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Die Blütenträume sind geplatzt

 
     
 
Die Blütenträume der US-Regierung hinsichtlich ihres Irak-Abenteuers sind wie Seifenblasen zerplatzt. Der Krieg sei geboten, weil der Irak die Sicherheit der USA gefährde und Massenvernichtungsmittel besitze, so der US-Präsident. Man werde in wenigen Wochen das Schurkenregime im Irak beseitigt haben, die Bevölkerung werde die Befreiungsarmee mit Brot und Salz empfangen, die Verbündeten würden dem Irak Frieden, Freiheit, Menschenrechte
bringen, die Würde des irakischen Volkes werde beachtet beziehungsweise wiederhergestellt. So äußerten sich die US-Strategen im Weißen Haus und im Pentagon, aber auch die europäischen Koalitionäre bei Beginn des Krieges am 19. März 2003.

Tatsächlich wurde der militärisch drittklassige Irak innerhalb von vier Wochen niedergeworfen, das Regime gestürzt. Eine Befriedung des Landes im Sinne der hehren Ziele der Invasoren konnte bis heute auch nicht annähernd erreicht werden.

Für einen kleinen Teil der Menschen im Irak bedeutete der Sturz des Regimes mehr Lebensqualität. Für den größeren Teil aber war das Jahr eins nach Saddam Hussein ärger als das letzte Jahr mit dem Diktator. Die Osterwoche brachte über 600 Irakern den Tod, doppelt so viele wurden verletzt, wie viele zum Krüppel wurden, bleibt ungewiß. Im April 2004 starben bisher über 70 US-Soldaten, und mehr als ein Dutzend Ausländer wurde durch militante Irakis entführt. Die beiden getöteten BGS-Beamten der Spezialeinheit GSG 9 sollen nicht unerwähnt bleiben.

Der militante Widerstand gegen die Besatzungstruppen im Irak wird in der Regel als Terrorismus oder kriminelle Bandentätigkeit bezeichnet. Dies ist allenfalls die halbe Wahrheit und zeugt von einer Fehleinschätzung seitens der Amerikaner und Europäer hinsichtlich der Motivation der irakischen Kämpfer. Sie sehen sich als Widerstands- beziehungsweise Freiheitskämpfer gegen ein Besatzungsregime, welches mit seinen "fragwürdigen Errungenschaften" zumindest eine geistige Versklavung des Landes fördert. So sehen es jedenfalls viele Iraker.

Der überwiegende Teil der arabischen Bevölkerung lehnt westliche Wertvorstellungen ab. Sie sind ihnen fremd. Die Menschen des Nahen und Mittleren Ostens haben eine eigene, nach Jahrtausenden zählende Kultur- und Geistesgeschichte. Sie haben einen anderen Begriff von Freiheit als die Europäer. Diese Prägung kann man nicht mit Panzern und Raketen beseitigen. Für die Iraker gilt noch, was den Deutschen vor 150 Jahren nicht unbekannt war: "Und setzet Ihr nicht das Leben ein, nie wird Euch die Freiheit gewonnen sein."

Auch haben sich die USA kaltschnäuzig der irakischen Ölquellen bemächtigt, so daß schon dadurch eine ambivalente politische Zielsetzung des Krieges deutlich wird. Eine rigorose Besatzungspolitik der Amerikaner - nicht der europäischen Besatzungsmächte -, die Installierung eines willfähigen irakischen Regierungsrates, der keine Kompetenz besitzt, vermitteln den Einheimischen mehr und mehr das Gefühlt, ein besetztes und besiegtes Land zu sein. Es ist eingetreten, was Peter Scholl-Latour und andere Kriegsgegner zu Beginn des Krieges prognostiziert haben. Der Einmarsch im Irak werde eine Solidarisierungswelle in der arabischen Welt hervorrufen, Chaos statt Stabilität und Frieden werden das Ergebnis des Angriffs sein.

Der durch den US-Angriff angerichtete materielle und psychologische Schaden ist unvorstellbar. Die amerikanische Politik befindet sich in einer Sackgasse. Der Ausweg: Die Uno muß die Federführung über die gesamten Irak-Aktivitäten erhalten. Die volle Rückgabe der Souveränität an das irakische Volk einschließlich der Verfügungsgewalt über die Ölquellen in Jahresfrist muß die Zielvorstellung der Uno sein. Arabische Länder sind an Ordnungs- und Schutzfunktionen im Irak zu beteiligen. Amerikanische Truppen sind baldmöglichst abzuziehen. Schadensbegrenzung muß die Devise sein. Das weitere wird sich finden.

Foto: Der Krieg ist vorbei, der Kampf hat begonnen: Entgegen den US-amerikanischen Erwartungen wurden die US-Truppen im Irak nicht als willkommene Befreier begrüßt. Foto: S. Nelson/Getty

 
     
     
 
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