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Die Krönung des Berliner Friedenstores

 
     
 
Die erste monumentale Quadriga der Neuzeit sollte den krönenden Abschluß des Brandenburger Tores bilden. Das politische Programm zum Viergespann formulierte der Baumeister des Tores, Carl Gotthard Langhans, in einem "Pro Memoria" wie folgt: "Die auf der Attique stehende Quadriga stellet den Triumph des Friedens vor". Für die praktische Umsetzung traf sich der Baumeister am 13. März 1798 in Berlin zu einem Arbeitsgespräch mit dem Potsdamer Kupferschmied Emmanuel Jury und dem Direktor der Hofbildhauerwerkstatt, dem königlich
en Hofbildhauer Johann Gottfried Schadow, dem die künstlerische Verantwortung für die Ausführung der Figurengruppe oblag.

"Nachdem sich der Kupferschmidt Jury weitläufig erkläret hatte, in welcher Art er mit seiner Arbeit zu werke gehen wolle und könne, wurde beschlossen, daß von Hr. Schadow ein Modell nach einem Maasstabe, was 11/2 Zoll für 1 Fuß [Maßstab 1:8] angenommen wird, zu fertigen sey, welches die Maaße einer Gruppe von 4 Pferde und einen Wagen nebst der Victoria deutlich ausdrückte, wornach sodenn das große Modell, dessen Pferde mit dem Kopf 10 Fuß hoch sein sollten, von Holz zum wahren Modell in der Größe gefertigt würden, wie die ganze Gruppe in natura sein sollte. Es wurde hierbey bemerkt, daß es am besten sein würde, dieses große hölzerne Modell gerade hier in Berlin machen zu lassen, damit selbiges unter beständiger Aufsicht, der Intention vollkommen gemäß ausgeführt werden könne ..." Auf den Holzmodellen in Originalgröße, von denen im Protokoll die Rede ist, sollte dann vom Kupferschmied das Kupferblech getrieben werden.

Hinsichtlich der vier Rösser wurde entschieden, "daß ein jedes Pferd aus zwei Stücken in Kupfer gemacht, und die Fuge durch einen römischen Gurt um den Leib verdeckt werden könne. Und da die Stellungen der Pferde von zwei zu zwei ziemlich gleichförmig sind, sich aber in der Natur ganz verschieden darstellen, so wurde für gut befunden, nur zwei große Pferde von verschiedenen Stellungen, jedoch aber vier verschiedene Wendungen der Köpfe zu machen." Um Schadow für die Gestaltung der Tiere ein Motiv zu geben, "wurde einer der Beamten im Königlichen Marstalle angewiesen, so zu reiten, daß" er "darnach Zeichnungen nehmen konnte".

Als Motiv für die Lenkerin des Triumphwagens bediente sich Schadow der Legende nach einer Verwandten des Kupferschmiedes Emmanuel Jury. Sprechen die einen in diesem Zusammenhang von seiner Tochter Ulrike Jury, so die anderen von Friederike Jury, der ältesten Tochter seines Bruders Samuel Jury. Wenn auch diesbezüglich das Motto gilt: "Nichts genaues weiß man nicht", so steht doch zumindest fest, daß es sich um eine "Frau ohne Verhältnis" handelt, denn im Vergleich zu den vier Meter hohen Pferden bricht sie mit 41/2 Metern Länge beziehungsweise Höhe jede Norm. Auch Schadow blieb dieses Mißverhältnis nicht unbemerkt. Am 30. Juni besuchte der Künstler zum wiederholten Male Potsdam, um sich von den Fortschritten bei der Umsetzung seiner Idee ein Bild zu machen. Im entsprechenden Protokoll heißt es über die Wagenlenkerin: "Sie ist im Ganzen gut gearbeitet, mit den Pferden verglichen aber etwas zu groß." Hierin sah der Hofbildhauer allerdings offenkundig kein Problem, denn im Protokoll heißt es weiter: "Da aber von der Figur durch den Vorderteil des Wagens mehr als die Hälfte bedeckt wird, so kann dieses Mißverhältnis nicht bemerkt werden." Nachbesserungsbedarf wurde allerdings bei den Flügeln gesehen: "Die Flügel dieser Figur sind so auffallend fehlerhaft, daß einstimmig geurteilt wurde, sie könnten unmöglich beibehalten werden."

Nachdem die Änderungswünsche umgesetzt und das Kunstwerk vollendet war, fand am 16. Juni 1793 sein Transport auf zwei Kähnen vom Herstellungsort Potsdam zum Bestimmungsort Berlin statt. Am 10. Juli fällte die Akademie der Künste die endgültige Entscheidung "über die Stellung des Siegeswagens". Die Göttin auf dem anfänglich offiziell als "Friedenstor" bezeichneten Brandenburger Tor trägt die Friedensbotschaft in die Stadt, fährt also gen Osten. Ebenfalls am 10. Juli 1793 oder zumindest um dieses Datum - die Angaben variieren hier - fand auch die Aufstellung von Schadows Kunstwerk auf Langhans Bauwerk statt.

Der König, Friedrich Wilhelm II., war offenkundig mit dem von ihm in Auftrag gegebenen Werk zufrieden, denn einen Tag später erließ er den Befehl: "Ich habe die ... Meinung der Academie der bildenden Künste, betreffend die auf dem neuen Brandenburger Thor in Berlin nunmehro aufgestellte Quadrige gantz gegründet und will daher, daß diese außerordentlich gut gerathene Quadriga nicht verguldet, sondern ihre natürliche Farbe behalte."

Trotz dieser Anerkennung von höchster Stelle blieb die Quadriga nur kurze Zeit unverändert. Ihr eigener Erschaffer schrieb bereits ein gutes Jahr später, im November 1794, an Langhans: "Meiner unmaßgeblichen Meinung nach scheint es auch notwendig der Quadriga ein fliegendes Gewand zu geben, indem sowohl die Academie der Künste, als das Publikum der Ansicht wären, daß sie von hinten so steif und kahl aussähe." So erhielt die Göttin eine züchtigere Bekleidung.

Auch mit den Attributen, welche die Göttin als Siegerin auszeichneten, ging der Künstler kritisch ins Gericht. Nach seinen eigenen Worten "war auf der Stange", die sie hielt, "ein Curass und Helm und die Leute sagten: es sehe aus wie eine Laterne". Auch verglich die berühmt-berüchtigte Berliner Schnauze das Aussehen der Siegesattribute mit dem eines Maikäfers. Auch in diesem Falle wurde reagiert. An die Stelle von Curass und Helm traten 1795 Lorbeerkranz und römischer Adler. Diese antike Kombination wurde nach den Befreiungskriegen durch die uns heutige geläufige preußische Kombination aus Eichenlaubkranz, Eisernem Kreuz und preußischem Adler ersetzt.

Wenn die Quadriga damit auch ein uns heute geläufiges Aussehen erhalten hatte, so existiert sie doch nicht mehr. Was der Zweite Weltkrieg von ihr übrigließ, wurde 1950 ein Opfer der DDR-Bilderstürmerei. Das Vierergespann, das wir kennen und auf dem Brandenburger Tor bewundern können, wenn wir in Berlin sind, ist eine Nachbildung aus der Nachkriegszeit. M. R.

 
     
     
 
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