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Deutsche Sprache als Brücke zueinander

 
     
 
Dieser Streit hat Tradition. Zunächst eine Tradition des Wegschauens, jetzt die der üblichen medialen Hysterie. Von Multikulti-Lüge bis hin zu plattem Populismus und gar politischem Rassismus reicht die Palette der gegenseitigen Vorwürfe. Wenn man sich beruhigt haben wird, wird die Wende in der Ausländerpolitik genommen oder verpaßt sein, je nachdem, wer sich durchsetzt. Da mittlerweile aber bekannt ist, daß Ausländer eher in die Sozialsystem
e einwandern als diese entlasten - 2000 Euro netto kostet derzeit jeder Einwanderer pro Jahr - und daß sie auch demographisch "nichts bringen", wird man sich auf ein System, ähnlich wie bei den Angelsachsen einigen. Die Einwanderung wird kontrollierter vonstatten gehen, mit Kontingenten je nach Berufsgruppen und Herkunftsländern. Aber soweit ist man noch lange nicht. Erst mal wird wie immer in Deutschland grundsätzlich diskutiert. Denn der Streit um die Integration ist ein Streit um die Leitkultur in diesem Land. Und dieser Streit ist notwendig.

Von Rot-Grün war nie zu erwarten, daß Deutschland geachtet, geschweige denn geliebt werde. Immer schwang, besonders bei den sogenannten politischen Alpha-Tieren Schröder und Fischer ein emotionales Anti-Element mit. Sie waren dagegen. Ihre Identifikation mit Deutschland war von den 68er-Erfahrungen gleichsam überschattet, sie strebten die Integration Deutschlands in ihr persönliches System, in ihre eigene, individuelle Lebensvorstellung an. Schröder verfährt auch jetzt noch nach dieser Maxime: Im Interesse Deutschlands liegt alles, was mir nützt. Die Union dagegen, gelähmt vom multikulturellen Zeitgeist, wagte es nicht, offen gegen diese im Kern das Allgemeinwohl zerstörerische Haltung anzugehen. Nur selten sprach sich der eine oder andere Politiker, etwa Friedrich Merz, für eine Debatte über die Leitkultur aus.

Diese Debatte ist nicht nur notwendig, um das Erbe der 68er abzuarbeiten. Sie ist auch von der Sache her notwendig, denn sie berührt die Identität dieses Landes und seines Volkes. Sie hätte längst, auch schon vor dem Fall der Mauer geführt werden müssen. Es reicht nicht, ab und an zu sagen, ich bin stolz ein Deutscher zu sein. Das führt nicht weit, kommt auch ein wenig trotzig und pubertär daher. Wichtig ist, Kriterien für die Kultur in diesem Land zu benennen. Insofern ist der Fragebogen prinzipiell richtig. Was zum Integrationskanon des Deutschen gehört, ist dann eine Detailfrage und übrigens auch eine Frage des Bildungssystems. Man kann von ausländischen - auch von deutschen - Schülern nicht abfragen, was sie in der Schule nicht (mehr) lernen. Wer mehr über das Sortieren von Müll weiß als über den Freiheitsbegriff in Amerika oder mehr über die zwölf dunklen Jahre der deutschen Geschichte als über die knapp tausend Jahre davor und erst recht über die 50 insgesamt doch hoffnungsvollen Jahre danach, von dem ist nicht zu erwarten, daß er Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kulturell einordnen kann. Diese Einordnungsfähigkeit aber skizziert die Identität, den Halte- und Standpunkt in der Welt.

Die Forderung der CSU nach einer Integrationspflicht ist zunächst die Forderung an sich selbst, den Integrations-Rahmen, die eigene Kultur zu definieren. Man kann schlechterdings von einem Muslim fordern, daß er sich völlig in ein christliches Land integriert. Das wäre die Pflicht zur Konversion (entweder zum christlichen Glauben oder zum Atheismus, der ja hierzulande auch weit verbreitet ist) und würde unserem Freiheitsverständnis widersprechen. Man kann aber von ihm und allen anderen erwarten, daß er das Grundgesetz respektiert, also etwa die Gleichheit von Mann und Frau - zumindest vor dem deutschen Gesetz. Hier dürfte die Debatte interessant werden, denn die Unterwerfung der Frau gehört zum Grundgesetz der Muslime. Für sie und für die deutschen Politiker stellt sich die Frage: Können sich Muslime überhaupt in eine Demokratie integrieren ohne ihrer Religion, die ja de facto eine Ideologie ist, untreu zu werden? Was in den eigenen oder fremden vier Wänden geschieht, entzieht sich den Augen des Staates, und dieser hat jahrzehntelang auch weggeschaut. Heute verlangen die Muslime schon kulturelles Mitspracherecht, was auf eine Auflösung der Kultur und Identität der Deutschen hinausläuft. Wie soll man das überprüfen? Eines aber kann man verlangen: Daß der Integrationswillige die Sprache erlernt. Ohne das bilden sich automatisch Parallelgesellschaften. Die Sprache ist nach einem Wort von Humboldt "der Geistleib des Menschen", ohne sie gibt es keine Kommunikation, mithin keine soziale Dimension. Wer kein Deutsch lernt, grenzt sich selber aus. Hier hat die Union durchaus recht.

Das also ist des Pudels Kern: Identität bestimmen und Sprachkenntnis einfordern. Hier gibt es eine Bringschuld der Deutschen gegenüber den Ausländern und eine Pflicht der Ausländer gegenüber Deutschland. Beides ist nachprüfbar. Integration ist keine Einbahnstraße. Das muß auch die CSU noch lernen.

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