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Die zwei Jotts auf der Walz

 
     
 
Die "zwei Jotts" waren keine Seiltänzer oder Trapez-Akrobaten. Sie traten also nicht in einem Wanderzirkus auf, der durch die ostdeutschen Lande zog und in jeder Stadt oder auch in allen größeren Marktflecken für ein paar Tage sein buntes Zelt errichtete. Der Name freilich, der seinerzeit besonders in Masuren in vieler Munde war, hätte für ein solches Artisten-Duo ganz sicher gut gepaßt.

Er war jedoch auf ein Paar gemünzt, das sich ebenfalls ständig auf Wanderschaft befand, aber jener Zunft zugerechnet werden mußte, deren Mitglieder man durchaus zutreffend als Landstreicher oder Tippelbrüder bezeichnen konnte. Und die "zwei Jotts" wurden so genannt, weil sie mit sozusagen bürgerlichen Namen Johann und Jochen hießen.

Sie galten als unzertrennlich und walzten bereits seit einer ganzen Reihe von Jahren über die Chaussee
n und Sandwege, welche die Bauerndörfer und Kleinstädte im Masurischen verbanden. Und es ging ihnen wahrhaftig nicht schlecht dabei, denn fast jedermann kannte die beiden Vagabunden und hatte immer wieder einmal ein Dittchen für sie übrig oder gar einen Groschen.

Und wenn sie dennoch klamm waren, der Johann und der Jochen, dann verlief sich wohl ein Huhn in ihre Wandertaschen oder es fand sich in einem Heuschober ein Nest voller Eierchen. Natürlich blieb es da nicht aus, daß die "zwei Jotts" gelegentlich Bekanntschaft machten mit dem Auge des Gesetzes. Worunte die Gendarmerie zu verstehen ist, welche für Ordnung zu sorgen hatte und dies auch tat.

Auszukommen war mit den Dienern der Obrigkeit auf Dauer nicht, da es der Paragraphen viele gab, gegen die ein Landfahrer verstoßen konnte. Und so geschah es, daß Johann und Jochen wieder einmal auf dem Armesünder-Bänkchen saßen und Rede und Antwort stehen mußten. Sie nannten brav und folgsam ihre Namen. Dann wollte der Herr Amtsrichter wissen: "Und - wo wohnt ihr denn?"

Johann bezog die Frage auf sich und antwortete: "Wo, Herr Justizrat, wird einer wie ich schon wohnen? Ieberall und nirgends." Der Richter, jung und forsch, mit einem veritablen Schmiß im Gesicht, runzelte mächtig die Stirn. Etwas unwirsch wandte er sich dem zweiten Angeklagten zu: "Und wie steht s da mit uns?" Jochen erwiderte prompt: "Nu ich - ich bin sein Nachbar."

Kein Wunder, daß sich die Wangennarbe des Herrn in der schwarzen Robe etwas rötete. Dennoch fuhr er in der Feststellung der Personalien fort und meinte: "Und wie ist es mit dem Beruf? Habt wohl keinen, oder?" Aber Jochen widersprach: "Nei, nei. Das tut nich stimmen. Ich bin Gelegenheitsarbeiter!" Der Richter hob die Augenbrauen: "So, so. Und wann ist Gelegenheit zum Arbeiten?"

"Immer, wenn Kinderfest ist in Stradaunen, was mein Geburtsort ist und der von Johann auch. Dann helf ich mit, die Kletterstange aufzustellen. Und mit Seif schmier ich sie auch ein, damit es nich so leicht ist für die Lorbasse." Der Amtsrichter mußte nun doch schmunzeln: "Und der Kumpel da, der macht wohl auch mit?" Aber Johann winkte entrüstet ab: "Aber nich doch. Ich faulenz lieber."

Mit dem Faulenzen war das freilich so eine Sache, die sich selbst die "zwei Jotts" nicht immer leisten konnten. Ab und an mußten auch sie in den sauren Apfel beißen, der da "Arbeit" hieß. Als es für die beiden erneut keinen anderen Ausweg gab, fanden sie Beschäftigung in einer Sägemühle, in der die mächtigen Kiefernstämme, die in den masurischen Wäldern zuhauf wuchsen, zu handlichen Brettern geschnitten wurden.

Dort mußten Johann und Jochen besagte Bretter etwa 100 Schritt weit zu einem Lagerplatz tragen und ordentlich aufstapeln. Sie taten es mit viel Gestöhn und Geseufze und versicherten sich, sie hätten ein derart schweres Los nicht verdient. Allerdings - es lief ihnen dabei der Schweiß nicht unbedingt in Strömen von der Stirn. Das bemerkte auch der Sägewerksbesitzer, ein gewisser Ludwig Kowalski, als er sich auf einem Kontrollgang befand. Er wandte sich an die "zwei Jotts" und sprach: "Warum, möcht ich wissen, nehmt ihr immer nur ein Brett auf die Schultern? Alle anderen tragen gleich drei oder vier!"

