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Die grüne Doppelmoral

 
     
 
Ein seltener Anblick: Claudia Roth, der grünen Vorturnerin mit dem zirkusreifen Spagat in allen politischen Fragen, gefriert ihr gewohntes Supercinemascope-Breitwandgrinsen zur starren Maske, da helfen auch die dicksten Schichten TV-Schminke nicht mehr, Frau Roth ist richtig sauer. Warum? Peter Hahne, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk einer der letzten vom Fähnlein der Aufrechten, hatte es gewagt, Zweifel an der Prinzipientreue linksalternativer Ideologen anzumelden: die Macht in Berlin sei ihnen wohl wichtiger als die Menschenrechte
in Peking oder Moskau.

Erinnern wir uns: Als die Grünen noch eine "Bewegung" waren, stand eine rigorose Menschenrechtspolitik ganz oben auf ihrem Forderungskatalog. Als sie dann eine Partei wurden, änderte sich daran zunächst nichts - zumindest in der Theorie. Sie waren "die" Menschenrechtspartei schlechthin, und so gelang es ihnen, von Wahl zu Wahl ein Wählerpotential, das seit einem Vierteljahrhundert ziemlich bei etwa zehn Prozent liegt, zu mobilisieren, unterstützt von einem überproportional großen Freundeskreis in den Medien.

Als die Grünen dann auch noch Regierungspartei wurden, kamen die Probleme. Sie mußten lernen, daß die "reine Lehre" sich massiv von dem unterscheidet, was man in konkretes politisches Handeln umsetzen kann. Auch wenn Roth, Fischer, Trittin und Genossen vermutlich nicht viel von Bismarck halten - daß er mit seiner "Politik als Kunst des Möglichen" durchaus richtig lag, scheint sich irgendwann in den späten 80er, frühen 90er Jahren auch in den grünsten Kreisen herumgesprochen zu haben.

Das war sozusagen die Stunde der Realos: Man akzeptierte stillschweigend, daß dieses System der FDGO (wie die freiheitlich-demokratische Grundordnung verächtlicht gemacht wurde) nur funktionieren konnte, wenn man im politischen Alltag zu Kompromissen bereit war.

Damit hatte sich für die Grünen (beziehungsweise all die Stalinisten, Trotzkisten, Maoisten, Leninisten, Marxisten, die sich der vorgeblichen Umweltbewegung be- mächtigt hatten) die Taktik geändert, nicht aber das strategische Ziel: die Zerstörung, zumindest aber die radikale Veränderung des Systems. Nachdem der revolutionäre Weg der RAF, der Krieg gegen die Institutionen, gescheitert war, entsann man sich des von Rudi Dutschke vorgegebenen "friedlichen" Weges - zielsicher führte dessen "Marsch durch die Institutionen" über die Medien, die Bildungseinrichtungen, die Justiz in die Parlamente und schließlich auf die Regierungsbänke.

Nun galt es, die Macht und den Zugang zur "Staatsknete" zu erhalten. Anfang um des hehren Zieles willen, möglichst viel von den eigenen politischen Forderungen zu verwirklichen (was man bekanntlich nur kann, wenn man über Macht und Mittel verfügt). Inzwischen aber haben die Grünen-Politiker und ihre Wähler-Klientel sich an die angenehmen Seiten eines Lebens als Regierungspartner gewöhnt. Das will man sich erhalten, um jeden Preis.

Wenn Kanzler Schröder dann, gegen Volk und Parlament, China mit Waffen beliefern will - na und? Wenn er auf der Hannover-Messe mit Putin und dessen tschetschenischem Vollstreckungsgehilfen freundschaftlich plaudert, als sei fern im Kaukasus die Welt völlig in Ordnung - was soll s? Schröder ist ja eigentlich auch für die Menschenrechte, aber er kann doch nicht den ganzen Tag lang mit der UN-Menschenrechtskonvention unterm Arm in der Weltgeschichte herumlaufen, insbesondere wenn es um Milliardengeschäfte geht. Das ist es, was von den hohen moralischen Ansprüchen der Grünen übriggeblieben ist - eine verlogene Doppelmoral.
 
     
     
 
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