses Bild nicht gar so vielfältig und bunt, wäre unsere Welt ärmer ...

 
     
     
 
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