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EU-Frust obsiegt

 
     
 
Eines steht heute schon fest: Stärkste Gruppierung bei den Europa-Wahlen wird die der Nichtwähler sein. Die absolute Mehrheit ist ihr so gut wie sicher, und selbst die Zweidrittelmehrheit scheint in greifbarer Nähe, denn die Umstände sprechen Bände: Erstens ist die Meinung vorherrschend, daß das EU-Parlament "eh nix zu sagen" habe - "und wir dort schon gar nicht". Zweitens wird der EU-Frust in Österreich heute nur noch von jenem in Großbritannien übertroffen. Drittens mangelt es an Persönlichkeiten, denn "nach Europa" gehen nur Politiker, die daheim keiner mehr braucht. Und viertens gibt es keine echten Themen, denn was es gibt, ist entweder marginal oder wird ohnehin von allen Parteien vertreten.

Beginnen wir mit den (Schein-) Themen. Das eine wurde, eher ungewollt, vom neu gewählten Heinz Fischer hochgespielt, der "ein Bundespräsident für alle Österreicher" sein wollte: In einem Interview mit dem türkisch
en Massenblatt Hürriyet ließ er den Österreichern ausrichten, daß er für den EU-Beitritt der Türkei sei, also nur ein Präsident für jene 18 Prozent sein wolle, die dies ebenfalls befürworten. Die Negativreaktionen veranlaßten dann alle Parteien einschließlich der Grünen, sich gegen den Türkei-Beitritt auszusprechen. Wenn man aber das Kleingedruckte ansieht, entpuppt sich das lautstarke "Nein" eigentlich bei allen - selbst bei der FPÖ - als ein eher hilfloses "Noch nicht".

Das andere Thema ist das Spesen-unwesen der EU-Parlamentarier, das der SPÖ-Dissident Hans Peter Martin aufrollte. Dieser war 1999 als "Quereinsteiger" an die erste Stelle der SPÖ-Liste gereiht. Der Egomane Martin hatte sich aber schon bald mit seiner Fraktion überworfen. Wenn er in letzter Minute und mit fragwürdigen Mitteln die Spesengeschichte aufgreift, so ist das zwar publikumswirksam, doch im Rahmen des gesamten europäischen Geldvernichtungssystems sind die Beträge geradezu lächerlich. Daß Martin nun selbst zur EU-Wahl antritt, sorgt jedenfalls für ein wenig Spannung: Wird er als Linker der SPÖ und den Grünen Stimmen wegnehmen? Chancenlos ist er nicht, denn er genießt die Unterstützung der Kronen-Zeitung, die ein schwer kalkulierbarer Faktor in Österreichs Innenpolitik ist. Bezeichnenderweise gründete Martin rasch noch eine Partei, denn nur Parteien, nicht Personen haben Anspruch auf Rückerstattung von Wahlkampfspesen ...

Die SPÖ, bisher stärkste Fraktion, tritt wieder mit dem farblosen Swoboda als Listenführer an. Die ÖVP hätte mit ihrer seit 1996 im EU-Parlament tätigen Spitzenkandidatin, der früheren ORF-Sprecherin Ursula Stenzel, beste Chancen, denn Stenzel erklärte sich deutlicher als ihre Partei gegen den EU-Beitritt der Türkei und wagte es auch, die US-Praktiken im Irak mit NS-Methoden zu vergleichen. Doch die ÖVP insgesamt hat derzeit keine guten Karten. Die Grünen treten mit ihrem langjährigen EU-Vertreter Voggenhuber an, der im Laufe der Jahre gewisse Läuterungsprozesse durchmachte. Rätsel gibt die FPÖ auf, die realistischerweise mit nur zwei Mandaten rechnen kann: Denn erst an dritter Stelle der Kandidatenliste findet sich jemand, der für traditionelle FPÖ-Werte steht! Es ist der bekannte Publizist Andreas Mölzer, Mitherausgeber und Chefredakteur des Wochenblattes Zur Zeit und einziger Kandidat, der sich schon aus prinzipiellen Gründen gegen die Aufnahme der Türkei ausspricht. Erstgereihter ist der schon für die FPÖ im Europa-Parlament tätige parteilose Hans Kronberger, der sich für alternative Energien einsetzt - die aber auch in Österreich heftigen Gegenwind verspüren. Und an zweiter Stelle steht gar ein SPÖ-Überläufer.

Doch ein erfolgversprechendes Thema gibt es: eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung! Mit einem Beschluß dazu könnten die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ die drohende Linksverschiebung aufhalten. Bundeskanzler Schüssel, bisher dagegen, hat - durch das Veto des neuen Türkei-Freundes Chirac - ohnehin keine Chancen mehr, Nachfolger von Prodi zu werden. Wozu dann noch "brav sein"? RGK

 
     
     
 
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