Johann schnaufte verächtlich: "Das, Meisterchen, ist doch ganz einfach. Die anderen, die sind zu faul, um ein paarmal hin und her zu laufen."

Natürlich war es nun vorbei mit der Arbeit im Sägewerk des Herrn Kowalski und unsere Stromer konnten sich wieder dem süßen Müßiggang hingeben. Das taten sie am Ufer eines der vielen masurischen Seen. Es war ein herrlicher Sommertag und sie hatten gut "gespeist". Einen fetten Barsch nämlich, den Jochen geangelt und am offenen Feuer gebraten hatte. Dazu gab es Kartoffelchen, von Johann aus einem Akker gebuddelt und in der heißen Asche gebacken.

Beides hatte ausgezeichnet gemundet. Nun schmauchte jeder sein Pfeifchen und ließ den Herrgott einen guten Mann sein. Aber halt, etwas fehlte noch zu völliger Zufriedenheit. Johann merkte es zuerst: "Hast", so fragte er seinen Wandergefährten, "hast noch bißchen Schnaps?" Jochen schüttelte den Kopf und wies auf seine leere Flasche. Und auch die von Johann enthielt keinen einzigen Tropfen mehr.

Doch die "zwei Jotts" zeigten sich, wie fast immer, durchaus erfindungsreich. Sie wußten im nahegelegenen Dorf einen Krugwirt, der einen verteufelt scharfen "Kornus" brannte und direkt aus dem Holzfaß ausschenkte. Dorthin zogen sie einträchtig, nachdem sie eine der leeren Flaschen mit reinstem Brunnenwasser gefüllt hatten, was zur Ausführung ihres Planes unbedingt nötig war.

Im Krug ging dann alles sozusagen wie geschmiert. Der arglose Wirt ließ den klaren Schnaps wie gewünscht in die dargereichte Flasche laufen, korkte sie zu und sagte: "Hier habt ihr. Kostet eine Mark und zwei Dittchen."

Johann und Jochen stülpten ihre Taschen um, doch lediglich ein kümmerlicher Pfennig fiel heraus. "Kein Geld, kein Schnaps!" sagte der Wirt lakonisch und langte nach der Flasche, die ihm bereitwillig hingehalten wurde.

Das war aber selbstverständlich diejenige, welche mit Wasser gefüllt war. Deren Inhalt verschwand nun in dem Faß mit dem guten Korn und alle waren es zufrieden. Besonders freilich die "zwei Jotts", die frohen Mutes zu ihrem Lagerplatz am Seeufer zurückkehrten und allsogleich den Schnaps durch ihre immer durstigen Kehlen laufen lassen konnten.

Diese Geschichte hatte das Stromer-Duo übermütig gemacht. Als sie drei Tage und etliche Kilometerchen später vor einer anderen Dorfgaststätte standen, ging der Gaul mit ihnen durch. Frech wie Oskar marschierten sie in die Wirtsstube und fragten, was es Gutes zu Essen gäbe. Die Schankmarjell beäugte sie ob ihrer nicht gerade herrschaftlichen Kleidung etwas mißtrauisch, gab jedoch Auskunft und nahm die Bestellung entgegen.

Nachdem die "zwei Jotts" gesättigt waren, kamen die Kalamitäten. Denn es erwies sich, daß sie wiederum kein Geld besaßen. Der herbeigerufene Wirt stellte kurzerhand fest: "Die Polizei muß her!" Worauf es sich Johann nicht verkneifen konnte, mit diesem Spruch zu antworten: "Meinswegen könnt ihr die Gendarmen holen. Aber ich glaub nich , daß sie werden bezahlen für uns."

Selbstredend hatte dies zur Folge, daß Johann und sein Kumpan Jochen erneut vor dem Amtsgericht erscheinen mußten. Und diesmal wurde ihnen doch reichlich blümerant zumute. Denn dieser Herr redete von "Wiederholungstätern" und von "drakonischer Strafe". Und den beiden blieben die losen Worte, die sie sonst immer drauf hatten, diesmal im Hals stecken.

Freilich, so arg schlimm ist es ihnen vor diesem masurischen Gericht dann wohl doch nicht ergangen. Denn schon wenig später zogen die "zwei Jotts" wieder quietschvergnügt über die Landstraßen.

Schönes Land: Der weite Himmel Ostdeutschlands und die herrliche Landschaft verlocken zum Wandern.
 
     
     
 
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