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Edel sei der Mensch

 
     
 
Edel sei das Bier"! So der Hin weis auf den Plakaten. Nun denn, es sei. Manchmal begegnet uns dieses Gütezeichen "Edel" zu Recht, oft aber auch mißbraucht. Gegen die Bezeichnung "Edelhölzer" wäre wohl nichts einzuwenden, aber "Edelmarzipan", "Edelschokolade", Käsesorten, die mit diesem Dekor angepriesen werden! Veredelt solch ein Zusatz den angebotenen Artikel wirklich? "Edel sei der Mensch, hilfreich und gut! Denn das Dasein allein unterscheidet ihn von allen Wesen, die wir kennen!" (Johann Wolfgang von Goethe
.) Diese Aufforderung möchte ich in die Welt hinausrufen!

Auf dem Neuroßgärter Kirchenberg in Königsberg, der zur gleichnamigen Kirche anstieg, wohnte seit einer Reihe von Jahren die Familie Lippkus. Die Kinder, zwei Töchter und ein Sohn, wuchsen fröhlich heran. Sie hatten das Glück, verständnisvolle Eltern zu haben. Gab es Streitigkeiten, wurden sie so schnell wie möglich im Gespräch bereinigt. Die beiden Mädchen schienen mit ihren Gaben von der Natur bevorzugt zu sein, dem Jungen fiel die Schule schwer. Aber niemand scheute Einsatz oder Anstrengung.

Die Zeit verging. Eines Tages lernte der Sohn ein Mädchen kennen, das nach Ansicht der Eltern und vor allem der hübschen Schwestern nicht in die Familie paßte, ganz abgesehen von der Konfession. Ostdeutschlands Hauptstadt trug den Beinamen "Das evangelische Königsberg". Anna wurde der Eingang in die Familie schwer gemacht. Sie wurde abgelehnt. Diese Haltung betrübte den Bruder, der seine beiden Schwestern liebte. Dennoch war er fest entschlossen, nicht aufzugeben. Er hatte seine Wahl getroffen und wartete ab. Fortan kleideten sich die jungen Mädchen ganz bewußt nach der neuesten Mode, und das mit größter Sorgfalt. Sie setzten alles daran, ihren Bruder zur Einsicht zu bewegen. Es gelang ihnen nicht; zwar hatten sich die Eltern mit dem Vorhaben ihres einzigen Sohnes auch nicht abgefunden, aber letztlich war er alt genug. Vielleicht war Anna in ihrer Bescheidenheit, in ihrer tadellosen Haltung gerade die Richtige für ihren Sohn.

Einen anderen Mann als Hans konnte Anna sich nicht vorstellen. So gab das junge Paar die Verlobung bekannt. Sofort verkündeten die Schwestern, an der Verlobungsfeier nicht teilnehmen zu wollen. Sie blieben fern, sehr zum Leidwesen des Bruders. Was hatte er mit diesem Schritt seiner Familie angetan?

Einige Monate später aber mußten sie die Einladung zur Hochzeit annehmen. Die Eltern drängten, die Höflichkeit erforderte es. Stolz und unnahbar reihten sie sich in den Zug der Hochzeitsgäste. Immer noch sahen sie in der jungen Frau einen Eindringling, der ihre Familie spaltete. So sehr Anna sich auch bemühte, auf die Schwägerinnen zuzugehen, diesen lähmenden Zustand zu beenden, alles war ohne Erfolg. Der Vorhang aus hartem Trotz war wie eine Festung, gegen die die junge Frau vergeblich anrannte.

Als letzten Versuch wollte sie es wagen, ein sichtbares Zeichen zu setzen. Sie wollte so gern angenommen werden. Dazu bot sich als günstige Gelegenheit der Geburtstag der ältesten Schwägerin.

Im Anfang des 20. Jahrhunderts gab es Tischwäsche und auch Handtücher mit eingewebten Sprüchen in der untersten Damastkante. Anna begab sich zu Lachmanski, einem feinen Wäschegeschäft. Sie suchte, suchte – und fand endlich kostbare Handtücher mit dem oben erwähnten Spruch.

Bei der Gratulation nahm die Schwägerin Annas Hand nur gerade so in die ihre. Dann öffnete sie das so hübsch eingepackte Geschenk. Sie betrachtete die Tücher oberflächlich. Dann aber fiel ihr Blick auf den Spruch. Es war nur ein kurzer Moment. Dann begegneten sich zwei Augenpaare und plötzlich legten sich zwei Arme um Annas Hals. Ohne Worte, einzig und allein mit einer wohlüberlegten Geste hatte Anna erreicht, was sie und ihr Mann sich so sehr
 
     
     
 
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